Vor über 30 Jahren begann eine – damals höchst ungewöhnliche – Kooperation zwischen zwei Forschern aus Ann Arbor im US-Bundesstaat Michigan und aus dem kanadischen Toronto. 1989 kam der Durchbruch: Das „Cystische-Fibrose-Gen“ wurde entdeckt und die Erkenntnisse in einer viel beachteten Science-Publikationsreihe1 veröffentlicht. Aus dieser Arbeit entstand letztlich das „Human Genome Project“ als Grundlage für die Aufklärung einer Vielzahl von weiteren seltenen genetischen Erkrankungen.
30 Jahre später stand einer der Protagonisten, Prof. Dr. Francis S. Collins, beim NACFC 2019 in Nashville als Ehrenvortragender auf der Bühne. Collins forschte damals in Ann Arbor, Michigan, und wurde später, 2009, von US-Präsident Obama zum 16. Direktor der renommierten National Institutes of Health (NIH) in Bethesda, MD, USA, ernannt. „Im Grunde meines Herzens bleibe ich aber CF-Forscher“, verriet Collins in seiner emotionalen und dennoch sehr humorvollen Rede. „Umso stolzer bin ich, dass wir heute, 30 Jahre nach unserer Entdeckung, gemeinsam einen weiteren Meilenstein für unsere CF-Patienten feiern dürfen, nämlich die Einführung einer Tripletherapie bestehend aus drei CFTR-Modulatoren und basierend auf den Ergebnissen der Phase-3-Studien .“2,3
Die Triplekombination Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor wurde von der FDA bereits zugelassen. Die europäische Zulassungsbehörde EMA hat Ende Oktober 2019 den EU-Marktzulassungsantrag (MAA) für das Dreifachkombinationsregime angenommen. „Mit dieser neuen Therapie können wir nun etwa 90 Prozent unserer CF-Patienten mit Modulatoren behandeln“, freute sich Collins, „und die Behandlung mit dieser Tripletherapie ermöglicht klinisch bedeutsame Verbesserungen auch für Patienten mit Mutationen, für die es bislang keine Modulatorenbehandlung gab.“ Nur ganz seltene Mutationen und so genannte „Nonsense-Mutationen“, bei denen gar kein CFTR-Protein gebildet wird, könnten durch die aktuellen CFTR-Modulatoren nach wie vor nicht behandelt werden.
Prof. Dr. Jane Davies, Imperial College London, UK, blickte in ihrem Vortrag auf den klinischen Nutzen der bisher verfügbaren CFTR-Modulatoren zurück. „CFTR4 ist ein Protein, das als Ionenkanal fungiert, um Chloridionen zu transportieren. Bei der autosomal-rezessiv vererbten CF führen Mutationen im CFTR-Gen zu unterschiedlichen Defekten dieses Proteins, die alle die Zusammensetzung der Sekrete in den exokrinen Drüsen verändern“, fasste die Britin zusammen. Grundprinzip der CFTR-Modulatoren sei es daher, fehlgefaltetes CFTR-Protein so zu „korrigieren“, dass Chloridionen „durchwandern“ können, wie die Britin veranschaulichte, „daher bezeichnen wir diese Substanzen auch als Korrektoren. Die zweite Möglichkeit sind Potentiatoren, die die Funktion von CFTR verbessern, indem sie jene unterschiedlichen Fehler im Protein ansprechen, die verhindern, dass Chloridionen an die Oberfläche gelangen, etwa bei Gating-Defekten.“
2012 schließlich wurde der erste CFTR-Modulator, Ivacaftor, zugelassen. „Die Substanz kann alleine jedoch nur bei selteneren Mutationen eingesetzt werden“, erinnerte Davies. „Seither wurden jedoch Kombinationstherapien entwickelt und zugelassen, nämlich Lumacaftor/Ivacaftor und Tezacaftor/Ivacaftor, die auch für die häufigen F508del-Mutationen und für bestimmte Mutationen mit Restfunktion geeignet sind.“5 Inzwischen, ergänzte die Britin, sei natürlich auch die Tripletherapie in Europa ante portas.
Für Ivacaftor liegen inzwischen Registerdaten über fünf Behandlungsjahre vor.6 „Tatsächlich konnte in diesem Zeitraum der Abfall der Lungenfunktion gegenüber CF-Patienten ohne Ivacaftor-Therapie signifikant verringert, ja nahezu normalisiert werden. Die Behandlung mit Ivacaftor führte auch zu signifikant weniger pulmonalen Exazerbationen und Spitalsaufenthalten, sowie zu einer deutlichen Zunahme von Body Mass Index und Lebensqualität, um einige klinisch relevante Ergebnisse hinsichtlich der Langzeitwirksamkeit dieses CFTR-Modulators unter Alltagsbedingungen aufzugreifen.“ Allen voran, so Davies, führte die Behandlung mit dem CFTR-Modulator schon nach fünf Jahren zu signifikanten Verbesserungen hinsichtlich des Überlebens und des Bedarfs an Lungentransplantationen.
Im letzten Teil ihres Vortrags fokussierte Davies auf Möglichkeiten, die Behandlung mit CFTR-Modulatoren weiter zu optimieren. „Neben der Einführung der Tripletherapie und der Entwicklung neuer CFTR-Modulatoren untersuchen wir natürlich auch, ob CFTR-Modulatoren nicht noch früher im Verlauf eingesetzt werden können, um CF-bedingte Schäden gar nicht erst entstehen zu lassen, und bei welchen Patienten sie besonders gut wirksam sind.“
Dazu beitragen könnten Systeme, um die Wirksamkeit von CFTR-Modulatoren vorab zu bestimmen. „Es gibt einige Arbeitsgruppen, die am mutationsspezifischen in vitro Theratyping und an der patientenspezifischen ex vivo Theranostik arbeiten, so die Fachbegriffe“, erläuterte Davies. „Für die klinische Forschung haben wir beispielsweise die PROMISE-Studie (a prospective study to evaluate biological and clinical effects of significantly corrected CFTR function) initiiert.“ Darin soll der Einfluss einer CFTR-Modulatorentherapie auf andere bei CF relevanten Systeme wie Mukus, Mikrobiologie und Entzündung, Leber, Gastrointestinaltrakt oder endokrine Organe gezielt untersucht werden. „Denn wir CF-Behandler wissen ebenso wie unsere Patienten, dass CF eine facettenreiche Multisystemerkrankung ist!“
Alle, die die Plenary Session nach diesen Schlussworten eilig verließen, werden es wohl lange bereuen. Denn es gab eine Überraschung, die bei den Anwesenden in Nashville – immerhin „Hauptstadt der Country Music“ – für Standing Ovations, aber auch für viele Emotionen und Tränen sorgte. NIH-Direktor Prof. Collins, ein leidenschaftlicher und äußerst talentierter Musiker, wurde nochmals auf die Bühne gebeten.
Er intonierte sein neues CF-Lied: „Dare To Dream!“ Hören Sie rein, der Text ist phantastisch und die Stimmung war Gänsehaut pur – Sie werden diese wenigen Minuten nicht vergessen! ->
Direktor Prof. Collins singing “Dare to Dream”
Quellen
1)Eine ausgezeichnete Zusammenfassung der Hintergründe und Folgen dieser Entdeckung fin den Sie auf: www.nature.com/articles/460164a
2) siehe auch Abstract/Poster Nr. #507
3) siehe auch Abstract/Poster Nr. #508
4) CFTR: cystic fibrosis transmembrane conductance regulator
5) Eine genaue Auflistung der mutationsspezifischen Einsatzmöglichkeiten der drei bislang in Österreich zugelassenen CFTR-Modulatoren (Kalydeco®, Orkambi®, Symkevi®) sowie Angaben zu Dosierungen und Altersbeschränkungen sind den jeweiligen Fachinformationen zu entnehmen.
6) Volkova N et al J Cyst Fibros. 2019; DOI:10.1016/j.jcf.2019.05.015. [Epub ahead of print]
Dieser Bericht fasst die Plenary Session II „Entering the Era of Highly Effective Modulator Therapy“ am 1.11.2019 im Rahmen des NACFC 2019 in Nashville, TN, USA, zusammen