Seit Einführung der Diagnosis Related Groups (DRG) wird patientenbezogen mit den Krankenkassen abgerechnet. Eine wichtige Stellung nehmen dabei die verbrauchten Einzelmaterialien ein. Auch für die Planung und Steuerung interner Prozesse ist diese Transparenz wichtig. Die Übersicht, welche Station welche Materialien in welchem Umfang verbraucht, erleichtert die Prozesse für die Beschaffung und Lagerhaltung ebenso wie die Budgetverwaltung und -planung.
Während vor dem Einführen des Scannens Implantate eine gute Abdeckung hatten, erfasste das Pflegepersonal Schrauben, Nägel oder Katheter nur in geringen Maßen und das auf papierbasiertem Weg. Eine patientengenaue Abrechnung war so nur mit viel Aufwand und teilweise gar nicht möglich. Das Klinikum hatte daher bei manchen Kosten keine Transparenz. Für die Nachbestellung wurden Patientenaufkleber auf interne Bestellformulare aufgebracht. Die Formulare gingen an den Einkauf, der die Bestellung auslöste und dieser eine Fallnummer zuordnete, die auf den Patienten gebucht wurde. Das ist nicht nur aufwändig, sondern stößt auch schnell an Grenzen und zwar unter anderem immer dann, wenn eine Verpackung eine höhere Stückzahl an Produkten enthält, wie etwa bei Spritzen und Kathetern. In der Regel sind diese Produkte noch nicht einzeln gekennzeichnet. Der Mitarbeiter klebt dann das Etikett vom Karton auf das Bestellformular, hat aber nicht den gesamten Inhalt des Kartons für den Patienten verbraucht. Hinzu kommt, dass pro Patient und Maßnahme oft mehrere Materialien verbraucht werden. Das können schon einmal über 50 verschiedene Produkte, zum Beispiel während einer Operation, sein.
Abhilfe fand Diplom-Kaufmann Tobias Schneider vom Controlling der Uniklinik Heidelberg durch Scannen des Lieferanten- Barcodes auf den jeweiligen Materialverpackungen. Damit ist es möglich, sofort beim Verbrauch das für den Patienten benötigte Material zu erfassen. Zum Start des Projektes hat das Universitätsklinikum die Materialstammdaten inklusive der eindeutigen Artikelnummer GTIN (Global Trade Item Number) in der Datenbank des Warenwirtschaftssystems eingepflegt. Das Klinikum arbeitet dabei mit SAP-Software. Sowohl die Warenwirtschaft als auch das Krankenhaus-Informationssystem sind SAP-Module. In sogenannten Arbeitslisten halten die Mitarbeiter alle Arbeitsschritte pro Patient fest. Für jede Maßnahme können sie zudem die verwendeten medizinischen Produkte erfassen. Dazu “springt” der Mitarbeiter von der jeweiligen Maßnahme in der Arbeitsliste in eine Materialliste. Scannt er jetzt den Barcode, wird das Produkt automatisch in die Materialliste aufgenommen. Dabei zieht das System die Daten, die mit der im Barcode verschlüsselten GTIN verknüpft sind, aus einer Datenbank. Das Material ist jetzt in die Liste aufgenommen und das nächste kann gescannt werden: scannen, erfassen, nächstes Produkt scannen usw. Mit diesem automatischen Erfassen der Produkte ist für Tobias Schneider eine wesentliche Bedingung erfüllt: Dem Pflegepersonal steht ein anwenderfreundliches System zur Verfügung.
Schneider und sein Team gehen beim Scanning noch einen Schritt weiter. Sie prüfen den Erfolg jeder einzelnen Materialerfassung. Sind alle Materialdaten richtig gepflegt? Gibt es Probleme mit den Hersteller- oder den Lieferanteninformationen? Liegt die weltweit eindeutige Artikelnummer (GTIN) in den Materialstammdaten vor? Ist der Barcode gut lesbar? Was machen die Mitarbeiter vor Ort beim Scannen? Alle diese Fragen kann Schneider dank eines ausgeklügelten Fehlermanagements erkennen. Jeden Scan-Vorgang legt das System automatisch zentral ab. Über diese Datenbank können die Controlling-Mitarbeiter den Erfolg des Scan-Projekts auswerten – mit dem Ergebnis, dass sich die Zahl der fehlerhaften Scan-Vorgänge reduziert. Außerdem geht in der Dokumentation nichts verloren, denn wenn beim Scannen einmal keine Produktinformationen aus der Datenbank vorliegen, kann das Team diese nachträglich recherchieren und einpflegen. Derzeit erfolgen im Klinikum 600 Scan-Vorgänge am Tag auf verschiedensten Stationen, wie zum Beispiel Gefäßchirurgie, Endoskopie oder Urologie – mittelfristig sollen es etwa 5.000 pro Tag werden.
Eine weitere wichtige Anforderung des UK Heidelberg an eine Lösung für das patientengenaue Abrechnen betrifft die Kennzeichnung der Produkte. Cirka 90 Prozent der im Klinikum verwendeten Materialien sind mit einem Barcode versehen, davon sind 75 Prozent eindeutig. Immerhin drei von vier Produkten können somit verwechslungsfrei erfasst werden. Die meisten davon tragen den EAN-Strichode von GS1. Die anderen Produkte tragen keinen oder nur einen internen Barcode, der keine eindeutige Zuordnung erlaubt. Bei diesen Produkten ist ein Mitarbeiter damit beschäftigt, dem Produkt die richtigen Informationen zuzuordnen. Das geschieht oft – trotz hoher Automation – in mühevoller Kleinarbeit.
Scannen ist nur dann schnell und effizient, wenn der Barcode an der richtigen Stelle aufgebracht ist, die Verpackung nicht mehr als einen Barcode trägt und im Idealfall das Produkt auf seiner Einzelverpackung oder sogar direkt mit einem Barcode gekennzeichnet ist. Darum haben bereits mehrere Kliniken ihre Wünsche in Sachen Produktkennzeichnung ihren Lieferanten gegenüber formuliert: Der Wunsch geht dahin, dass medizinische Produkte auf verschiedenen Verpackungsebenen per GTIN eindeutig identifiziert werden. Außerdem sollten die Verpackungen möglichst nur einen gut lesbaren EAN-Strichcode tragen und die Stammdaten zu den Produkten elektronisch über GS1 Standards übermittelt werden.
Im Barcode mitgelieferte Informationen wie die Chargennummer oder Seriennummer und das Verfallsdatum können dazu genutzt werden, eine automatisierte Kontrolle der Verfallsdaten zu gewährleisten. Die Speicherung der Chargennummer oder Seriennummer ist hilfreich bei der Dokumentation zum Patienten sowie zur Chargenrückverfolgbarkeit und bei möglichen Rückrufen. Das Datenbezeichnersystem des GS1-128-Strichcodes und des GS1 DataMatrix ermöglicht es, eindeutige Informationen wie Chargennummer und Verfallsdatum auszulesen.
Wegen seiner technischen Beschaffenheit eignet sich der GS1 DataMatrix zur Direktkennzeichnung von Komponenten oder zum Beispiel von chirurgischen Instrumenten. Die Authentifizierung der Produkte in verschiedenen Stufen der Versorgungskette ermöglicht eine eindeutige Rückverfolgbarkeit. Produktfälschungen lassen sich so vermindern und Rückholaktionen effizienter und effektiver durchführen.
Im Fall des Universitätsklinikums Heidelberg hielten sich Aufwand und Kosten für das Einrichten der automatischen Materialerfassung in Grenzen. Zusätzlich zu den bereits vorhandenen IT-Lösungen investierte die Klinik in neue Kamera-Scanner und den einen oder anderen Computer. Die Scanner sind USB-fähig und werden von jedem Rechner erkannt. Die EDV wurde dabei so gestaltet, dass die Prozesse von den Anwendern frei wählbar sind. Das heißt der Anwender kann entscheiden, ob er das Material direkt zum Zeitpunkt des Verbrauchs scannt oder später. Jeder Bereich, sei es zum Beispiel die Pflegestation oder der OP-Bereich, hat das nach seinen Bedürfnissen entschieden.
Auch andere Kliniken haben sich bereits mit dem Barcode-Scanning befasst und es in der Praxis getestet. Dabei erzielten beim Hersteller aufgebrachte EAN-Barcodes eine Zeiteinsparung von bis zu 86 Prozent für die patientenbezogene Verbrauchsdatenerfassung im Herzzentrum Bad Krozingen. Das St.-Marien-Hospital in Bonn konnte zum Beispiel bei einem Projekt in der Logistik- und Dokumentenzentrale durch das Scannen der Materialien auf das Jahr gerechnet 472 Stunden Arbeitszeit einsparen.
Quelle: GS1 Germany, Kontakt: Michaela Freynhagen, +49(0)221-94714-534, freynhagen@gs1-germany.de