Die Cystische Fibrose (CF) gilt als ein „idealer“ Kandidat für eine Gentherapie, da die Mutation bekannt und nur an einem einzigen Gen lokalisiert ist. Zudem wäre die Lunge als relativ großes Organ gut zugänglich. Doch noch sind viele Fragen offen, etwa hinsichtlich der Vektoren, der Überwindung der physischen und immunologischen Barrieren und der geeigneten Zielzellen, wie in einer Plenarsitzung beim virtuellen NACFC 2020 erörtert wurde.
„Die North American Cystic Fibrosis Conference (NACFC) 2020 verläuft natürlich ganz anders als bisherige Jahrestreffen“, betonte Dr. Michael Boyle, Präsident der Cystic Fibrosis Foundation (CFF), in seiner kurzen Begrüßungsrede zu Beginn der ersten virtuellen NACFC-Plenarsitzung. „Wir sind aber optimistisch, dass wir auch aus dem virtuellen Raum viele neue Impulse für die wissenschaftlichen und klinische CF-Programme mitnehmen können.“
Die autosomal rezessiv vererbte Erkrankung cystische Fibrose (CF) kann nach wie vor nicht geheilt werden. Der Gendefekt basiert auf Mutationen am langen Arm des Chromosom 7, die zu einer fehlerhaften Synthese oder Dysfunktion des CFTR-Proteins*) führen. Dieses Protein dient als Kanal zum Transport von Chloridionen. Bei Defekten kommt es zu Störungen im Salz-Wasserhaushalt betroffener Organe mit Bildung von wasserarmen, hochviskösem Sekret, was zu entsprechenden Funktionsverlusten führt.
„Zweifelsohne hat die Entwicklung und Zulassung der ersten CFTR-Modulatoren vor knapp zehn Jahren zu einem entscheidenden therapeutischen Durchbruch verholfen“, erinnerte Boyle. Allerdings gäbe es nach wie vor einen geringen Prozentsatz von CF-Patienten, die aufgrund seltener oder besonderer Mutationen nicht für eine CFTR-Modulatorentherapie in Frage kämen. „Im Rahmen des Programms ‘Path To A Cure’ fördern wir therapeutische Innovationen, um auch diese CF-Patienten ursächlich behandeln zu können“, verwies Boyle auf einen wesentlichen Fokus der CFF.
„Aktuell nutzen wir drei Ansätze zur Krankheitsmodifizierung bei CF, in Abhängigkeit von den jeweiligen Mutations- und Defektarten“, erläuterte Molekularmediziner Prof. Dr. Brian R. Davis, University of Texas Health Science Center at Houston, USA. „Die ersten beiden Ansätze konzentrieren sich auf die Wiederherstellung oder Verbesserung der Funktion der CFTR-Proteine sowie die Anregung der Produktion dieser Proteine. Für diese Ansätze stehen schon Medikamente zur Verfügung, nämlich die CFTR-Modulatoren.“
Patienten mit seltenen Nonsense- oder Splicing-Mutationen, die überhaupt kein CFTR-Protein erzeugen, würden jedoch Gen-basierte Methoden benötigen, um ihre DNA oder mRNA so zu korrigieren, damit funktionstüchtige CFTR-Proteine kodiert werden könnten. „Unsere Vision besteht darin, irgendwann alle CF-Gendefekte durch solche Gen-basierte Therapien korrigieren zu können.“
Untersuchungen zufolge, so Davis, könnte es gelingen, eine funktionelle Mukusschicht zu etablieren, wenn etwa 15 bis 20 % der oberflächlichen Zellen in den Atemwegen normales CFTR-Protein exprimieren würden. Ersten experimentellen Arbeiten zufolge sei es zudem gelungen, durch Gene-Editing von respiratorischen Basalzellen eine suffiziente CFTR-Produktion in den sekretorischen Zellen zu induzieren. Es sei jedoch noch nicht abschließend geklärt, welche Zellen wirklich Ziel einer CF- Gentherapie sein müssten. Ein weiterer Ansatz verfolgt die Verabreichung von modifizierten Stammzellen. Davis machte abschließend aufmerksam, dass alle genannten Techniken letztlich nicht nur für die Lunge, sondern auch für weitere Organe, die von CF betroffen sind, angepasst werden müssten.
Prof. Dr. Maria Limberis, University of Pennsylvania, USA, hielt in ihrem Vortrag zum Thema „NextGen Gentherapeutika“ eingangs fest: „Bislang gibt es noch keine zugelassene Gentherapie für CF. „Dabei wäre die CF ein idealer Kandidat für eine Gentherapie, da die Mutationen bekannt und nur an einem einzigen Gen lokalisiert sind und die Lunge ein relativ großes und damit gut zugängliches Organ ist.“ Am Beispiel der spinalen Muskelatrophie Typ I veranschaulichte die gebürtige Australierin das Potenzial dieser Technik. „Die einmalige Verabreichung einer geeigneten Gentherapie kann die Prognose dieser Kinder entscheidend verbessern, wie wir in der klinischen Praxis schon beobachten durften.“
Aktuell werden geeignete virale und nicht-virale Vektoren für den Transport von modifizierter DNA oder mRNA evaluiert. Die Herausforderungen sind vielfältig: So müssten etwa schon am respiratorischen Epithel physische Barrieren überwunden werden, denn die Mukusschicht von CF-Patienten ist dickflüssig und klebrig. Zudem wären kaum apikale Rezeptoren vorhanden, um Vektoren in tiefere Lungenschichten einzuschleusen. „Sollte es uns gelingen, diese Barrieren zu überwinden, müssen wir in weiterer Folge auch zelluläre und humorale Abwehrmechanismen ausschalten“, zeigte Limberis die Komplexität dieser Verfahren auf.
Technisch sei auch relevant, ob modifizierte DNA oder mRNA zugeführt werden soll, wie Limberis ausführte: „mRNA ist kurzlebig und muss daher wiederholt dem Zytoplasma zugeführt werden. Der Transport von DNA wiederum erfordert eine hohe Stabilität der Vektoren, um die Nukleusmembran zu durchdringen und den Zellkern zu erreichen.“
Einige Programme zur Entwicklung von Gentherapeutika befänden sich bereits in präklinischen und klinischen Stadien, so Limberis. Als Beispiel nannte sie die Entwicklung von adeno-assoziierten Viren als Vektoren, die die humorale Immunität umgehen könnten. „Wir wünschen uns alle, dass wir schon in naher Zukunft mithilfe von wirksamen und sicheren Gentherapien auch jenen CF-Patienten helfen können, die bislang noch nicht ursächlich behandelt werden konnten.“
*)CFTR: Cystic fibrosis transmembrane conductance regulator
Dieser Bericht fasst die Plenary Session I „Laying the Foundation for the Path to a Cure: The Fundamentals of Genetic-Based Therapies“ am 21.10.2019 im Rahmen des virtuellen NACFC 2020 zusammen.