In der Case Discussion Session stellten zwei Experten – Hun Ju Lee vom MD Anderson Cancer Center in Houston, Texas und Anna Sureda-Balarí vom Institut Català d’Oncologia in Barcelona – interessante und außergewöhnliche Fälle von Patienten Hodgkin Lymphom (HL) vor.
Der erste Fall von Prof. Lee handelte von einem 26-jährigen Mann, welcher mit HL im Stadium vier diagnostiziert wurde. Er wies eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit auf, der internationale prognostische Score (IPS) wurde mit drei berechnet.
Nach drei Zyklen ABVD (Adriamycin/Bleomycin/Vinblastin/Dacarbazin) wurde im Interim-PET ein Deauville score (DS) von drei gemessen, es folgten drei weitere ABVD-Zyklen. Ein neuerliches PET ergab einen DS von fünf, womit es sich um ein primär refraktäres HL handelte. Eine Behandlung mit zwei Zyklen ICE (Ifosfamid/Carboplatin/Etoposid) wurde eingeleitet, gefolgt von einer autologen Stammzelltransplantation (ASCT) und einer Brentuximab Vedotin-Konsolidierung. Nach zwei Monaten kam es zu einem Rezidiv und einer erneuten Biopsie.
Der Patient wurde im weiteren Verlauf in eine klinische Studie eingeschlossen und bekam eine CD30 CAR-T-Zelltherapie. Nach neun Monaten kam es erneut zu einem Rezidiv. Nun wurde eine Behandlung mit Nivolumab eingeleitet. Der Patient ist aktuell in Remission und noch immer in Therapie. Da der Patient keine allogene SCT (alloSCT) durchlaufen will, wird die Behandlung weiterhin fortgesetzt.
Dieser Fall wäre wohl in Österreich analog der German Hodgkin Study Group (GHSG) behandelt und die Therapie daher zum Beispiel mit BEACOPP (Bleomycin/Etoposid/Adriamycin/Cyclophosphamid/Vincristin/Procarbazin/Prednison) oder gemäß der HD-21-Studie mit BrECAPP (Brentuximab Vedotin/Etoposid/Cyclophosphamid Doxorubicin/Dacarbazin/Dexamethason) eskaliert worden.
Unabhängig davon ist das Ziel bei einem jungen Patienten in gutem Allgemeinzustand mit Rezidiv -oder wenn der Patient refraktär wäre – eine Salvage-ASCT durchzuführen. Dazu würde in Österreich ICE oder DHAP (Dexamethason/hochdosiertes Cytarabin/Cisplatin) eingesetzt werden, wahrscheinlich schon in der ersten Linie, weil die CD30 CAR-T-Zelltherapie hier nicht zur Verfügung steht. Die Behandlung mit Nivolumab ist natürlich eine Option, wenn der Patient auf die Therapielinie nach BrECAPP nicht anspricht und der Patient so keine Komplettremission vor ASCT erreichen kann.
Der zweite Fall wurde von Dr. Anna Sureda-Balarí aus Barcelona vorgestellt. Hierbei handelte es sich um einen 20-jährigen Mann mit einem HL im Stadium IIb mit großen Mediastinaltumor (fortgeschrittenes Stadium gemäß GHSG).
Der Patient erhielt sechs Zyklen ABVD, im anschließenden PET zeigt sich allerdings eine Progression mit einem DS von fünf, es handelte sich also um eine primär refraktäre Erkrankung. Es folgte eine erneute Biopsie zur Sicherung der Diagnose und eine Behandlung mit zwei Zyklen ESHAP (Etoposid/Solumedrol/hochdosiertes Cytarabin/Cisplatin). Der DS im anschließenden PET betrug erneut fünf. Da es sich um eine refraktäre Erkrankung und nicht um ein Rezidiv handelte, wurde auf eine erneute Biopsie verzichtet. Der Patient erhielt vier Zyklen Brentuximab Vedotin, auch unter diese Behandlung schritt die Erkrankung weiter fort. Daraufhin wurde der Patient in die AFM13-103-Studie eingeschlossen und mit dem bi-spezifischen T-Zell-Engager (BiTE) AFM13 in Kombination mit Pembrolizumab behandelt. Unter dieser Behandlung kam es nach 26 Wochen zu einem partiellen Ansprechen, nach dem Follow-Up erlitt der Patient allerdings ein Rezidiv. Der Patient erhielt daraufhin eine FBC-Induktion gefolgt von einer alloSCT. Es kam zu einer Komplettremission, allerdings litt der Patient an Nebenwirkungen vom Schweregrad 4 und einer milden Graft-versus-Host-Disease (GvHD).
In Österreich wäre dieser Patient vermutlich mit einer BEACOPP-Eskalation plus ABVD und Bestrahlung behandelt worden. In diesem Setting wird in Österreich aufgrund der Studienprotokolle der GHSG viel bestrahlt, darüber ist in der Session viel diskutiert worden. Anstelle von ESHAP wäre der Patient bei uns mit ICE oder DHAP behandelt worden, bei einem Versagen dieser Therapien wäre Brentuximab Vedotin zusätzlich verabreicht worden. Eine Brentuximab Vedotin-Behandlung hätte natürlich auch vorgezogen werden können, dann wäre auf ein Nicht-Ansprechen eine alloSCT gefolgt.
Eine wichtige Botschaft dieser Sitzung war, eine Transplantation immer wenn möglich bei einer Komplettremission durchzuführen. Daher könnte man bei diesem jungen Patienten anstatt einer Brentuximab Vedotin-Monotherapie bei diesem jungen Patienten ebenso eine Kombination eingesetzt werden – vorausgesetzt es handelt sich um einen primär Chemotherapie-refraktären Patienten. Bei Patienten, die primär Chemotherapie-sensitiv sind, ist der Einsatz einer erneuten Chemotherapie sicher mit weniger Hemmung verbunden.
Der dritte Fall wurde wieder von Dr. Anna Sureda-Balarí vorgestellt. Es handelte sich hierbei um einen 40-jährigen Mann mit HL im Stadium IIa und Risikofaktoren (frühes ungünstiges Stadium gemäß GHSG).
Der Patient erhielt vier Zyklen ABVD, im PET wurde daraufhin eine progrediente Erkrankung mit einem DS von fünf festgestellt, es handelte sich somit um eine primär refraktäre Erkrankung. Auf eine Induktion gemäß dem BEAM (Carmustin/Etoposid/Cytarabin/Melphalan)-Schema folgte daher eine ASCT. Die Erkrankung schritt danach weiter fort, es kam zur Entwicklung einer B-Symptomatik. Daraufhin erhielt der Patient vier Zyklen Brentuximab Vedotin als Vorbereitung auf eine alloSCT, die Erkrankung schritt ebenso unter dieser Behandlung weiter fort. Im Rahmen einer klinischen Studie erhielt der Patient dann eine zwölfwöchige Pembrolizumab-Therapie, unter welcher es zu einem partiellen Ansprechen kam, nach 40 Wochen kam es erneut zu einer Progression. In der nächsten Therapielinie erhielt der Patient Brentuximab Vedotin + Bendamustin gefolgt von einer alloSCT. Diese Behandlung zeigte Erfolg, der Patient befindet sich nach wie vor in einer Komplettremission.
Dieser Fall wäre bei uns wahrscheinlich auch mit BEACOPP + ABVD oder – falls die Erkrankung anstatt als intermediäres als frühes Stadium eingestuft worden wäre – mit ABVD + Bestrahlung behandelt worden. Bei einem Rezidiv unter dieser Therapie wäre möglichst eine ASCT nach ICE- oder DHAP-Therapie angestrebt worden. Hätte diese Induktion nicht zum Erfolg geführt, wäre eine kombinierte Chemotherapie mit Brentuximab eine Option, um den Patienten auf eine ASCT vorzubereiten.