Das Diabetesmanagement im Kleinkind- und Vorschulalter stellt aus mehreren Gründen eine Herausforderung dar. Priv.-Doz. Dr. Elke Fröhlich-Reiterer nennt die hohe Variabilität des Insulinbedarfs und der Glukoseverläufe, unvorhersehbares Ess- und Bewegungsverhalten und seitens der Eltern die Angst vor Hypoglykämien als typische Probleme dieser Altersgruppe. Das alles kann zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität für die ganze Familie führen. Hinzu kommt die lebenslange Dauer der Erkrankung und damit die Notwendigkeit einer guten Einstellung des Zuckers, um das Risiko von Spätkomplikationen zu minimieren. Hybrid Closed Loop (HCL) Systeme bieten sich an, sind in dieser Altersgruppe allerdings meist nicht zugelassen. Die Studienlage ist spärlich.
Aus diesem Grund wurde unter Beteiligung der Medizin Universität Graz eine multinationale, multizentrische, randomisierte Cross Over Studie des KidsAP-Konsortiums ins Leben gerufen, die das CamAPS FX Hybrid Closed Loop System mit einer Sensor-unterstützten Pumpentherapie (SAP) über 16 Wochen in einer Population von Klein- und Vorschulkindern mit Typ-1-Diabetes verglich. Die in Cambridge entwickelte CamAPS FX App läuft auf Android-Handys, basiert auf dem Cambridge Model Predictive Control Algorithmus und wird verwendet, um den Automodus zu starten oder zu stoppen, einen Bolus abzugeben, sowie für den Daten-Review. Pumpe, App und Sensor kommunizieren direkt über Bluetooth. Über die App werden auch Alarme sowohl an die Patient:innen als auch an die Betreuer abgegeben. Remote Data Monitoring ist möglich und die Ziele können individuell gewählt werden. Es sind keine Blutzuckermessungen aus Kapillar-Blut für die Kalibrierung erforderlich. Die Studie war in einem Cross-Over Design angelegt, bei dem Patient:innen nacheinander über jeweils 16 Wochen entweder mit HCL oder SAP behandelt wurden. Der primäre Endpunkt war die Zeit im Zielbereich (70–180 mg/dl). Sekundäre Endpunkte waren die Zeit in Hyperglykämie, die Zeit in Hypoglykämie, die mittlere Glukose sowie das HbA1c. Sicherheitsendpunkte waren schwere Hypoglykämien, diabetische Ketoazidose sowie andere schwere unerwünschte Ereignisse. Die Studie wurde prominent im New England Journal of Medicine publiziert.1
Insgesamt wurden 74 Patienten im Alter von ein bis sieben Jahren randomisiert und in die primäre Analyse eingeschlossen, 73 Patienten schlossen die Studie ab. Der primäre Endpunkt wurde mit einer signifikanten Differenz von 8,7 % zu Gunsten des Hybrid Closed Loop Systems erreicht. Im HCL-Arm befanden sich die Patienten über 72 % der Zeit im Zielbereich. Sowohl die Zeit in Hyperglykämie als auch die durchschnittliche Glukose waren im HCL-Arm niedriger. Mit dem Hybrid Closed Loop konnte ein HbA1c von durchschnittlich 6,6 % erreicht werden (im Vergleich zu 7,0 % im SAP-Arm). Im Closed Loop-Arm kam es in einem Fall durch einen Bedienungsfehler zu einer schweren Hypoglykämie, es traten keine diabetischen Ketoazidosen auf. Die Anwender kamen gut mit dem System zurecht und der Closed Loop lief 95 % der Zeit im Automodus.
Um den Einfluss des Hybrid Closed Loop-Systems auf den Alltag und die Lebenssituation der beteiligten Familien zu evaluieren, wurden vier Monate nach Ende der Studie mit den beteiligten Eltern Interviews durchgeführt. Sie zeigen, dass der Alltag der Kinder durch die automatisierte Kontrolle des Blutzuckers näher an die Normalität herangeführt werden konnte. So konnten die Kinder beispielsweise wieder an Partys teilnehmen oder bei Freunden übernachten. Die Eltern hatten dabei die Möglichkeit durch das Remote Monitoring den Zustand ihres Kindes im Auge zu behalten. Dies reduzierte die permanente Alarmbereitschaft und verbesserte den Schlaf. Die Eltern berichteten, dass sie wieder mehr Zeit hatten, ihren gewohnten Aktivitäten nachzugehen, und beispielsweise ihre Berufstätigkeit wieder aufzunehmen. Fröhlich-Reiterer schließt aus diesen Daten, dass Hybrid Closed Loop-Systeme als First Line-Therapie in der untersuchten Altersgruppe in Betracht gezogen werden sollten.