Das Gehirn verfügt über einzigartige Fähigkeiten zur Reorganisation, Modifikation und Anpassung. Nach akuter Hirnschädigung stehen neben spezialisierten und repetitiven Therapien im multiprofessionellen Setting zunehmend additiv zur Routinebehandlung eingesetzte Stimulationsverfahren im Fokus, um die Prozesse neuronaler Plastizität zu fördern und die Prognose der Patient*innen zu verbessern.1
So werden im Bereich der Schlaganfallrehabilitation diverse therapeutische Entwicklungen beobachtet, die sich auf den Behandlungsalltag auswirken könnten:
Pharmakologische Neuromodulation: Nach den 3 großen RCTs FOCUS, AFFINITY und EFFECTS, die durch Verabreichung des selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmers Fluoxetin im Vergleich zu Placebo keine Verbesserung des funktionellen Outcomes 6 Monate nach Schlaganfall nachweisen konnten2-4, befindet sich aktuell die vielversprechende ESTREL-Studie (NCT03735901) in der finalen Phase. In dieser aus der Schweiz geführten Studie wird der Effekt von Levodopa auf die motorische Rehabilitation nach Schlaganfall untersucht. Resultate sind in den kommenden 6–12 Monaten zu erwarten.
Transkranielle Stimulationsmethoden:
Pharyngeale Elektrostimulation (PES): Die PES ist eine innovative Methode zur Dysphagiebehandlung. Durch eine mit Elektroden bestückte Nasogastralsonde werden gezielt Reize im Bereich des Rachens ausgeübt, die sensiblen Bahnen aktiviert und dadurch die neuronale Reorganisation im Schlucknetzwerk moduliert. Nach positivem Abschluss der randomisierten PHAST-TRAC-Studie7, die bei Patient*innen mit schwerer Schlaganfall-assoziierter Dysphagie und Tracheotomie eine deutliche Erhöhung der Dekanülierungsrate zeigte, wird in der laufenden PhEAST-Studie (ISRCTN98886991) die Wertigkeit der PES auf die Entwicklung neurogener Dysphagie bei Schlaganfallpatient*innen unterschiedlichen Schweregrades untersucht.
Neben den gezeigten Verfahren befinden sich diverse weitere Neurostimulationstechniken (z.B. invasive und nicht-invasive Vagusnervstimulation) in Entwicklung, wobei neben den Effektstärken insbesondere die Praktikabilität die Einbindung und den Erfolg im klinischen Alltag bestimmen wird.