Die ersten Minuten entscheiden

Fast 15.000 Menschen sind in Österreich jedes Jahr vom plötzlichen Herzstillstand betroffen. Derzeit überleben nur zehn Prozent dieses Ereignis. Damit zählt der plötzliche Herztod zu den häufigsten Todesursachen in den Industriestaaten. Im Notfall zählt buchstäblich jede Sekunde, denn bereits nach drei Minuten setzen erste – irreversible – Schädigungen des Gehirns ein. Der Rettungsdienst braucht im Durchschnitt aber zehn Minuten bis zum Einsatzort. Daher kommt Laien bei der Erstversorgung eine entscheidende Rolle zu. Ein Ersthelfer kann die Überlebenschancen eines Menschen mit nur wenigen Handgriffen dramatisch steigern – laut Studien von zehn auf über 60 Prozent – und die Zeit bis zum Eintreffen professioneller Hilfe überbrücken. Besonders wirksam und effektiv ist dabei der Einsatz von sogenannten Laien-Defibrillatoren, vorausgesetzt, diese stehen in unmittelbarer Nähe zur Verfügung, die Ersthelfer wissen davon und haben keine Angst davor, diese auch zu benützen. Um die Verbesserung all dieser Voraussetzungen bemühen sich gegenwärtig verstärkt diverse Initiativen und gemeinnützige Vereine – mit zunehmenden Erfolgen.
Ein jetzt neu gegründeter Verein nennt sich „Definetz.at“. Er widmet sich den Themen „Frühdefibrillation“ und „bedarfsgerechte Versorgung mit Defibrillatoren“ und verfolgt laut Statuten drei wesentliche Ziele: die Erstellung eines österreichweiten Online-Defi-Katasters, eine wissenschaftlich fundierte Standortplanung für Defis und eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit im Sinne von Aufklären und Angst nehmen. Der Verein startet seine Projekte in Niederösterreich, will diese aber sukzessive österreichweit ausbauen. Er ist international gut vernetzt, arbeitet eng mit dem deutschen Verein „Definetz.de“, aber auch mit europäischen Institutionen – wie der „esqh – European Society for Quality in Healthcare“ – zusammen.

Online-Kataster

Wie in anderen europäischen Ländern bereits etabliert, möchte Definetz.at „einen österreichweiten Online-Kataster erstellen und aktuell halten, in dem möglichst alle – öffentlich zugänglichen – Defis gelistet sind“, sagt Definetz-Vorstandsmitglied Friedrich Nölle. Innerhalb der ersten Wochen seit der Vereinsgründung konnten bereits mehr als 350 Standorte in ganz Österreich eingespeist und beschrieben werden. Die Beschreibung samt Zusatzangaben wie etwa Betreiber, Erreichbarkeit, Öffnungszeiten oder Wartung soll verhindern, dass der Ersthelfer im Notfall vor verschlossenen Türen steht. Die permanente Kontrolle der Daten erfolgt durch ein Netz ehrenamtlicher Unterstützer. Der aktuelle Stand des Online-Katasters ist unter www.definetz.at abrufbar.
Der Definetz.at-Online-Kataster ist schon jetzt der umfassendste österreichweit, wenn derzeit auch noch auf bescheidenem Niveau. Das zeigt ein europäischer Vergleich: Während etwa der deutsche Tochterverein „Definetz.de“ rund 3.800 Geräte gelistet hat, was etwa einem Drittel aller theoretisch verfügbaren Geräte entspricht, existieren beispielsweise in Dänemark (6.800 eingetragene Geräte) oder in Holland (10.000) tatsächlich umfassende Datenbanken, erzählt Nölle: „Bis dorthin ist es in Österreich noch ein weiter Weg. Wir arbeiten aber täglich mit unseren Helfern daran, den Kataster zu erweitern und die Daten zu verfeinern.“ Nölle weiß, wovon er spricht, er leistet seit Jahren in Deutschland Pionierarbeit auf diesem Gebiet und war auch Initiator des Tochtervereins Definetz.de.
Zudem wäre es sinnvoll und wünschenswert, wenn sich die im Moment weitgehend autonom agierenden Initiativen, die oft regional oder lokal beschränkt sind, zukünftig stärker vernetzen würden. Die langfristige Vision ist laut Nölle jedenfalls eine „europaweite Datenbank, immer am aktuellen Stand“.

Standortplanung gefragt

Ein besonderer Kompetenzschwerpunkt des Vereins widmet sich darüber hinaus der fundierten Standortplanung. Die Verteilung der Defis erfolgt heute weitgehend zufällig. Es wäre aber medizinisch und wirtschaftlich wichtig, die Geräte dort zu platzieren, wo sie auch gebraucht werden. Definetz arbeitet dafür mit Raumplanern und wissenschaftlichen Einrichtungen im In- und Ausland zusammen, um Kommunen, aber auch Unternehmen Grundlagen für eine optimale Standortplanung zur Verfügung stellen zu können. 
Derzeit wird ein Pilotprojekt in der niederösterreichischen Gemeinde Bad Fischau-Brunn durchgeführt. Unter dem Titel „Sicher leben in Bad Fischau-Brunn“ wird auf Basis eines Berechnungsmodells der Universität Dortmund ein Plan erarbeitet, wie eine möglichst lückenlose Versorgung der Gemeinde mit Defis sichergestellt werden kann. Ein ähnliches Projekt startete vor Kurzem in Krems. Die Erfahrungen aus beiden Projekten werden wertvolle Erkenntnisse für die geplante flächendeckende Verbreiterung des Definetzes in Österreich bringen. 
Eine optimale Infrastruktur hilft am Ende aber nur dann, wenn sie von den Menschen, die zu einem Notfall kommen, auch benützt wird. Daher ist die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit ein ebenso wichtiger Punkt der Vereinsarbeit. Es geht dabei auch darum, über die Infrastruktur zu informieren, viel wichtiger noch ist aber der Versuch, Menschen Angst zu nehmen – Angst vor der Technik und Angst davor, etwas falsch machen zu können. Die modernen Defibrillatoren sind inzwischen so entwickelt, dass sie Laien präzise und verständlich mittels akustischer Anleitungen durch den Prozess führen. Eigene Analyseverfahren stellen zudem sicher, dass tatsächlich nur im Bedarfsfall ein entsprechender elektrischer Impuls erfolgt. So ist sichergestellt, dass man bei der Ersthilfe nichts falsch machen kann, außer: nichts zu tun. Neben einer breiten Aufklärungsarbeit bietet der gemeinnützige Verein interessierten Kommunen und Institutionen auch Unterstützung in den Bereichen Coaching, Projekt- und Finanzierungsmanagement, Aufklärungs- und Info-Veranstaltungen sowie eine unabhängige Investitionsentscheidungshilfe an.

 

Mit jeder verstrichenen Minute sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit nach einem plötzlichen Herzstillstand um etwa zehn Prozent. Bereits nach drei Minuten treten erste neurologische Schäden auf.