Forscher der US-amerikanischen Purdue University haben einen Sensor entwickelt, der eine kostengünstige Messung der Glucosekonzentration in verschiedenen Körperflüssigkeiten erlaubt. Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Methode Diabetiker in Zukunft von der Notwendigkeit der Blutzuckertests per Nadel befreien kann. „Derzeit gibt es keine verlässliche nicht-invasive Methode zur Messung des Glucosespiegels für Diabetespatienten. Bei Messungen in anderen Körperflüssigkeiten gibt es diverse Schwierigkeiten, etwa dass der Zuckerspiegel sich dort erst verzögert zum Blut ändern kann. Eine Alternative wäre ein wesentlicher Vorteil, da viele Patienten sagen, die ständigen Messungen mit der Nadel seien schlimmer als die eigentlichen Insulininjektionen“, kommentiert Bernhard Lippmann-Grob von der deutschen Diabetes Klinik Bad Mergentheim die Forschungen.
Die Herstellung des neuartigen Sensors ist laut den Entwicklern technisch nicht besonders aufwendig: Auf einer praktisch beliebigen Trägerschicht lassen die Forscher mehrschichtige Graphen-Plättchen wachsen, an deren Bruchkanten Platin-Nanopartikel andocken können. Durch die Verbindungen entstehen winzige Elektroden. Das eingebrachte Enzym Glucose-Oxidase heftet sich an diese. Glucose wird beim Kontakt aufgespaltet. Das entstehende Peroxid verursacht dann ein elektrisches Signal, das gemessen wird und so Aufschluss über die Glucosekonzentration gibt. Der Sensor ist ein weiteres Beispiel für die Vielseitigkeit von Graphen, einem Film, der aus einer einzigen Lage von Kohlenstoff-Atomen besteht. In diesem Fall sorgt die Verwendung von Graphen für eine Herstellung der Sensoren. „Normalerweise verlangt die Herstellung von nanostrukturierten Bio-Sensoren viele komplexe Produktionsschritte wie Ätzen, Lithografie oder chemische Verarbeitung. All diese Dinge sind für unseren Sensor nicht erforderlich, die Graphen-Plättchen wachsen auf praktisch jeder Oberfläche“, erklärt Anurag Kumar, einer der Entwickler.
„Prinzipiell ist das Blutzuckermessen für die Patienten belastend und oft auch schmerzhaft. Eine nicht-invasive Alternative wäre ideal, aber bisher haben sich die Prototypen in der Praxis nicht sehr bewährt. So wurden etwa einmal Geräte beworben, die Zucker im Schweiß messen sollen. Bisher haben sie die Erwartungen in diese Richtung leider nicht erfüllt. Wenn die neue Methode verlässlich ist und ausreichend Evidenz durch gute Studien vorliegt, wäre das für Ärzte und vor allem Patienten natürlich interessant. Allerdings kennen wir die entsprechenden Daten derzeit noch nicht. Eine der Kernfragen wird weiters sein, inwieweit dieses System ausreichend rasch niedrige Werte und hohe Werte erkennen kann – also jene Bereiche, in denen Handlungsbedarf gegeben ist. Würden nämlich niedrige Werte erst zeitverzögert abgebildet, könnte das zu gefährlichen Unterzuckerungskrisen führen. Diese praxisrelevanten Details werden in Studien und der klinischen Routine zu prüfen sein“, kommentiert Stoffwechselexpertin Univ.-Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willert von der MedUniWien die Entwicklung. Auch Peter Paul Hopfinger von der Betroffenenorganisation „Diabetes Austria“ schlägt in diese Kerbe und stellt auch das Kostenargument in den Mittelpunkt: „Natürlich wäre das eine erhebliche Erleichterung für die Betroffenen. Neben den wissenschaftlichen Details wird aber auch zu klären sein, wie hier in der Realität die gesundheitsökonomische Sicht aussieht. Die Masse der Diabetiker hat von dieser Entwicklung nur etwas, wenn sich das neue System als entsprechend kostengünstig erweist und so das Wohlwollen der Sozialversicherer erringen kann. Zahlt die Kasse nicht, würde das System der Mehrheit der Betroffenen definitiv nicht zugutekommen.“