Vertreterinnen und Vertreter der Medizinprodukte-Branche und des Spitalswesens sowie die AUSTROMED haben gemeinsam mit der Standardisierungsorganisation GS1 eine Strategie zum Austausch von Medizinprodukte-Stammdaten erarbeitet. Im Mittelpunkt steht die Harmonisierung von Geschäftsprozessen durch die Nutzung einheitlicher Standards.
Was war der Ausgangspunkt für diese Initiative?
Wendelin: In Österreich wurde vor zwei Jahren eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, deren Ziel es ist, den Stammdatenaustausch von Medizinprodukten zu analysieren und voranzutreiben. Diese Initiative ist inzwischen in einen Pilotbetrieb übergegangen und wird als ECHO-Initiative – Extending the Collaboration of Healthcare Organisations – bezeichnet. Die Teilnehmenden haben gemeinsam Anforderungen, Nutzen, Vorteile und Anwendungsfälle eines zentralen Produktstammdatenpools definiert und ein Datenprofil speziell für Österreich entwickelt. Dieses Datenprofil basiert auf dem globalen GDSN-Standard (Global Data Synchronisation Network), der festlegt, welche Datenfelder übertragen werden und wie diese Übertragung erfolgt.
Warum können Beschaffungsprozesse derzeit nicht digital abgebildet werden?
Das größte Hindernis ist, dass die Stammdaten, das sind die Produktangaben in den Systemen von Spitalbetreibern und Lieferanten, zum Großteil nicht übereinstimmen. So werden zum Beispiel Produktenamen nicht ident geschrieben oder die Packungsangaben der Medizinprodukte stimmen nicht überein. Diese Diskrepanz führt dann im Falle einer Automatisierung zu unterschiedlichen Bestellmengen. Daher ist es wichtig, dass alle am Beschaffungsprozess Beteiligten auf die gleichen Stammdaten zurückgreifen.
Was kann sich die Branche hier aus der Lebensmittelindustrie abschauen?
Der standardisierte Datenaustausch über GS1 GDSN bietet hier schon lange und weltweit eine Lösung zur Identifikation, Erfassung und gemeinsamen Nutzung von Daten entlang der gesamten Lieferkette.
Die GTIN (Global Trade Item Number) ermöglicht die eindeutige Identifikation von Produkten. Dies ist entscheidend, um Verwechslungen in der Lieferkette zu vermeiden. Die Global Location Number (GLN) dient zur Identifikation von Unternehmen, Lagerorten und anderen Entitäten. GS1 Standards wie der EAN/UPC-Strichcode, wie wir ihn aus dem Supermarkt kennen, erleichtern die schnelle und fehlerfreie Erfassung von Produktinformationen an Verkaufsstellen und in Lagerprozessen. GS1 Standards für Radiofrequenz-Identifikation (RFID) ermöglichen eine berührungslose Erfassung von Produktinformationen, was besonders bei großen Warenmengen effizient ist. Mit dem Global Traceability Standard unterstützt GS1 die Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Lieferkette, um die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten und Rückrufaktionen effizient durchzuführen. Der GS1DataMatrix, ein 2-D-Code, ermöglicht die Speicherung detaillierter Produktinformationen, wie Chargennummern oder Verfallsdaten, direkt auf der Verpackung. Während die Lebensmittelindustrie einen hohen regulatorischen Druck zur Umsetzung hat, sind es in der Medizinprodukte-Branche vor allem die Vorteile der raschen, transparenten und fehlerfreien Abwicklung.
Warum ist der Austausch von Daten nach einheitlichen Standards so wichtig?
Gesundheitsdienstleister stehen unter ständigem Druck, hochwertige Versorgung zu möglichst niedrigen Kosten bereitzustellen, Fehler zu minimieren und Prozesse zu optimieren. Hersteller wiederum sehen sich mit einer Vielzahl von Anforderungen aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Vorschriften, Sprachen und geschäftlichen Bedürfnissen konfrontiert. Diese wachsenden Anforderungen an Daten sind in der europäischen Region aufgrund der vielen verschiedenen Länder besonders komplex. Mithilfe von ECHO bündeln wir all diese Anforderungen, um die Vorteile der Nutzung von GDSN, dem globalen Standard für den Datenaustausch, zu maximieren. Das ist sozusagen ein zentraler Ort, von dem aus Datenanforderungen kommuniziert werden können.
Wer pflegt die Daten und wer hat Zugriff?
Hersteller pflegen die Stammdaten in den Pool ein und stellen sie frei. Das funktioniert wie ein digitaler Produktkatalog. Die Hersteller ersparen sich den Aufwand, jeden Kunden einzeln über die Produkte informieren zu müssen. Die autorisierten Kundinnen und Kunden erhalten automatisch die Stammdaten in ihre Mailbox im System, wenn es ein neues Produkt oder Neuerungen zu einem bestehenden Artikel gibt. Sie haben die Sicherheit, dass ihnen die richtigen Informationen zu den richtigen Produkten ohne Zeitverlust zur Verfügung stehen und dass sie das richtige Produkt zu den Mengen bestellen, die sie auch wirklich erhalten wollen. Die Kundinnen und Kunden sparen Zeit bei der Suche nach Informationen und bei Ausschreibungen. Somit wird die Effizienz der gesamten Prozesskette deutlich erhöht.
Wer ist Mitglied in der österreichischen Arbeitsgruppe?
Rund 20 Gesundheitsunternehmen sind in der österreichischen ECHO-Arbeitsgruppe – darunter die Tirol Kliniken, die Vorarlberger Landeskrankenhäuser, die Vinzenz Gruppe und die Gesundheit Burgenland. Vonseiten der Medizinprodukte-Hersteller sind B. Braun und Cook Medical mit an Bord. Wir sind überzeugt, dass sehr schnell weitere Medizinprodukte-Hersteller folgen werden.
Gibt es die Bestrebungen auch außerhalb Österreichs?
In Österreich wurde entschieden, sich zunächst auf Datenabholer innerhalb des Landes zu konzentrieren. Wir unterstützen die Spitalsverbünde dabei, die relevanten Daten abzurufen. In einem zweiten Schritt erfolgt die Anpassung von Freitexten, Artikelbeschreibungen und spezifischen Datenfeldern, die für andere Länder nicht zwingend erforderlich sind. Dabei arbeiten wir eng mit der europäischen ECHO-Initiative zusammen, um den Produktstammdatenaustausch zu stärken.
Ende Oktober wurde ein europäisches Datenprofil verabschiedet, das auf den Anforderungen der einzelnen Länder basiert. Dadurch können Unternehmen zentral, beispielsweise aus einem europäischen oder internationalen Headquarter, harmonisierte Datenmodelle nutzen, um Informationen effizient zu versenden und abzurufen. Es gibt bereits eine Liste von Unternehmen, die GDSN-Daten bereitstellen.
Zudem existieren Kontaktpersonen, die den Austausch zwischen Datenabholern und Lieferanten in Österreich unterstützen. Die ECHO-Initiativen und das verwendete Datenmodell werden derzeit in Dänemark, den Niederlanden, Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Spanien, der Schweiz, Schweden und Österreich umgesetzt.