Drei Länder – ein Thema: Gefäßmedizin trifft sich in Linz

Nachgefragt bei …

… Dr. Franz Hinterreiter, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Leiter der Gefäßchirurgie, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz

Welche Schwerpunkte setzt die diesjährige Dreiländertagung der Gefäßchirurgen?

Nachdem es die größte deutschsprachige Tagung in diesem Bereich ist, kann man kaum thematische Einschränkungen machen. Wir behandeln daher das gesamte Feld der Gefäßmedizin, das ja mittlerweile weit über die Gefäßchirurgie hinausgeht und das breite Feld der endovaskulären Medizin und Angiologie mit umfasst.

Welche aktuellen Entwicklungen der Gefäßmedizin werden am Kongress diskutiert?

Im Carotisbereich erbrachten die Studienergebnisse der letzten Jahre einen deutlichen Rückshift zur Carotischirurgie – „der Stent ist gefährlicher als die Operation“ ist das klare Ergebnis. Trotzdem sind wir von einer interindividuellen Planbarkeit insbesondere beim asymptomatischen Patienten noch weit entfernt – dies wird Teil der Diskussion sein. Im Gegensatz dazu hat sich die Therapie der Aortenpathologien in den letzten Jahren eindeutig zugunsten der endovaskulären Therapie verschoben. Die Kombination endovaskuläre Stentgrafttherapie plus gefäßchirurgische Therapie (Hybridoperationen) nimmt deutlich zu. Die Fälle für die offene Aneurysmaoperation entsprechen zwangsweise einer Negativauswahl und stellen die Gefäßchirurgen vor große technische Herausforderungen. Neue Techniken und Therapiealgorithmen werden diskutiert werden. Im PAVK-Bereich ist die Interdisziplinarität – Interventionelle Radio­logie und Gefäßchirurgie – besonders wichtig. In jedem Einzelfall muss gemeinsam entschieden werden, wer primär den Stent und wer primär den Bypass bekommt. Die PAVK bleibt in der Therapieplanung komplex und kann nur in der Kombination einer potenten interventionellen Therapie und Gefäßchirurgie abgedeckt werden.

Wie werden vor allem junge Gefäßchirurgen am Linzer Gefäßkongress eingebunden sein?

Wir versuchen, den Kongress für unseren gefäßchirurgischen Nachwuchs ganz besonders attraktiv zu gestalten, um ihn für unser spannendes Fach zu begeistern. Aus diesem Grund haben wir eine einzigartige Kombination aus praktischen und theoretischen ­Fortbildungselementen zusammengestellt. Es werden offen ge­fäßchirurgische Operationskurse an pulsatil durchströmten Kunststoffmodellen ebenso angeboten wie praktische Übungen für ­endovaskuläre Therapie am Simulator, in welchen „Echtfälle“ eingespielt werden können. In einer stressfreien Lernumgebung bieten namhafte Tutoren einfache Kurse für „Anfänger“ etwa zum Nähen von Gefäßanastomosen, bis hin zu komplexen Operationen wie zum Beispiel an der Carotis an.

Welche Innovationen bietet der Kongress abseits der Hands-on-Workshops?

Aus Erfahrung weiß ich, dass es den jungen Gefäßchirurgen oft schwerfällt herauszufiltern, welche Literatur wirklich im Original gelesen werden muss. Erfahrene Mediziner tragen die „Essential Studies“ der wichtigen Gefäßtopics zusammen. Am Kongressende erhalten die Teilnehmer diese Studiensammlung auf einem Stick zum Mitnehmen. Dieser Service ist wirklich eine Innovation und das Feedback gibt dem Erfolg recht.

Abseits der Medizin setzen Sie auch noch auf das Kongressmotto „Postmoderne Gefäßmedizin“ – worauf dürfen Teilnehmer hier gespannt sein?

Hier geht es um die geänderten Umfeld- und Arbeitsbedingungen unserer Zeit: Individualisierung, Ökonomisierung, Hyperkomplexität, Managerismus, Change-Prozess, Darstellungsleistung, um nur einige Schlagworte zu nennen. All das sind gesellschaftliche Veränderungen mit zwangsweiser Auswirkung am Arbeitsplatz, die uns alle betreffen und deren Auswirkungen und Konsequenzen wir reflektieren werden. Der Fortschritts-, Wirtschafts- und Wissenschaftsglaube der Moderne ist abhanden gekommen. Die Vorherrschaft rationaler Überlegungen oder die Nutzung der Natur als neutrale erneuerbare Ressource wird mehr und mehr in Frage ­gestellt. Daher wird in der Zeit der Postmoderne scheinbar jeder Lösungsansatz akzeptiert. Das Credo lautet „alles ist möglich“. Ein extremer Individualismus ist wohl die größte Problematik, der wir uns gerade in der Arbeitswelt stellen müssen. Charismatische Vorgesetzte sind ebenso „out“ wie Führung oder sich gar führen lassen. Das führt in letzter Konsequenz aber zu einer weit verbreiteten Orientierungslosigkeit. Für dieses sicher sehr komplexe Thema habe ich als Festredner Wilhelm Schmid, einen deutschen Philosophen mit dem Schwerpunkt auf dem Gebiet der Lebenskunstphilosophie, gewinnen können. Ich freue mich schon sehr auf diese Keynote!

 

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Dreiländertagung Gefäßchirurgie
4.-7. September 2013, Linz