Die Analyse zirkulierender Tumor-DNS (ctDNA) stellt eine Schlüsseltechnologie dar, mit dem Potenzial, die Art und Weise, wie wir Kolorektalkarzinome behandeln, grundlegend zu ändern – vom frühen bis hin zum metastasierten Stadium:
Geschätzt 80 % der Kolonkarzinom-PatientInnen im Stadium II und 50 % im Stadium III sind mit einer Operation alleine ausreichend therapiert. Der postoperative ctDNA-Nachweis im peripheren Blut identifiziert PatientInnen mit sehr hohem Rezidivrisiko, während PatientInnen ohne derartigem ctDNA-Nachweis keine oder kaum Rezidive erfahren. Basierend auf diesen Erkenntnissen untersucht eine Reihe klinischer Studien die Möglichkeit einer Therapie je nach postoperativem ctDNA-Nachweis: zum einen den Verzicht auf eine adjuvante Chemotherapie oder eine De-Eskalation derselben bei ctDNA-negativen PatientInnen, zum anderen die Therapie-Intensivierung bzw. neue Therapiekombinationen bei ctDNA-positiven PatientInnen. Die Auswirkungen auf den klinischen Alltag wären enorm, denn alleine am Beispiel des Kolonkarzinoms im Stadium III würde sich die Indikation einer adjuvanten Chemotherapie von derzeit 100 % der PatientInnen auf nur 25 % reduzieren. Darüber hinaus könnte die ctDNA-Negativierung unter adjuvanter Therapie einen neuen Studienendpunkt darstellen, je nach Korrelation mit klassischen Parametern wie dem krankheitsfreien Überleben (DFS). Im Umkehrschluss können PatientInnen mit ctDNA-Persistenz trotz adjuvanter Therapie als Ultra-Hochrisiko-Population definiert werden. Dies erlaubt den Entwurf völlig neuer, Ansprechens-adaptierter Studienkonzepte. Studien mit ähnlichen Überlegungen werden übrigens auch bei PatientInnen nach Metastasektomie in kurativer Intention geplant.
Während beim lokalisierten Kolorektalkarzinom allen voran eine quantitative Analyse von Interesse ist, wurde in der metastasierten Situation der Fokus bislang primär auf eine qualitative Analyse gelegt: beispielhaft kann hier die ctDNA-Analyse zur Identifikation geeigneter PatientInnen für eine sogenannte EGFR-Inhibitor-Rechallenge-Therapie genannt werden.
In Summe eröffnet die ctDNA-Analyse bei Kolorektalkarzinomen völlig neue Möglichkeiten in der Studienkonzeption.