Therapie der entzündlichen Myopathien

Idiopathische inflammatorische Myopathien (IIM) sind multi-systemische Autoimmunerkrankungen, die die Muskulatur, Haut, Lunge und andere Organsysteme je nach Myositis-Subtyp in variabler Ausprägung betreffen können. Entsprechend komplex ist die Behandlung der entzündlichen Myopathien und erfolgt unter Berücksichtigung des Schweregrades der Erkrankung, Organbeteiligungen, Komorbidität und des Alters der betroffenen Individuen.1 Auch die Seropositivität für Myositis-spezifische bzw. -assoziierte Antikörper fließt in die Prognoseeinschätzung und Therapieentscheidungen mit ein.2, 3 Aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen mit einer geschätzten globalen Inzidenz von 11 bis 660 Patient*innen per 1.000.000 und einer Prävalenz von 2,9 bis 34 Individuen per 100.0004 sind evidenzbasierte Daten zur Wirksamkeit verschiedener immunsuppressiver und immunmodulierender Substanzen begrenzt, und die Behandlung richtet sich vor allem nach Therapieempfehlungen nationaler Fachgesellschaften (z.B. DGN-Leitlinie Myositissyndrome 20222, Guidelines of the British Society of Rheumatology 20223)

Standardtherapie

 Die Grundsäulen der Standardtherapie der IIM stellen unverändert Steroide und steroidsparende Immunsuppressiva dar (1. Wahl: Azathioprin, Methotrexat (MTX), Mycophenolat-Mofetil; 2. Wahl: Cyclosporin A, Tacrolimus).2 Hochdosierte Glukokortikoide sollen für die Behandlung der aktiven Muskelentzündung bei Therapieinduktion in einer Dosierung von 0,5 – 1 mg/kg KG/Tag (üblicherweise 40 – 60 mg/Tag) verwendet werden. Intravenöses Methylprednisolon kann bei schwerer aktiver Erkrankung oder bei Verdacht auf eine gestörte enterale Resorption zum Einsatz kommen. Die orale Dosis von Prednisolon-Äquivalent soll nach klinischem Ansprechen, d.h. wenn eine substanzielle Besserung der Krankheitsaktivität eintritt, reduziert werden. Dies kann nach etwa 6 Wochen erwartet werden, generelle Richtlinien, wie schnell die Dosisreduktion erfolgen soll, stehen nicht zur Verfügung.3 Die DGN-Leitlinie empfiehlt ein „tapern“ um 5 – 10 mg der Tagesdosis pro Woche nach Wirkungseintritt bzw. alternierende Gabe.2 Eine Erhaltungsdosis unter 6,5 mg/Tag soll angestrebt werden, da ansonsten das Risiko steroidinduzierter Nebenwirkungen steigt.

Immunsuppressiva: Der Einsatz konventioneller immunsuppressiver Substanzen (IS) hat das Ziel, eine anhaltende klinische Remission zu erreichen und Steroide einzusparen oder auch abzusetzen.1 MTX ist die am häufigsten verwendete Substanz, besonders bei der juvenilen Myositis und im Kontext von Arthritiden.1 Azathioprin und Mycophenolat-Mofetil werden bei Assoziation mit einer interstitiellen Lungenerkrankung (ILD) und dem Anti-Synthetase-Syndrom bevorzugt. Für Calcineurin-Inhibitoren wie Cyclosporin A und Tacrolimus wurde eine Wirksamkeit für die schwere ILD gezeigt. Diese Substanzen erfordern ein Blutspiegelmonitoring und eine sorgfältige Überwachung von potenziellen Nebenwirkungen (Nieren- und Lebertoxizität, Leukopenie etc.). Auch das erhöhte Risiko von Malignomen bei Langzeiteinnahme muss beachtet werden. Die Datenlage in der Literatur unterstützt die Verwendung von IS zur Behandlung von Myositiden früh im Krankheitsverlauf, Evidenz aus Studien für eine Überlegenheit eines bestimmten konventionellen Immunsuppressivums gegenüber anderen existiert nicht.3 Wenn unter der genannten Therapie trotz ausreichender Dosierung keine ausreichende Reduktion der Krankheitsaktivität erreicht werden kann, soll eine Eskalation erfolgen, wobei zu intravenösen Immunglobulinen, Rituximab und Cyclophosphamid die größte Erfahrung vorliegt.2, 3

Therapieeskalation

Intravenöse Immunglobuline (IVIg) haben eine gut etablierte Rolle in der Behandlung der entzündlichen Myopathien, mit positiven Effekten auch auf eine Dysphagie und subkutane Verkalkungen.1 IVIg weisen zudem den Vorteil auf, dass sie aufgrund ihres Wirkmechanismus und Nebenwirkungsprofils gut mit IS kombinierbar sind. Bis 2021 konnten IVIg jedoch nur off-label eingesetzt werden. Basierend auf den Ergebnissen der „ProDERM“ Studie (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02728752) wurde nun Octagam® 10 % im Juli 2021 von U.S. Food and Drug Administration (FDA) für die Behandlung der Dermatomyositis zugelassen. Die doppelblinde, placebokontrollierte, Phase-III-Studie zeigte bereits in der Initialphase von 16 Wochen eine Effektivität von Octagam® 10% bei 78,7 % Patient*innen mit DM vs. 43,8 % der mit Placebo behandelten Patient*innenbei gutem Sicherheitsprofil. In einer anschließenden 24-wöchigen Verlängerungsperiode wurden alle eingeschlossenen Patient*innen mit Octagam® 10 % behandelt und für weitere 24 Wochen beobachtet. Am Ende der Verlängerungsphase behielten Patient*innen, die zuvor mit Octagam® 10 % behandelt worden waren, ihre Verbesserung weiterhin bei, und Patient*innen, die ursprünglich auf Placebo randomisiert worden waren, zeigten nach dem Wechsel zu Octagam® 10 % eine vergleichbare Ansprechrate.5 Überdies konnte eine Metaanalyse unter Einschluss von 29 Studien und 576 mit IVIg oder subkutanen Immunglobulinen (SCIg) behandelten Patient*innen eine partielle Ansprechrate von 88,5 % zeigen.6 SCIg wurden auch bei 3 Patient*innen mit immun-mediierter Myopathie mit HMGCR-Antikörpern als Erhaltungstherapie nach IVIg erfolgreich eingesetzt.7

Rituximab kann als Therapieoption der aktiven, auf Steroide und konventionelle IS refraktären Myositis erwogen werden.2, 3 Die erste randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie zur Sicherheit und Effektivität von Rituximab bei Patient*innen mit therapierefraktärer adulter/juveniler DM und adulter PM wurde 2013 publiziert. Dabei wurden 200 Patient*innen in eine frühe (Woche 0 und 1) und eine späte Behandlungsphase (Woche 8 und 9) mit Rituximab vs. Placebo randomisiert und über 44 Wochen beobachtet. Entgegen der Hypothese, dass die früh behandelten Patient*innen besser abschneiden würden, zeigten beide Behandlungsarme keinen signifikanten Unterschied für primäre und sekundäre Studienendpunkte, jedoch erreichten 83 % der gesamten Kohorte prädefinierte Kriterien einer Verbesserung (definition of improvement, DOI).8 Anhand einer rezenten Metaanalyse von 26 Studien9 zeigten 65 % (95%-KI: 54 – 75) der Patient*innen mit IIM ein komplettes bzw. partielles Ansprechen auf die Behandlung mit Rituximab. Die Inzidenz schwerer Nebenwirkungen (serious adverse events, SAE) lag bei 8 %, die von Infektionen bei 2 %. Es wird angenommen, dass Patient*innen mit positivem Antikörperprofil und noch nicht fortgeschrittener Gewebsschädigung besser auf eine Behandlung mit Rituximab ansprechen; besonders für die aggressive immun-mediierte nekrotisierende Myopathie mit SRP-Antikörpern wird eine frühe Therapie mit Rituximab empfohlen2, 3, wenngleich diese Fragen noch in prospektiven Studien validiert werden müssen.

Cyclophosphamid: Die Behandlung der schweren und/oder therapierefraktären IIM mit Cyclophosphamid wird von den Britischen Guidelines mit hoher Evidenzstärke (1, B) empfohlen. Die intermittierende intravenöse Gabe hat im Vergleich zur oralen Verabreichung ein geringeres Risiko einer Leukopenie, hämorrhagischen Zystitis und Keimzelltoxizität.3

Abatacept: Bei mäßiger Evidenzlage empfehlen die britischen Guidelines Abatacept als weitere Therapieoption der refraktären IIM.3 Es handelt sich dabei um ein rekombinantes Fusionsprotein aus dem Fc-Teil von humanem IgG1 und der extrazellulären Domäne von humanem CTLA-4, welches durch selektive Modulation eines costimulatorischen Signalweges die Aktivierung von T-Zellen hemmt. In einer rezenten Phase-II-Studie (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02971683) wurden bei 150 Patient*innen, die Abatacept als Add-on zur Standardtherapie erhielten, im Vergleich zur Standardtherapie allein die primären Endpunkte nicht erreicht, es konnte aber ein Benefit von Non-DM (insbesondere immun-mediierte nekrotisierende Myopathie) vs. DM-Patient*innen gezeigt werden (R. Aggarval, GCOM Prag 2022).

Für weitere biologische Therapeutika stehen nur wenige Daten zur Verfügung. Tocilizumab, ein Interleukin (IL)-6-Inhibitor, zeigte positive Effekte bei 5 chinesischen Patient*innen mit anti-MDA5-Antikörpern und schwerer therapie-refraktärer ILD. Tocilizumab wurde in einer Pilotstudie auch bei Patient*innen mit therapierefraktärer IMNM untersucht, wobei jene mit hohem IL-6-Spiegel auf die Therapie ansprachen.10 Unter Januskinase (JAK)-Inhibitoren könnte insbesondere Tofacitinib für die Behandlung der MDA5+ DM mit prominenter Lungenbeteiligung und bei refraktärer Hautmanifestation eine Rolle spielen.11

Als neuer therapeutischer Ansatz soll das Prinzip der FcRn-Modulation durch Efgartigimod, ein Antikörperfragment, welches die Aufnahme von IgG in Endothelzellen hemmt und so dessen Abbau in der Zirkulation fördert, untersucht werden: eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-II/III-Studie evaluiert Efgartigimod bei Patient*innen mit idiopathischer inflammatorischer Myopathie > 18 Jahre als Add-on zur Standardtherapie (ClinicalTrials.gov. NCT05523167). Die Studie kann vermutlich im Frühjahr 2023 an 2 Zentren in Österreich initiiert werden (nähere Informationen bei der Autorin).

Vor Therapieeskalation einer therapierefraktären entzündlichen Myopathie durch Biologika oder Cyclophosphamid sollte geklärt werden, ob persistierende Symptome auf eine aktive Inflammation oder auf eine andere Ursache einer Muskelschädigung zurückzuführen sind (z.B. fortgeschrittene Muskelatrophie bzw. Fibrose). Bei unklaren Fällen, insbesondere bei fehlenden Hauterscheinungen oder negativem Antikörperstatus, sollte eine Re-evaluierung der Diagnose einer Myositis erfolgen (z.B. MRT der Muskulatur, ggf. genetische Untersuchungen auf hereditäre Myopathien oder Re-biopsie). Auch ein Tumor bzw. Tumorrezidiv kann die Ursache für ein fehlendes Therapieansprechen sein.4

Eine Physiotherapie ist sicher und effektiv für Individuen mit entzündlichen Myopathien und kann die Muskelfunktion und Lebensqualität verbessern. An den Schweregrad der Paresen und Bewegungseinschränkung angepasste Übungsprogramme sollen in das Management der Patient*innen einbezogen werden.3