Vor nahezu 30 Jahren führte der deutsche Chirurg Prof. Dr. Erich Mühe, Chefarzt am Kreiskrankenhaus in Böblingen, erstmals eine laparoskopische Cholezystektomie durch. Die Entfernung der Gallenblase war somit der erste über minimalinvasive Chirurgie (MIC) durchgeführte Eingriff und wurde bald zum Standard. Damit arbeiten rund zwei Generationen Chirurgen vornehmlich laparoskopisch. „Heute wird die Mehrzahl der Eingriffe in dieser Technik durchgeführt. Neben der Cholezystektomie sind das Leisten- und Narbenhernien, aber auch Operationen am Enddarm oder bei Colon-Karzinom. Auch am Magen wird diese Technik eingesetzt oder an der Leber bei Zystenentfernungen, Leberkarzinom oder Metastasen sowie am Pankreas. Nicht zu vergessen, arbeiten die Gynäkologen schon lange transvaginal endoskopisch bei verschiedenen Indikationen und auch in der Urologie kommt diese Technik zum Einsatz. Damit ist die offene Bauchoperation heute eigentlich die Ausnahme. Vor allem bei Gallenblasenkrebs sind die onkologischen Ergebnisse mit dem konventionellen Bauchschnitt besser“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Alexander Klaus vom Klinikum der Barmherzigen Schwestern in Wien.
Die Vorteile der MIC sind evident: geringerer Schmerz, raschere Rekonvaleszenz, die Risikosenkung für Narbenbruch und Adhäsionen, geringerer Blutverlust, eine verminderte Beeinflussung der Darmtätigkeit sowie ein deutlich besseres kosmetisches Ergebnis waren die Hauptgründe für diesen Paradigmenwechsel. Junge Chirurgen üben das laparoskopische Handling in eigenen Trainingszentren im „Trockentraining“. Dabei wird mit dem Instrumentarium an Boxen geübt, in denen sich verschiedenartige Gegenstände wie Schwämme oder speziell aufgearbeitete Tierpräparate befinden. „Auch wir haben ein derartiges Trainingszentrum im Haus, das junge Kollegen nützen können“, so Klaus.
Der gewichtigste „Nachteil“ der MIC besteht in den höheren Kosten, steht aber einer erhöhten Sicherheit im Sinne von Komplikationen gegenüber, die selbst ja auch kostenerhöhend wirken. Die Komplikationsrate bei Eingriffen in MIC-Technik liegt bei 0,5–1% (major complications).
Hinsichtlich der Komplikationen sind es vor allem Blutungen und Verletzungen am Darm, die eine entsprechende Herausforderung für den Chirurgen darstellen können und ein entsprechendes Management erfordern. Endoskopische Techniken, wie sie etwa von der Magenspiegelung allgemein bekannt sind, werden häufig zur Blutstillung eingesetzt oder bei speziellen Erkrankungen, die mit Blutungen einhergehen. Das Armentarium in diesen Fällen ist breit gefächert. Fibrinkleber oder lokal appliziertes Adrenalin kommen zum Einsatz. Spezielle Clips können Wunden oder Perforationen schließen. Ösophagusvarizen können mittels Gummibandligatur verödet werden oder das blutende Gewebe wird mittels „Sengstaken-Sonde“ komprimiert. Diese Sonde verfügt über zwei Ballons, von denen einer am Mageneingang zu liegen kommt, eher der eigentliche, therapeutische Ösophagusballon aufgeblasen wird.
Eine spezielle Nickel-Titan-Legierung namens Nitinol, die eigentlich aus dem Bau von Mikrorobotern kommt, hilft im Komplikationsmanagement bei Magen-Darm-Durchbruch. Nitinol verfügt über hohe Bioverträglichkeit und Flexibilität, vor allem aber ist das sogenannte Formgedächtnis interessant. Das ermöglicht die Insertion eines Gewebeschlauches in das Darmlumen, der sich nach dem Einsetzen aufgrund seiner Wandspannung entfaltet und gleichsam eine endoluminale Gewebeschienung darstellt.
Hinter der Bezeichnung OTSC steckt der Begriff „over the scope clip“ – ein weiterer Helfer bei gastrointestinalen Notfällen wie schweren Blutungen, Perforationen, Anastomoseninsuffizienz oder Fistelverschlüssen. Via Endoskop wird ein kleiner Clip mit zarten Greifarmen eingebracht, der die Läsion verschließt.
Ebenfalls relativ neu ist der sogenannte Danis-Stent – ein entfernbarer, selbst expandierender Nitinol-Stent mit einer Silikonbeschichtung. Klaus: „Er dient zur Behandlung von blutenden Oesophagusvarizen, insbesondere, wenn sich die Blutung endoskopisch nicht einstellen lässt.“
„Over-Stitch“ nennt sich eine weitere Technologie, die vom Prinzip her einer kleinen Reisenähmaschine entspricht – nur eben endoskopisch klein. Damit können an der Darmrohrinnenseite endoluminale Nähte zum Verschluss von Läsionen angebracht werden.
„Es gibt aber ganz neue Trends, die versuchen, gänzlich ohne eine Passage der Bauchwand auszukommen. Sie verknüpfen damit MIC und Endoskopie im Sinne spezieller Eingriffe. Damit gemeint ist etwas NOTES (Natural Orifice Trans-Endolumenal Surgery). Der Begriff steht für narbenloses Operieren in Körperhöhlen durch natürliche Körperöffnungen. Als eine konsequente Weiterentwicklung der minimalinvasiven Chirurgie und der Endoskopie halten unterschiedliche Varianten von NOTES nun Einzug in die klinische Routine und werden in immer mehr klinischen Zentren angeboten“, so der Experte.
Der erste Eingriff dieser Art wurde in Indien durchgeführt. Dabei wurde eine Appendektomie über den Mund umgesetzt. Konkret wurde die Magenwand vorsätzlich durchstoßen, um in die Bauchhöhle zu gelangen, der Blinddarm wurde entfernt und das Loch im Magen verschlossen.
Experten versprechen sich von den neuen NOTES-Verfahren weniger postoperative Schmerzen, geringere Infektionsraten sowie eine schnellere Rekonvaleszenz und eine noch kürzere Krankenhausverweildauer. Weiters sollen Narben- und Keloidbildung, Wundinfektionen und Narbenbrüche durch das Vermeiden von Hautschnitten verhindert werden. Obwohl bisher keine schwerwiegenden Nebenwirkungen aufgetreten sind, müssen alle Neuentwicklungen auf diesem Gebiet mit größter Sorgfalt eingeführt und erprobt werden, um bisher unbekannte Komplikationen bereits im Vorfeld zu vermeiden.
Andere NOTES-Varianten bestehen in der transvaginalen Entfernung der Gallenblase, bei der sich die Bauchchirurgie gleichsam die Erfahrungen der gynäkologischen Chirurgie zunutze macht. „Das sind natürlich sehr spannende und interessante Entwicklungen. Vielleicht werden wir also knapp nach dem 30. Geburtstag der MIC in einigen Indikationen gänzlich ohne auch nur den kleinsten Bauchschnitt auskommen“, meint Klaus.