Dr.med. Uli Kiesswetter
Medical Writer
Die Prognose bei cystischer Fibrose (CF) hat sich in den letzten Jahren signifikant verbessert. Doch was bringt die Zukunft? Könnte die noch frühzeitigere Wiederherstellung der CFTR-Funktion der Schlüssel sein, dass pulmonale und extrapulmonale CF-Manifestationen gar nicht erst entstehen? Welche Limitationen haben diese Überlegungen? Wir fassen einen Übersichtsvortrag von Prof. Dr. Jane C. Davies im Rahmen der rein virtuellen North American Cystic Fibrosis Conference (NACFC) 2021 zusammen.
„Wir haben zweifelsohne in der letzten Dekade entscheidende Fortschritte bei der Behandlung von CF-Patienten gemacht, was sich in einer deutlich verbesserten Prognose widerspiegelt.“ Dies sei, so Prof. Dr. Jane C. Davies, Imperial College London, UK, natürlich dem zunehmenden Einsatz der hochwirksamen CFTR*-Modulatoren geschuldet, aber auch der verbesserten Betreuung von CF-Patienten insgesamt. „Diese Erfolgsbilanz darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor etwa acht bis zehn Prozent unserer CF-Patienten nicht für eine CFTR-Modulatorentherapie geeignet sind, und dass modulierende Medikamente aktuell nicht ab der Geburt eingesetzt werden können. Wir dürfen daher bei unseren Bemühungen, die Therapiemöglichkeiten zu verbessern, nicht träge werden.“ Immerhin besteht Hoffnung: So werden neben Kandidaten für Gentherapie etwa auch Modulatoren untersucht, die Nonsense-Mutationen ansprechen können.
Eine Herausforderung zur Verbesserung des Outcomes besteht laut Davies darin, die Manifestierung von Organbeteiligungen bei CF durch einen noch früheren Einsatz von Modulatoren zu verhindern. „Wir wissen inzwischen, dass die meisten Babies in den ersten Lebensmonaten zwar lungengesund erscheinen, dass sich strukturelle Lungenveränderungen aber bereits im Säuglingsalter ausbilden. Modellen zufolge könnten diese Veränderungen sogar schon zum Zeitpunkt der Geburt bestehen.“
CFTR-Modulatoren in Monotherapie (Ivacaftor), als Fixkombination mit zwei Substanzen (Lumacaftor/Ivacaftor oder Tezacaftor/Ivacaftor) oder als Triple-Therapie (Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor) könnten jedenfalls einen entscheidenden und signifikanten Beitrag zum Erhalt der Lungengesundheit leisten, erinnerte Davies an die umfassende Datenlage aus klinischen Studien und Registern. „Sie werden abhängig von der jeweiligen Mutation und vom Lebensalter eingesetzt, sind daher für Säuglinge und kleinere Kinder zumeist noch nicht geeignet.“
Derzeit werde eine Reihe von präklinischen und klinischen Studien zur Untersuchung eines frühzeitigeren Einsatzes von hochwirksamen Modulatoren durchgeführt, „in einer Studie rekrutieren wir gerade Kinder im Alter von einem bis vier Monaten“, kommentierte Davies und verwies auf die Bedeutung der aktuell laufenden Real-World-Studien (z.B. PROMISE, RECOVER, BEGIN, ENHANCE) mit CFTR-Modulatoren. Darin werden Parameter wie biologisches und klinisches Verhalten der Modulatoren, Therapieadhärenz oder Einfluss der Modulatoren auf Routineversorgung im klinischen Alltag, sowie die Sicherheit der Therapieschemata auch in der Langzeitanwendung untersucht.
„Bis Ergebnisse vorliegen und Zulassungen für jüngere Kinder erteilt werden, müssen wir uns gedulden. Denn gerade diese Studien sind komplex: Sie sollen beispielsweise die Wirksamkeit der Therapie auf Parameter wie Lungenfunktion und Exazerbationsrate untersuchen, aber auch moderne Techniken wie Gasauswaschverfahren anwenden, um den Einfluss der Modulatoren auf die Lungenfunktion auch bei jüngeren Kindern besser darstellen zu können. Zudem brauchen wir weitere Daten hinsichtlich der Wirksamkeit auf andere Organsysteme, etwa auf eine mögliche Wiederherstellung der exokrinen und endokrinen Pankreasfunktionen, wie schon in ersten Arbeiten beobachtet.“
Bis dahin, so Davies, könnte man über den Einfluss von Modulatoren und anderer noch zu entwickelnder Medikamente unmittelbar nach der Geburt nur spekulieren: „Die postpartale CFTR-Restoration könnte die strukturelle und funktionelle Lungengesundheit verbessern. Sie könnte dazu beitragen, den Schleim soweit zu verflüssigen, dass eine adäquate Clearance der Atemwege gesichert und das Infektionsrisiko gesenkt wird.“ Im Idealfall könnte der Bedarf an Atemphysiotherapie reduziert werden, die sich in der täglichen Routine als zeitlich sehr belastend erweist.
Eine möglichst umfassende Wiederherstellung der CFTR-Funktion bereits unmittelbar nach der Geburt könnte ebenso der Schlüssel zur Verhinderung von extrapulmonalen Manifestationen sein, wie Davies am Beispiel der Pankreasinsuffizienz veranschaulichte: „Heute wissen wir zumindest, dass der Einsatz von hochwirksamen CFTR-Modulatoren auch später im Leben das Risiko eines CF-assoziierten Diabetes verringert.“ Allerdings, mahnte Davies bei allem Optimismus zu Vorsicht und Sorgfalt, „denn es gibt natürlich Limitationen: Zum einen müssen mögliche Benefits erst genauer untersucht und belegt werden, zum anderen ist es unwahrscheinlich, dass diese Behandlungsansätze für alle Säuglinge geeignet sind oder vertragen werden.“
Sogar antenatale Behandlungen würden aktuell am Modell untersucht, berichtete Davies. „Diese Überlegungen sind natürlich spannend. Primäre Voraussetzung wäre jedoch, dass die Schwangere überhaupt weiß, dass ihr Kind ein entsprechendes genetisches Risiko hat.“ Bis (und falls) diese skizzierten Möglichkeiten Eingang in den klinischen Alltag finden, „müssen wir unsere umfassenden konventionellen Versorgungsmöglichkeiten forcieren und weiterentwickeln, insbesondere die symptomatische Therapie in den ersten Lebensmonaten“, subsummierte die britische Expertin.
*)CFTR: Cystic fibrosis transmembrane conductance regulator
Dieser Bericht fasst ausgewählte Statements aus der Session S04 („The New Era of Highly Effective Modulator Therapy“; Schwerpunkt Vortrag S04.4) am 3.11.2021 im Rahmen des virtuellen NACFC 2021 zusammen.