Mit der 5. Überarbeitung der WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems 20211, aber auch aufgrund der COVID-19-Pandemie, mussten die in der Neuroonkologie bestehenden Behandlungskonzepte neu überdacht, bereits abgeschlossene und laufende große klinische Phase-II/III-Studien im Licht der neue Erkenntnisse versucht zu interpretiert und unter Berücksichtigung aktueller Klassifikation neue klinische Studien mit innovativen Ansätzen konzipiert werden.
Die neue WHO-Klassifikation mit all ihren neuen Tumortypen, Subtypen und neuer Gradierung (jetzt in arabischen Ziffern) stellt Kliniker oft vor eine besondere Herausforderung. Empfohlen wird, den IDH-Mutations-Status, eine 1p/19q-Kodeletion und eine Histon-H3-Alteration in der Diagnostik heranzuziehen und in die Therapieentscheidungen einfließen zu lassen. Insbesondere der MGMT-Promotor-Methylierungsstatus kann bei Glioblastomen vom IDH-Wildtyp für den Einschluss in klinische Studien und bei älteren Betroffenen zur klinischen Therapieentscheidung herangezogen werden. Aufgrund des stockenden therapeutischen Fortschritts sollten möglichst viele Patient*innen klinischen Studien zugeführt werden, insbesondere jene mit neuen Tumorentitäten wie H3-Alteration.2
Die Behandlung der Oligodendrogliome, IDH-mutiert, 1p/19q-kodeletiert, ZNS-WHO Grad 2 sowie der Astrozytome, IDH-mutiert, ZNS-WHO Grad 2 besteht nach der mikrochirurgischen Resektion aus Hochpräzisionsstrahlentherapie gefolgt von adjuvanter Chemotherapie mit 4 bis 6 Zyklen Procarbazin + Lomustin + Vincristin (PCV) oder 12 Zyklen Temozolomid. Die Wahl der Therapie soll nach dem Konzept des „shared decision making“ mit dem Patienten*der Patientin getroffen werden. Bei Vorhandensein von positiv prädiktiven Faktoren wie möglichst vollständiger Tumor-Resektion und jungem Alter (< 40 Jahre) kann die Therapie bis zur radiographischen oder symptomatischen Manifestation postponiert werden.3, 4
Die neuen Erkenntnisse der CATNON-Studie lassen eine untergeordnete Rolle des konkomitanten Temozolomids während der Bestrahlung bei Grad 3 IDH-mutierten Tumoren ohne 1p/19q-Kodeletion vermuten.5
Biomarker: Innerhalb der Gruppe von IDH-mutierten diffusen Gliomen lassen sich anhand der Biomarker (homozygote CDKN2A/B-Deletion) erstmals Betroffene, die mit einer deutlich schlechteren Prognose behaftet sind, frühzeitig detektieren und behandeln.6
Bei neu diagnostiziertem Glioblastom stützt sich die Standardtherapie weiterhin auf 4 Säulen: Resektion vs. Biopsie, Strahlentherapie (30x), Chemotherapie (6 Zyklen TMZ-Monotherapie oder Kombinationstherapie mit Lomustin bei methyliertem Glioblastom) sowie Einsatz elektrischer Wechselfelder nach abgeschlossener Radiochemotherapie. Bei älteren Patient*innen können in Abhängigkeit des Karnofsky-Performance-Index und Komorbiditäten eine hypofraktionierte (15x) Strahlentherapie bei unmethyliertem Glioblastom oder nur Temozolomid-Chemotherapie bei methyliertem Glioblastom angeboten werden.
Beim Rezidiv gibt es keine klaren Standards: Eine Reoperation, Temozolomid-Rechallenge, Lomustin, Bevacizumab oder in Abhängigkeit von den molekularen Markern (BRAFV600E aktivierende Mutation oder NTRK-Fusion)7 können eine pharmakologische BRAF-Hemmung bzw. TRK-Inhibitoren als individueller Heilungsversuch angeboten werden. Zuletzt sollen auch die Supportivtherapien richtig eingesetzt und sorgfältig überwacht werden.