Während offizielle Leitlinien zur Diagnose und Behandlung von funktionellen neurologischen Störungen (FNS) noch auf sich warten lassen, 1 kommen in den letzten Jahren weltweit Initiativen des strukturellen Zusammenschlusses auf, so etwa die Functional Neurological Society, die seit 2017 biennal tagt, oder die 2022 gegründete Arbeitsgemeinschaft Funktionelle Neurologische Störungen mit Sitz in Konstanz. Und auch im Rahmen der ÖGN hat sich aus der Arbeitsgruppe Neuropsychosomatik eine AG für funktionelle neurologische Störungen entwickelt, die auf nationaler Ebene Konsensusbildung fördert und Rahmenbedingungen schafft.
Wie steht es nun um den Konsens bezüglich Therapieempfehlungen für FNS? Im Gegensatz zu unidirektionalen Theorien des Fin de siècle (Trauma –> Konversionssyndrom) werden in aktuellen pathophysiologischen Modellen biologische, psychische und soziale Einflussfaktoren als auslösend, aufrechterhaltend, aber auch beeinflussbar beschrieben. Auch die Therapie wurde dementsprechend weiterentwickelt: Neben der lang etablierten Psychotherapie (am besten untersucht: kognitive Verhaltenstherapie und psychodynamische Psychotherapie) sind neue, gleichberechtigte Behandlungsarme entstanden, allen voran die Physiotherapie – insbesondere bei funktionellen motorischen Störungen bzw. funktionellen Bewegungsstörungen und funktionellem Schwindel.2 Aber auch Ergotherapie, Logopädie und Sozialarbeit werden, abhängig von den spezifischen Symptomen, zur Behandlung eingesetzt. Die darunterliegende Annahme ist: Patient*innen können defizitäre Prozesse wieder bzw. neu erlernen, ähnlich wie bei anderen neurologischen Krankheitsbildern wie dem Schlaganfall.3
Eine weitere rezente Entwicklung ist die große Bedeutung, die der effektiven Kommunikation der Diagnose durch die Neurolog:in eingeräumt wird. Ersten Hinweisen zufolge ist die Art und Weise, wie wir den Patient*innen die Diagnose übermitteln und Erklärungsmodelle anbieten, entscheidend für den weiteren Krankheitsverlauf bzw. die Prognose.4
Den Goldstandard stellt allerdings die integrative und interdisziplinäre Behandlung dar.5 Dissoziierte Vorstellungen, Empfindungen und Wahrnehmungen sollen in einer Praxis der interdisziplinären Zusammenarbeit (re-)integriert werden. Dafür braucht es ein Team aus Neurolog*innen, Physiotherapeut*innen, Psychotherapeut*innen und Vertreter*innen anderer Disziplinen, das in der Arbeit mit den Patient*innen gemeinsam an einem Strang zieht.