Für den klinischen Alltag heißt das, dass ein frühzeitiger Behandlungsbeginn mit TNF-α-Inhibitoren und anderen Präparaten das Outcome verbessern kann; dass also Patienten deutlich davon profitieren, wenn früh im Erkrankungsverlauf mit einer adäquaten Therapie begonnen wird. Dieses Vorgehen kennt man aus der Kardiologie („Time is muscle“) oder aus der Neurologie („Time is brain“). Bei CED gilt das Motto: „Time is gut“. Wünschenswert wäre die Ausdehnung der Möglichkeit zum Drug-Monitoring.
Im Spital werden vorwiegend die komplizierten Fälle, die bereits Vortherapien erhalten haben, vorstellig. Diese Patienten entsprechend den Leitlinien zu behandeln, erfordert zuerst die Aufarbeitung der gesamten Krankheitshistorie.
Welche Highlights haben Sie aus dem Symposium mitgenommen, und was bedeuten die vorgestellten Daten für Ihre klinische Routine?
Schon vorher bekannt und aus meiner Sicht das Highlight im Bereich der Frontline-Therapie war die HD18-Studie (Nachweis der gleichwertigen Wirksamkeit von 4 Zyklen gegenüber 8 Zyklen BEACOPP bei gutem frühen Ansprechen laut PET, Anm.), da die Toxizität der Chemotherapie verringert wird, während die Effektivität gleichbleibt. Mittlerweile hat sich die HD18-Studie schon in den Leitlinien niedergeschlagen, und in der Praxis führt kein Weg mehr daran vorbei. Interessante Ergebnisse erwarte ich mir von der HD21-Studie (Vergleich von BrECADD mit dem BEACOPPeskaliert-Schema mit dem Ziel des Nachweises der Nichtunterlegenheit des reduzierten Schemas, Anm.), die hoffentlich eine Reduktion der Toxizität zeigen wird.
Im Bereich der Salvage-Therapie stellt die Steigerung der Wirksamkeit der Standardbehandlung mit DHAP durch die Zugabe von Brentuximab Vedotin für mich persönlich ein Highlight dar: Mit diesem Schema ist es möglich, bei fast allen Patienten komplette Remissionen zu erzielen. Auch die Kombination aus Bendamustin mit Brentuximab Vedotin geht mit hohen Raten an kompletten Remissionen einher. Wir haben diese Kombination außerhalb der Leitlinie schon gelegentlich in der Klinik angewendet. Die erwähnten Daten haben alle bereits in den klinischen Alltag Einzug gefunden, auch wenn die Anwendung zum Teil off-label ist.
Wo sehen Sie den klinischen Stellenwert der responseadaptierten Therapie mit PET-CT?
Die Interim-PET-CT hat einen hohen prognostischen Wert. Wir verwenden die PET-CT schon seit Längerem und führen die Untersuchung standardmäßig vor dem Beginn der Therapie sowie interimsmäßig durch, da wir die meisten Hodgkin-Patienten in Studien behandeln. Für mich von großem Interesse war die im Symposium diskutierte Feststellung, dass Biomarker wie CD30, zirkulierende Tumor-DNA und TARC noch zusätzlich einen hohen Benefit in Bezug auf die Prädiktion bewirken können. Es wird sicher interessant werden, diese Biomarker in Studien miteinzubringen. In der klinischen Routine sind sie vorläufig noch nicht etabliert.
Dem Publikum wurde die Abstimmungsfrage nach dem primären Ziel der Frontline-Therapie gestellt, und der Großteil der Zuhörer hat sich für eine weitere Verbesserung der Wirksamkeit ausgesprochen. Sehen Sie das auch so?
Ich sehe das ehrlich gesagt nicht so, weil ich der Meinung bin, dass mit der Frontline-Standardtherapie schon sehr gute Ergebnisse erzielt werden können. Aus meiner Sicht hat die Reduktion der Langzeit-Toxizitäten höhere Priorität als die Steigerung der Effektivität, besonders, weil viele Patienten jung sind. Es hat mich überrascht, dass das Abstimmungsergebnis so eindeutig für die Verbesserung der Wirksamkeit ausgefallen ist. Im Zusammenhang mit der Salvage-Therapie besteht durch die Kombination der Standardtherapie mit den neuen Substanzen das Potenzial der Effektivitätssteigerung.
Darf ich Sie noch um ein Abschluss-Statement bitten?
Prinzipiell kann man festhalten, dass die Frontline-Chemotherapie ein hohes Kurationspotenzial aufweist. Es ist jedoch wichtig, die Toxizität weiter zu verringern, und in diesem Kontext werden die Ergebnisse der HD21-Studie interessant sein. Im Hinblick auf die Salvage-Therapien besteht die Notwendigkeit, die Effektivität zu verbessern. Hier stellt sicherlich die Zugabe von Brentuximab Vedotin eine gute Möglichkeit dar.