Die Betreuung von Patienten mit cystischer Fibrose (CF) war jahre- und jahrzehntelang eine Domäne der Pädiatrie. Inzwischen erreichen immer mehr CF-Patienten das Erwachsenenalter und können neue Lebensperspektiven entwickeln.
Ein simpler Vergleich veranschaulicht die Fortschritte in der Behandlung von CF-Patienten: 1938, als die CF erstmals als eigenständiges Krankheitsbild erkannt wurde, lag die Lebenserwartung bei etwa fünf Jahren, in den 1970er-Jahren bei etwa 18 Jahren und 2020 betrug das mittlere Überleben in Deutschland laut Berichtsband des Deutschen Mukoviszidose-Registers bereits 52,41 Jahre. „Die CF ist schon lange keine ‚Kinderkrankheit‘ mehr“, so eine wichtige Botschaft vieler Expertinnen und Experten in persönlichen Gesprächen beim NACFC 2022. Damit verschiebt sich die Betreuung von CF-Patienten zunehmend in Richtung Erwachsenenmedizin mit allen Herausforderungen, auch in Spezialgebiete, die bislang kaum Erfahrungen mit CF-Patienten hatten.
Ein paar Zahlen aus einer beim NACFC 2022 vorgestellten US-Populationsanalyse illustrieren diese Transition (#33 [Cromwell et al], als Abstract #33 publiziert und am Poster #33 vor Ort mit aktualisierten Daten präsentiert). Dank des zunehmenden Einsatzes der modernen Behandlungskonzepte, auch der Triple-Therapie bestehend aus den CFTR-Modulatoren Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor (ELX/TEZ/IVA), ist davon auszugehen, dass die Lebenserwartung in der CF-Population in Zukunft weiter ansteigen wird, so die Autoren einleitend. Damit erhöht sich die Zahl der Erwachsenen mit CF, die zu versorgen sind. Ihren Berechnungen zufolge ist bis 2040 zu erwarten, dass sich 70% der CF-Population im Erwachsenenalter befinden. Vier von zehn Erwachsenen mit CF (und 80% der CF-Kinder) werden dann ein ppFEV1 von zumindest 90% aufweisen und das Alter der ersten Lungentransplantation (LTX) wird ebenfalls ansteigen. Aktuell ist ein Drittel zum Zeitpunkt der LTX älter als 35 Jahre, im Jahr 2040 wird mehr als die Hälfte aller Patienten zum Zeitpunkt der ersten LTX über 35 Jahre alt sein. Und nicht nur das Alter zum Zeitpunkt der Transplantation wird ansteigen, auch die zu versorgende Post-Transplant-Bevölkerung wird älter sein.
Die zunehmende Lebenserwartung birgt eine Reihe weiterer Herausforderungen, auf die sich die Erwachsenenmedizin einstellen und vorbereiten muss, etwa der Umgang mit zunehmend komplexeren und alterstypischen Komorbiditäten, die die Einbindung weiterer Fachrichtungen erfordern. Deren Vertreter wiederum müssen im Umgang mit CF-Patienten geschult und das Schnittstellenmanagement ausgebaut und verbessert werden. Der multidisziplinäre Ansatz für die Betreuung von Erwachsenen mit CF wird somit wichtiger denn je zuvor, resümierten die Autoren.
Die zunehmende Lebenserwartung eröffnet für Betroffene freilich neue Perspektiven, auch hinsichtlich Beziehungen und Familienplanung. Aber: Auch im 21. Jahrhundert benötigen junge Menschen – trotz scheinbar uneingeschränktem Zugang zu jeglicher Information im Internet –Sexualaufklärung, und zwar nicht von digitalen Avatars oder Chatbots, sondern von „echten Menschen“, wie ein Team aus Florida in einer NACFC-Präsentation aufmerksam machte (#286 [Schleich et al]). Dies betrifft Jugendliche und junge Erwachsene mit CF in besonderem Maße, denn neben den üblichen alterstypischen Themen wie erste Liebe, fixe Beziehungen, Verhütungsmethoden, Familienplanung und Elternschaft müssen sich Heranwachsende mit CF mit zusätzlichen Herausforderungen befassen, etwa mit ihren sich verändernden Lebensentwürfen, dem Einfluss einer Schwangerschaft auf die eigene (Lungen)gesundheit, der Einnahme von Medikamenten während der Schwangerschaft, mit genetischen Aspekten oder einer möglichen Infertilität.
Die Expertinnen und Experten des Johns Hopkins All Children‘s Hospital in St. Petersburg, FL, USA, empfehlen den Einsatz eines strukturierten Protokolls für Aufklärung von CF-Patienten ab 16 Jahre. Ein entsprechendes Tool wurde von ihnen erprobt und nach sechs Monaten evaluiert. Neben allgemeinen sexualkundlichen Themen wurden darin auch Schutzmöglichkeiten gegen sexuell übertragbare Erkrankungen erläutert sowie gynäkologische und urologische Zuweisungen angeboten; männliche CF-Patienten wurden zudem gezielt über alternative Zeugungsmethoden informiert – immerhin sind 98% der Männer mit CF infertil.
Die Auswertung der ersten Befragungen ergab, dass die meisten männlichen Teilnehmer zuvor nicht genügend über ihre Infertilität informiert waren; junge Frauen hatten die meisten Wissenslücken zum Thema Risikofaktoren für Fehlgeburten, Ovarialzysten und Endometriose. Diese und andere Defizite zum Thema Reproduktion und Sexualmedizin konnten durch den gezielten Einsatz des strukturierten Protokolls deutlich verringert werden, wie eine Befragung sechs Monate später zeigte. Die Autoren ergänzten, dass auch das Betreuungspersonal sicher im Umgang mit diesen Themen sein sollte, um junge Erwachsene gut beraten zu können.
Dass der Bedarf an Sexualaufklärung hoch ist, illustriert auch eine Arbeit aus dem US-Bundesstaat Washington (#2 [Godfrey et al], als Abstract #2 publiziert und am Poster #2 vor Ort mit aktualisierten Daten präsentiert). Befragt wurden 72 Frauen mit CF im Alter von 18 bis 45 Jahren, die fast alle mit der Triple-Therapie behandelt wurden. 49% waren verheiratet oder in fixer Partnerschaft lebend, ein Drittel gab an, zumindest einmal bereits schwanger gewesen zu sein. Die Hälfte davon hatte eine Lebendgeburt, ein Drittel eine Fehlgeburt, ein kleiner Anteil gab andere Outcomes an (z.B. Abbruch). 21% der befragten Frauen berichteten über zumindest eine ungeplante Schwangerschaft, deutlich mehr als in der US-Allgemeinbevölkerung, wie die Autoren anmerkten. Als Verhütungsmittel wurden in dieser Kohorte Kondome bevorzugt, gefolgt von oralen Kontrazeptiva, Coitus interruptus, Notfallverhütung, intrauterine Devices und Kalendermethode. Wichtigstes Fazit der Autoren: Frauen mit CF sollten über zuverlässigere Verhütungsmethoden aufgeklärt werden, um die Familienplanung zu verbessern.
Eine Schwangerschaft von Frauen mit CF ist heutzutage freilich mit einer guten Prognose assoziiert, wie Zahlen aus Deutschland belegen (#53 [Naehrig et al]; als Abstract #53 publiziert und am Poster #53 vor Ort mit aktualisierten Daten präsentiert). Die Autoren führten den Anstieg von Schwangerschaften in der CF-Population ganz generell auch auf den zunehmenden Einsatz der Triple-Therapie und den damit einhergehenden besseren klinischen Outcomes zurück, wenngleich sie im Abstract eingangs ausdrücklich auf die aktuelle Fachinformation verwiesen, wonach aus Vorsichtsgründen vorzuziehen ist, eine Anwendung von ELX/TEZ/IVA während der Schwangerschaft zu vermeiden.
In dieser beim NACFC 2022 präsentierten Kohortenstudie eines Münchner CF-Zentrums wurden zwischen September 2020 und September 2022 insgesamt 13 Schwangerschaften erfasst. Die CFTR-Modulatorentherapie der im Mittel 33 Jahre alten Frauen verteilte sich wie folgt: Acht Frauen wurden unter der Triple-Therapie schwanger und setzten diese fort. Eine Frau begann in der 25. Schwangerschaftswoche mit der Triple-Therapie wegen Nachlassens der Lungenfunktion. Eine Frau beendete die Triple-Therapie, als sie von ihrer Schwangerschaft erfuhr, und drei Frauen waren naiv bezüglich der Triple-Therapie (wegen geplanter Schwangerschaft oder ungeeigneter Mutation). Bei den Schwangeren unter Triple-Therapie blieb die Lungenfunktion stabil oder nahm sogar zu, intravenöse Therapien waren nicht erforderlich; bei den Frauen ohne Therapie nahm die Lungenfunktion ab und sie benötigten intravenöse Therapien.
Zehn Kinder wurden inzwischen lebend und ohne sichtbare Malformationen geboren (6 per Sectio, 4 vaginal), zwei Frauen waren zum Zeitpunkt der Auswertung noch schwanger und eine hatte in der neunten Woche eine Fehlgeburt erlitten. Die Autoren verwiesen zusammenfassend auf den positiven Verlauf der Schwangerschaften unter Triple-Therapie, und es gab keine Komplikationen, die mit der Triple-Therapie assoziiert waren.
Prof. Dr. Elizabeth Tullis, Direktorin der Toronto Adult Cystic Fibrosis Clinic am St. Michael’s Hospital in Toronto, Kanada, sprach schließlich in der Session Plenary 3 am 5.11.2022 einen weiteren, oft weniger beachteten Versorgungsaspekt abseits der Familienplanung und der medizinischen Betreuung im engeren Sinn an: „Viele unserer inzwischen erwachsenen CF-Patienten haben keine adäquate Ausbildung gemacht, weil sie nicht damit rechneten, das Erwachsenenalter zu erreichen. Sie haben sich beruflich nie weiterentwickelt, weil sie keine Perspektive sahen. Viele haben finanziell nicht vorgesorgt. Der Bedarf an sozialer und psychologischer Unterstützung für Betroffene mit CF wird also zunehmen.“
Dieser Bericht umfasst ausgewählte Inhalte aus den angeführten NACFC-2022-Sessions sowie aus den mit # gekennzeichneten Arbeiten, die als Abstracts vor dem NACFC 2022 und als Posters während des NACFC 2022 veröffentlicht wurden.