Entsprechend der WHO sind Unterschiede im biologischen („sex”) und sozialen Geschlecht („gender”) entscheidende Faktoren für die Gesundheit. Diese Aspekte sind zuletzt in verschiedenen medizinischen Bereichen intensiv untersucht worden, darunter auch in der Alzheimerforschung. Zusätzlich zu einem häufigeren Auftreten der Alzheimererkrankung bei Frauen (65 % der Patient*innen), wurden dabei weitere geschlechtsspezifische Unterschiede festgestellt. Dazu zählen neben dem Verlauf der Krankheit auch Risikofaktoren und Biomarker, was auf biologische Unterschiede der Pathophysiologie zwischen den Geschlechtern hindeutet.
Der Vortrag gab einen Überblick über den aktuellen Stand der Wissenschaft zu diesem Thema und stellt einige der neuesten Arbeiten zu Geschlechtsunterschieden in neuropsychologischen Tests vor. Zusätzlich wurden die weitreichenden Auswirkungen dieser Ergebnisse auf die klinische Forschung und Diagnostik diskutiert.
Im mehr als 4.000 Personen umfassenden Datensatz der Framingham’s Heart Study Generation 1 und 2, konnte gezeigt werden, dass geschlechtsspezifische Unterschiede sowohl in den Gesamt- als auch Composite-Process-Scores neuropsychologischer Tests auftreten (Ferretti et al, Alzheimer’s and Dementia 2024). Wie zu erwarten, ergab sich bei den meisten verbalen Gedächtnistests ein Vorteil für Frauen. Dies legt den Schluss nahe, dass die Verwendung dieser Tests zur Unterschätzung des MCI („mild cognitive impairment“) bei Frauen führen kann.
Dazu waren bestimmte neuropsychologische Scores und die Inzidenz von Demenz nach 9 Jahren interessanterweise geschlechtsspezifisch miteinander assoziiert. Dies könnte somit für die Entwicklung prädiktiver Algorithmen herangezogen werden. Die Geschlechtsunterschiede in neuropsychologischen Tests könnten daher eine bisher ungenutzte Ressource für sensiblere (möglicherweise auch digitale) Biomarker für die Frühdiagnose der Alzheimererkrankung darstellen.
Des Weiteren ergaben rezente Subgruppenanalysen von Studien mit Amyloid-Antikörpern Hinweise für Unterschiede zwischen den Geschlechtern in Hinblick auf das Therapieansprechen. Die Autor*innen diskutierten dabei die Möglichkeit, dass diese Unterschiede mit einer späteren Diagnose von MCI bei Frauen zusammenhängen.
Die Berücksichtigung von Geschlechtsunterschieden bei der Alzheimer-Erkrankung hat das Potenzial, die diagnostische und prognostische Genauigkeit von aktuellen und zukünftigen Biomarkern zu verbessern. Auch die Entwicklung neuer, maßgeschneiderter Behandlungen könnte erleichtert werden. In klinischen Studien sollten die neuen Erkenntnisse auch zur Patientenstratifizierung genutzt werden.
– aus dem Englischen übersetzt –