Hochwirksame Modulatorentherapien haben die Prognose von vielen CF-Patienten vor allem hinsichtlich Lungenfunktion deutlich verbessert. Damit rücken weitere Begleiterkrankungen von cystischer Fibrose (CF) in den Fokus des klinischen Interesses, etwa CF-assoziierte Komorbiditäten des Gastrointestinaltrakts oder Infektionen der Atemwege.
CF-assoziierter Diabetes (CFRD) zählt zu den häufigsten Komorbiditäten bei CF überhaupt. Dem Europäischen CF-Patientenregister (ECFSPR) zufolge beträgt die Prävalenz von CFRD in Österreich knapp 20%. Die Häufigkeit nimmt mit jeder Lebensdekade zu (Prävalenz 10-19 Jahre: rund 8%, 20-29 Jahre: rund 20%, ab 30&Jahren: rund 32%; alle Daten aus Olesen HV, 2020).
Die hochwirksame Modulatortherapie (HEMT) mit Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor (ELX/TEZ/IVA) hat einen erstaunlichen Effekt auf die Lungenfunktion, wie eine dänische Arbeitsgruppe erinnerte (#6 [Nielsen et al]). Der Einfluss einer HEMT auf andere CF-typische Komorbiditäten ist aktuell Gegenstand intensiver klinischer Forschung. Die dänische Arbeitsgruppe stellte beim NACFC 2022 eine Untersuchung zu den Auswirkungen der Triple-Therapie auf den HbA1c-Wert vor. Die mittleren HbA1c-Baselinewerte der dänischen CF-Kohorte (n=298) betrugen 43,3mmol/mol (Anm.: Laut Umrechnungstabelle1 entsprechen 43mmol/mol einem HbA1c alt von 6,1%). Nach neun Behandlungsmonaten mit der Triple-Therapie gab es eine mittlere Reduktion des HbA1c um 2,7mmol/mol im Vergleich zum Ausgangswert. Interessanterweise war der Einfluss der Triple-Therapie nach neun Behandlungsmonaten auf den HbA1c-Wert in der jüngsten analysierten Kohorte (12 bis 25 Jahre) geringer (-1,8mmol/ml) als bei älteren Kohorten (36 bis 45 Jahre; -3,4mmol/mol). Die Reduktionen waren unabhängig vom Glukosetoleranzstatus.
Die Autoren merkten auch an, dass eine HbA1c-Reduktion nicht immer mit einem geringeren Insulinbedarf oder niedrigeren Blutglukosewerten korrelierte. Möglicherwiese, so die Autoren, würden weitere Faktoren wie geringeres Entzündungsgeschehen oder verbesserte körperliche Aktivität den HbA1c-Wert unter der Triple-Therapie günstig beeinflussen.
Die CF-assoziierte Lebererkrankung (CFLD) geht mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko und häufigeren schwerwiegenden Komorbiditäten einher, wie in einer beim NACFC 2022 präsentierten Multicenter-Studie einleitend betont wurde (#193 [Thavamani et al]); als Abstract #193 publiziert und am Poster #193 mit einem anderem Erstautor, Sankararaman, vor Ort mit aktualisierten Daten präsentiert). Die Autoren erinnerten auch, dass CFLD die dritthäufigste Todesursache bei CF ist, nach terminaler Lungenerkrankung und Lungentransplantations(LTX)-bezogenen Komplikationen.
In einem Datensatz von 21.827 Personen mit CF, die zwischen 2004 und 2021 erfasst wurden, zeigte sich eine CFLD-Prävalenz von 6,4%. Die Prävalenz nahm mit dem Alter zu und erreichte ihren Höhepunkt im Alter von 21 Jahren (16,7%). Kinder mit CFLD waren älter (median 14,7 versus 10,6) und Buben häufiger betroffen (p<0,001). Klinisch besonders relevant: Personen mit CFLD hatten signifikant häufiger schwere Komorbiditäten (z.B. Malignome, respiratorisches Versagen, ICU-Aufnahme, mechanische Beatmung, Lungenhochdruck, LTX, Diabetes, Mangelernährung, parenterale Ernährung; alle p<0,001 versus der Vergleichskohorte ohne CFLD). Das Mortalitätsrisiko – primärer Endpunkt der Untersuchung – war für die CFLD-Kohorte 1,72fach höher (p<0,001). Prospektive longitudinale Studien wären dringend erforderlich, so die Autoren, um die Krankheitslast von CFLD noch besser einschätzen zu können.
Seit Einführung von ELX/TEZ/IVA haben mehr CF-Patienten Zugang zu CFTR-Modulatoren. Während der respiratorische Nutzen dieser Therapie gut dokumentiert ist, ist die Wirkung auf den GI-Trakt nicht so klar. In einer beim NACFC 2022 vorgestellten Arbeit wurden Ergebnisse einer 2018 durchgeführten Befragung zu GI-Symptomen mit aktuellen Daten aus 2022 verglichen (#192 [Calthorpe et al]; als Abstract #192 publiziert und am Poster #192 vor Ort mit aktualisierten Daten präsentiert). Insgesamt antworteten 164 Personen, sowohl Betroffene als auch Verwandte und verschiedene mit CF befasste Berufsgruppen. 81% der befragten Patienten erhielten inzwischen einen CFTR-Modulator. Fazit: 47% der CF-Patienten noch ohne Modulatorentherapie verpassten Schule oder Arbeit wegen GI-Symptomatik, jedoch nur 27% unter einem CFTR-Modulator. Symptome, die sich unter dem CFTR-Modulator besserten, waren Blähungen und häufiger Stuhlgang. Die Autoren fassten zusammen, dass CFTR-Modulatoren zur Besserung der GI-Symptome beitragen und die Abwesenheit von Schule oder Arbeitsplatz reduzieren würden. Die Lebensqualität wäre aber durch nach wie vor bestehende GI-Symptome weiterhin beeinträchtigt.
In dem multizentrischen Real-World-Studienprogramm „PROMISE“ werden verschiedene Aspekte der Routineversorgung mit der CFTR-Modulatoren-Kombinationstherapie ELX/TEZ/IVA unter Alltagsbedingungen untersucht. Beim NACFC 2022 wurden einige präliminäre Ergebnisse aus der pädiatrischen Substudie von PROMISE vorgestellt, darunter der Einfluss der Triple-Therapie auf gastrointestinale Symptome und fäkale Biomarker (#224 [Green et al], als Abstract #224 publiziert und am Poster #224 vor Ort mit aktualisierten Daten präsentiert).
Über 100 Kinder zwischen sechs und elf Jahren und zumindest einer F508del-Mutation aus 20 Zentren wurden evaluiert und die Werte zu Baseline, nach einem Monat (fäkale Biomarker) und nach sechs Monaten (Patientenberichte) verglichen. Demnach war nach einem und nach sechs Behandlungsmonaten die Häufigkeit von patientenberichteter Obstipation gesunken, aber nicht substanziell, wie am Poster angemerkt wurde. Die durchschnittlichen Calprotectin-Werte, die, so die Autoren, die intestinale Entzündung reflektieren könnten, besserten sich nach einem Monat gegenüber Studienbeginn, während sich fäkale Elastase 1 und Steatokrit nach einem Monat noch nicht signifikant veränderten. Die Autoren folgerten, dass Modulatoren in dieser Kohorte die GI-Symptomatik zunächst nicht substanziell beeinflussten. Sie betonten aber, dass die GI-Symptomatik in der untersuchten CF-Kohorte schon zu Baseline gering war.
Immer mehr Berichte und Publikationen weisen darauf hin, dass Kolorektalkarzinome (CRC) in der CF-Population häufiger als in der Allgemeinbevölkerung auftreten, wie Prof. Dr. Elizabeth Tullis, Direktorin der Toronto Adult Cystic Fibrosis Clinic am St. Michael’s Hospital in Toronto, Kanada, bei der Plenary Session 3 am 5.11.2022 im Rahmen der NACFC 2022 ausführte. Sie appellierte, die „Cystic Fibrosis Colorectal Cancer Screening Recommendations“ (Hadjiliadis, 2018) zu beachten, in denen gezielte Empfehlungen zum CRC-Screening in der CF-Bevölkerung vorgestellt wurden.
Eine beim NACFC 2022 veröffentlichte retrospektive Single-Center-Studie aus Großbritannien verdeutlichte die Notwendigkeit ihres Appells (#205 [Sapru et al]). Die Autoren dieser Studie analysierten retrospektiv Daten von CF-Patienten ab 30 Jahren aus einem Zentrum im britischen Manchester, die zwischen 2010 und 2020 dort betreut und in dieser Zeitspanne zum Teil auch koloskopiert worden waren.
361 (51%) der insgesamt in diesem Zeitraum betreuten Patienten waren 30 Jahre oder älter (mittleres Alter dieser Kohorte: 44,8 Jahre). 33 Patienten wurden koloskopiert, davon 31 wegen Symptomen und zwei zur Prophylaxe wegen positiver Familienanamnese. Bei einem Drittel der Koloskopierten wurden Polypen entfernt (vor allem bei jenen über 40 Jahre), 94% dieser exzidierten Polypen waren prämalign. In den nächsten zehn Jahren entwickelte keiner der Koloskopierten, aber vier der Nicht-Koloskopierten ein CRC. Von den vier Patienten mit CRC verstarben drei an CRC-assoziierten Komplikationen. Die Autoren konkludierten, dass ein CRC-Screening für CF-Patienten dringend nötig wäre.
Pseudomonas-Infektionen der Atemwege gelten als schwerwiegende Komorbidität bei CF. Bis dato gab es keine Studien, die primär die Sicherheit von inhalativem Tobramycin (TIS) bei Kindern unter einem Jahr analysierten. Beim NACFC 2022 wurde eine entsprechende retrospektive Analyse vorgestellt (#245 [Riggsbee et al]).
Darin wurde die Inzidenz von Medikamenten-bedingten Nebenwirkungen („Adverse Drug Events“ – ADE) durch TIS bei Kindern unter einem Jahr (n=12) mit der Gruppe zwischen einem und 18 Jahren (n=36) verglichen. Die beiden Gruppen unterschieden sich nicht hinsichtlich Geschlechtsverteilung, Modulatortherapie und konkomitanter Verabreichung von oralem Azithromycin und Ciprofloxacin. Es gab fünf ADEs (42%) in der Säuglings- und drei (8,3%) in der Kinder- und Jugendlichen-Gruppe. Die häufigste ADE-Meldung war Husten. Wenn man diese ADE herausnahm, verblieb kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen. Den Autoren zufolge könne Husten als ADE durchaus unberücksichtigt bleiben, da dies ohnehin ein Hauptsymptom der Infektion mit Pseudomonas aeruginosa bei CF darstelle. Die Ergebnisse würden daher die sichere Anwendung von TIS bei Säuglingen unter einem Jahr anzeigen, so ihre Conclusio.
Die bei CF häufig durchgeführte Eradikation von Pseudomonas (P.) aeruginosa versagt bei bis zu 40% der Patienten. Gründe dafür könnten die Resistenz des Bakteriums gegen die neutrophil-mediierte Opsonophagozytose und das intrazelluläre Bakterienkilling (OPK) sowie die Bildung von Biofilmen mit hohem Anteil des extrazellulären Polysaccharids Psl sein, so die Autoren einer weiteren NACFC-Präsentation (#538 [Kwong et al]). Ein Lösungsansatz könnten monoklonale Antikörper gegen Psl oder gegen PcrV darstellen. PcrV ist ein Protein des Typ-3-Sekretionssystems von P. aeruginosa.
In der vorliegenden Arbeit wurden Isolate von sieben Patienten verwendet, bei denen die Eradikation versagt hatte, und von acht, bei denen sie geglückt war. Diese wurden mit einem Anti-Psl-Antikörper (Psl0096) oder einem bivalenten Antikörper gegen Psl und PcrV (MEDI3902) behandelt. Beide waren in vitro gleich wirksam bei der OPK-Verstärkung; diese gelang bei 85% der persistenten und 65% der eradizierten Isolate. Mäuse, die vor Infektion mit MEDI3902 behandelt wurden, zeigten eine signifikant niedrigere Bakterienlast in der Lunge und eine höhere Rate an Bakterienclearing nach 24 Stunden (46% vs. 0%; p=0,01). Die Autoren fassten zusammen, dass ein monoklonaler Antikörper gegen Psl und PcrV wie MEDI3902 hilfreich bei der Eradikation von P. aeruginosa bei Personen mit CF sein könnte.
1)https://www.diabaer.at/uploads/pdfs/HbA1c-Umrechnungstabelle.pdf (Zugriff: 03.11.2022)
Dieser Bericht umfasst ausgewählte Inhalte aus den angeführten NACFC-2022-Sessions sowie aus den mit # gekennzeichneten Arbeiten, die als Abstracts vor dem NACFC 2022 und als Posters während des NACFC 2022 veröffentlicht wurden.