Verletzungen mit Polytrauma sind die führende Todesursache bei jungen Menschen. Seit 1980 ist die Zahl der tödlich endenden Unfälle um 48 % gesunken, die Zahl der Unfallpatienten ist jedoch signifikant gestiegen: 26 % mehr Patienten müssen nach einem Unfall stationär behandelt werden, die Zahl der Heim-, Sport- und Freizeitunfälle stieg seit 1980 um 73 %. Etwa 3.500 Patienten pro Jahr erleiden ein schweres Trauma.
Aus medizinischer Sicht ist vor allem der Zeitfaktor entscheidend, wie rasch diese Patienten nach möglichst schneller Diagnose der richtigen Behandlung zugeführt werden können. Nach dem Motto „time is life“ versucht die Radiologie, neue Methoden zu entwickeln, um Polytraumapatienten schneller untersuchen zu können und gleichzeitig die Bildqualität zu verbessern.
Gerade hier ist eine klare und effiziente Abklärung der vorhandenen Verletzung durch bildgebende Methoden von höchster, oft von lebensrettender Bedeutung. Zwar bietet die Magnetresonanztomografie (MRT) einen besseren Weichteilkontrast und dies ohne den Einsatz von ionisierender Strahlung, allerdings liegt die Untersuchungsdauer weit über jener der Computertomografie (CT) und eine Überwachung der Patienten wird aufgrund der Bauweise der MRT-Geräte erschwert. „Die MRT hat in der Erstuntersuchung von traumatisierten Patienten aufgrund der zahlreichen Kontraindikationen keinen Stellenwert. Darüber hinaus steht die primäre diagnostische Abklärung unter einem erheblichen Zeitdruck, da lebensrettende Interventionen erforderlich sein können.
„Zu den Standardmethoden der radiologischen Erstversorgung in Österreich gehören derzeit das herkömmliche Röntgen und die Computertomografie. Liegen keine Hochrisikofaktoren vor, eignen sich auch der Ultraschall und die MRT“, erklärt Dr. Sandra Völckel von der Universitätsklinik für Radiologie, Medizinische Universität Innsbruck.
Die Versorgung von Notfallpatienten erfordert klar festgelegte und reibungslose Handlungsabläufe, von denen das gesamte Notfallteam Kenntnis haben muss. Entscheidend sind vor allem die klare Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Fachärzten und ein Teamwork-orientierter Ansatz, um eine möglichst effiziente Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Den Radiologen fällt die Befundung der Bildgebung zu sowie die Entscheidung des Protokolls und einer Erweiterung der Diagnostik bei entsprechenden Verletzungsmustern. „Gleichzeitig sind Radiologen heute fixe Mitglieder des Traumateams, daher sind die Kenntnis der Arbeitsabläufe in der Schockraumbehandlung und ein gegenseitiges Verständnis über die Schockraumerstversorgung von Mehrfachverletzten auch für Radiologen zwingend. Um die Qualität der Diagnose weiter zu verbessern, ist neben Berufserfahrung eine ständige hochqualitative Weiterbildung wünschenswert. Kenntnisse über die Art und Häufigkeit von typischen traumabedingten Verletzungen und deren Darstellung im CT sowie aktuelle Fortschritte auf diesen Gebieten sind unerlässliches Wissen für alle Notfallradiologen“, ist Völckel überzeugt.
Alle Schwerpunktkrankenhäuser in Österreich, die Schwerstverletzte behandeln, verfügen über einen raschen Zugang zur CT-Diagnostik. Ein weiterer Schritt zur Optimierung der Versorgung von Polytraumapatienten wäre die Einrichtung von eigenen Zentren, die auch über designierte Notfallradiologie-Abteilungen nach amerikanischem Vorbild verfügen würden. In Europa wird nach wie vor ein Großteil der Notfallaufnahmen von Radiologen befundet, die keine spezialisierte Ausbildung dafür haben.
Völckel würde daher eine Weiterentwicklung der Notfallradiologie in Österreich sehr begrüßen: „Mittel für Forschung und Personalentwicklung im Bereich Traumaversorgung sollten in Zentren mit geeigneter Infrastruktur zur Verfügung stehen. Derzeit kristallisiert sich immer mehr die Bildung von überregionalen Traumazentren heraus. An diesen Zentren ist eine ‚Traumaradiologie‘ dann sicher durchaus sinnvoll.“