Einer im Sommer des Vorjahrs präsentierten Studie zufolge denkt fast jede zweite in einem Krankenhaus beschäftigte Pflegekraft ans Aufhören. Rund 86 % der Befragten erklärten, dass sich die Arbeitssituation in der Pandemie sehr stark oder stark verschlechtert hat. 85 % leiden unter der erhöhten psychischen Belastung, etwa die Hälfte fühlt sich sehr stark bis stark belastet. Konkret würden in diesem Fall rund 27.700 weitere Pflegekräfte fehlen und den schon vor der Pandemie herrschenden Personalmangel in diesem Bereich noch einmal verschärfen. Mitarbeiter für die Pflege zu gewinnen, wird ein Dauerthema sein. Nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass der Pflegebedarf aufgrund der demografischen Entwicklung deutlich steigen wird. Heute sind in Österreich rund 1,7 Millionen Menschen über 65 Jahre alt. Davon sind in etwa zwei Drittel chronisch krank. 2050 werden 2,6 Millionen Menschen über 65 Jahre alt sein.
Der Personalmangel verschärft sich, und das nicht nur in Krankenhäusern und Alters- beziehungsweise Pflegeheimen, sondern auch im mobilen Bereich, wo es noch stärker als bisher etwa an Heim- und Pflegehilfen, Besuchsdiensten oder Mitarbeitern der Hauskrankenpflege mangeln wird.
Der Pflegeberuf muss daher mit einem vielschichtigen Maßnahmenbündel aufgewertet werden. In diese Kerbe schlägt aktuell auch der deutsche Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) und hat ein 7-Punkte-Diskussionspapier vorgelegt, um mit einem technologiegestützten Maßnahmenkatalog Pflegende zu entlasten und Pflege zu stärken. „Die im BVMed vertretenen Unternehmen wollen Wege aufzeigen, wie Technologiemöglichkeiten umfassender genutzt werden können, damit Pflegende entlastet und in ihrer Tätigkeit gestärkt werden“, sagt der BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll.
Der BVMed-Maßnahmenkatalog erstreckt sich über alle pflegerischen Situationen sowie Versorgungsbereiche und fokussiert auf bessere Prozessgestaltung, höhere Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sowie Weiterentwicklung des Berufsbildes. Zu den BVMed-Vorschlägen gehört ein Investitionsprogramm zu pflegeunterstützenden Technologien. Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) sollen auch digitale Hilfsmittel umfassen. Ein Dialogforum „interprofessionelle Zusammenarbeit“ soll zudem eine Neujustierung der Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen diskutieren.
Medizinprodukte sind im Arbeitsalltag unverzichtbar. „Das gilt für Patienten, aber natürlich auch für Anwender wie Ärzte oder Pflegende. Unser Augenmerk liegt dabei immer auf innovativen Ansätzen, die nicht nur die Produkte besser machen, sondern auch die Prozesse verbessern und so den Arbeitsalltag der Anwender erleichtern“, kommentiert Gerald Gschlössl, Präsident der AUSTROMED, den Maßnahmenkatalog des deutschen Verbandes. Medizinprodukte und digitale medizintechnologische Lösungen können helfen, Arbeitsprozesse zu verbessern, Ressourcen zu schonen sowie Arbeitsrisiken zu reduzieren.
Das allein wird aber noch nicht ausreichen, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Daher fordert der AUSTROMED-Präsident, die Menschlichkeit nicht aus den Augen zu verlieren. Und dazu braucht es jedenfalls zusätzliche Ressourcen: „Technik kann nicht alles lösen. Der Kontakt, die Ansprache, die Zuwendung – all das kann nur von Menschen übernommen werden. Dazu muss der Pflegesektor personell aufgestockt werden. Hier sind die Berufsverbände der Pflege gefordert“, sagt Gschlössl. Der Einsatz moderner Medizintechnologien kann zum Beispiel zu einer Erweiterung der Kompetenz- und Tätigkeitsbereiche in der Pflege beitragen. Das erfordert Aus- und Weiterbildungen, damit digitale Angebote kompetent eingesetzt und angewandt werden können.