Die Prognose von Personen mit cystischer Fibrose (CF) hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Dies zeigen auch Registerdaten zu CFTR-Modulatoren. Für jenen kleinen Anteil an CF-Patienten, die nicht für eine Modulatorentherapie infrage kommt, zeichnet sich ein Silberstreif am Horizont ab. Erste klinische Studien mit innovativen Wirkstoffen könnten demnächst beginnen.
Die Prognose von Personen mit cystischer Fibrose (CF) hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. „Bei der historischen Analyse dieser Beobachtung erkennen wir natürlich die Zusammenhänge mit Meilensteinen wie der Einführung von Pankreasenzymen, Antibiotika und CFTR-Modulatoren“, bestätigte Prof. Dr. Manu Jain, Northwestern University Feinberg School of Medicine, Chicago, IL, USA, bei einer der traditionellen NACFC-Highlights-Sessions. „Die verbesserte Prognose ist aber auch auf viele andere Rädchen, an denen wir geschraubt haben, zurückzuführen, etwa auf die Optimierung von Versorgungsstrukturen und die verbesserte Datenlage durch Einführung von Registern.“
„Der aktuell letzte Schritt in der Erfolgsgeschichte war natürlich die Zulassung der Triple-Therapie bestehend aus den CFTR-Modulatoren Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor (ELX/TEZ/IVA) plus IVA, die heute Eingang in die klinische Routineversorgung gefunden hat“, betonte Jain. „Das zeigen auch die Vielzahl und Vielfalt an Patienten unter dieser Therapie, was sich mittlerweile in US-amerikanischen und internationalen Registern abbildet.“
Neue, vielversprechende Medikamente, etwa Potentiatoren und Korrektoren, werden aktuell in klinischen Studien untersucht, davon einige bereits in Phase 3, „wie die Kombination von VX-121, Tezacaftor und Deutivacaftor“, berichtete Jain. Auch Gentherapien, die präklinische Wirksamkeit gezeigt haben, werden derzeit für first-in-human-Studien bei CF vorbereitet, etwa Programme mit mRNA-Lipidnanopartikeln.
Darüber hinaus werden alternative therapeutische Wirkmechanismen untersucht, beschrieb Jain anhand eines konkreten Beispiels: „Wir versuchen, nicht-CFTR-Moleküle zu identifizieren, die bestimmte Funktionen von CFTR replizieren könnten, um die Mechanismen, die den Mukus verflüssigen, wiederherzustellen. Eines dieser Moleküle könnte TMEM16A sein. Dieses Protein ist ebenfalls ein Chloridkanal in der apikalen Membran von respiratorischen Zellen und wird vor allem in sekretorischen Zellen exprimiert.“ Mithilfe einer Substanz namens GDC-6988 könnte es gelingen, den Chloridionentransport durch diesen alternativen Kanal zu verbessern. „Im Modell konnte bereits dargestellt werden, dass die Aktivierung dieses Kanals tatsächlich den gewünschten Effekt auf den Mukus hat“, so Jains spannender Blick in die Zukunft. „Ein solcher Ansatz würde unabhängig vom Genotypus funktionieren und damit auch CF-Patienten zugutekommen, die nicht mit CFTR-Modulatoren behandelt werden können.“ Erste in-vivo-Studien könnten bald folgen.
„Angesichts dieser Vielfalt an unterschiedlichen Ansätzen hoffen wir natürlich, dass wir in den nächsten Jahren unser eigentliches Ziel erreichen werden, nämlich jedem CF-Patienten unabhängig von seiner Mutation eine kausale Therapie anbieten zu können“, resümierte Jain.
Real-World-Daten gelten inzwischen als anerkannte Methode zur Evaluierung des klinischen Verhaltens von Substanzen im Praxisalltag. Nachfolgend werden aktuelle Zwischenanalysen mit Praxisdaten zur Triple-Therapie mit Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor (ELX/TEZ/IVA) plus IVA zusammengefasst.
Mit großem Interesse wurden die ersten Interimsdaten der prospektiven, multizentrischen, nicht-interventionellen einarmigen HELIO-Studie aus den USA aufgenommen (Ganapathy, #56 und W20.1). In HELIO wurde die Wirksamkeit der Triple-Therapie ELX/TEZ/IVA plus IVA bei Patienten ab 12 Jahren unter Alltagsbedingungen untersucht, die mindestens eine F508del-Mutation im CFTR-Gen aufweisen, unabhängig von der Art der Mutation im zweiten Allel. Dies entspricht der Zulassung dieser Fixkombination in Europa (Handelsname des Medikaments: Kaftrio®1). Relevante klinische Daten waren Veränderungen in der Lungenfunktion (ppFEV1), Body Mass Index (BMI) und bei den jüngeren Patienten BMI-z-Score (Anm.: Gewicht/Körperlänge), sowie die annualisierte pulmonale Exazerbationsrate. Diese klinischen Parameter wurden retrospektiv ab zwölf Monate vor Beginn der Triple-Therapie gesammelt. Die prospektive Beobachtungsphase ist mit 16 Monaten angesetzt.
In der vorliegenden Interimsanalyse der noch fortlaufenden Studie wurden jene 100 Patienten ausgewertet, von denen zumindest sechs Monate ab Beginn der Triple-Therapie entsprechende Daten verfügbar waren. Das mittlere Alter zu Behandlungsbeginn betrug 25,3 Jahre, bei nahezu ausgeglichener Geschlechterverteilung (51/49 m/w). 35% der Patienten waren zwischen 12 und 18 Jahre, 65% älter als 18 Jahre alt. Die Baseline-ppFEV1-Werte betrugen im Durchschnitt 71,0%, allerdings im Schwankungsbereich von 23,9 bis 115,3%, was einer typisch heterogenen CF-Alltagskohorte entspricht, wie die Autoren in ihrer Präsentation anmerkten. Der durchschnittliche BMI zu Therapiebeginn war 21,8kg/m2 (BMD-z-score ≤20 Jahre: –0,26).
Der Auswertung zufolge konnte die Lungenfunktion nach sechs Behandlungsmonaten mit der Fixkombination ELX/TEZ/IVA plus IVA um durchschnittlich 10,4% (95%-KI: 7,1–13,7) und während der insgesamt ausgewerteten Beobachtungsphase von durchschnittlich 11,2 Monaten um 9,5% (95%-KI: 6,8–12,2) verbessert werden. Ähnlich überzeugend die Veränderungen im BMI gegenüber Therapiebeginn: plus 1,08kg/m2 (95%-KI: 0,68–1,48) über sechs Monate und plus 0,96kg/m2 (95%-KI: 0,67–1,26) über die gesamte ausgewertete Follow-up-Periode. Der z-Score bei den bis 20-Jährigen verbesserte sich nach sechs Monaten auf 0,21. Die annualisierte pulmonale Exazerbationsrate konnte um 61% (Rate Ratio 0,39; 95%-KI: 0,30–0,52) verringert werden: Sie betrug in den 12 Monaten vor Therapiebeginn 1,24 und nach sechs Monaten 0,49.
Fazit der Autoren: Erste Interimsergebnisse von HELIO unterstreichen die klinisch bedeutsamen Verbesserungen von Lungenfunktion, Ernährungsstatus und Exazerbationsrate unter der Triple-Therapie ELX/TEZ/IVA plus IVA bei CF-Patienten ab 12 Jahren auch unter klinischen Alltagsbedingungen. Die Ergebnisse wären konsistent mit den Erfahrungen aus den pivotalen Zulassungsstudien, betonten die Autoren und ergänzten, dass bei der Interpretation der Ergebnisse das Real-World-Setting und Pandemie-bedingt mögliche Unschärfen zu berücksichtigen wären.
Beim NACFC 2021 wurde zudem ein Poster mit Interimsdaten nach 96 Wochen aus der offenen, 192-wöchigen Verlängerungsstudie 445-105 der Phase-3-Zulassungsstudien 445-102 (Genotypus F508del-Mutation/ Minimalfunktions-Mutation; F/MF) und 445-103 (homozygoter F508del-Genotypus; F/F) veröffentlicht (Daines, Poster Nr. 681). In 445-105 konnten die Patienten (n=506) mit F/MF oder F/F ab 12 Jahren die Triple-Therapie ELX/TEZ/IVA plus IVA aus den Zulassungsstudien fortsetzen.
Bei den Ergebnissen imponierte der anhaltende Einfluss der Triple-Therapie auf die CFTR-Funktion. Die mittlere Schweißchloridkonzentration als Maß für die CFTR-Funktion konnte anhaltend um rund 49mmol/l verringert werden, die CF-bezogene Lebensqualität und der Body Mass Index deutlich und anhaltend erhöht werden. Vor allem aber kam es zu einer positiven annualisierten mittleren Rate der Veränderung der Lungenfunktion (ppFEV1) von 0,28 (95%-KI: 0,03–0,54). Es gab also, die wie Autoren ausdrücklich aufmerksam machten, über den 96-wöchige Behandlungszeitraum im Durchschnitt keinen Verlust an Lungenfunktion. Ein solches Ausmaß der Prävention des Abfalls der Lungenfunktion konnte bislang noch für keinem CFTR-Modulator gezeigt werden, wie die Autoren kommentierten. Neue Sicherheitssignale wurden in dieser Interimsanalyse nicht detektiert.
Inzwischen gibt es eine Fülle von Daten zum Einsatz der Triple-Kombination IVA/TEZ/ELX+IVA bei Kindern ab sechs Jahren mit mindestens einer F508del-Mutation. Sie ist in Europa für diese Altersgruppe noch nicht zugelassen1, wenngleich der Antrag bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA bereits eingereicht wurde. In der vorliegenden Arbeit wurden erste Ergebnisse einer offenen Verlängerung der offenen multizentrischen Phase-3-Studie VX18-445-106 veröffentlicht (Ratjen, #562). In der Quellstudie waren Sicherheit und Wirksamkeit von IVA/TEZ/ELX+IVA bei 66 Kindern mit F/F oder F/MF im Alter von 6 bis 11 Jahren über 24 Wochen untersucht worden (ab Körpergewicht 30kg: Erwachsenendosis; darunter halbe Dosis). Für die offene Verlängerungsanalyse (VX18-445-107) liegt nun eine erste Interimsanalyse über weitere 24 Wochen vor. Die Sicherheitsdaten blieben konsistent mit den Ergebnissen der Quellstudie, neue Signale traten nicht auf.
Auch die Ergebnisse hinsichtlich der Wirksamkeit spiegeln die Erkenntnisse aus der Quellstudie wider. Es gab klinisch bedeutsame, robuste und anhaltende Verbesserungen der Lungenfunktion, der respiratorischen Symptomatik, der systemischen CFTR-Aktivität und der Ernährungsparameter auch über die weiteren 24 Wochen. Die Ergebnisse (Zahlen jeweils LS-Mittelwert) im Detail: absolute Änderung des ppFEV1 gegenüber Baseline der offenen Verlängerung bis Woche 24: 9,5 Prozentpunkte; Reduktion der Schweißchloridkonzentration als Maß für die CFTR-Funktion: -64,7mmol/l; BMI 1,27kg/m2, BMI-z-Score 0,34. Fazit der Autoren: Diese Interimsergebnisse unterstreichen den anhaltenden Nutzen einer CFTR-Modulatoren-Triple-Therapie auch in diesem jungen CF-Kollektiv.
Der erste Teil dieses Berichts fasst die Plenary Session III „Expanding the Horizon of Therapies for the Underlying Cause of CF“ am 5.11.2021 im Rahmen des virtuellen NACFC 2021 zusammen. Danach werden aktuelle Studiendaten zur Triple-Therapie vorgestellt.
Die mit # gekennzeichnete Arbeiten wurden als Abstracts beim NACFC 2021 veröffentlicht.
1) Fachkurzinformation Kaftrio®; Stand 04/2021