Seit der ersten Veröffentlichung zur kombinierten Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung im Jahr 1960 wurden zuerst durch die American Heart Association, später für Europa durch den European Resuscitation Council regelmäßig Empfehlungen zur Reanimation veröffentlicht, die ab dem Jahr 2000 alle fünf Jahre als international gültige Reanimationsleitlinien gemeinsam und koordiniert und auf der Basis der Empfehlungen des International Liaison Committee on Resuscitation neu und überarbeitet herausgegeben werden. Am 15. Oktober 2015 erschienen weltweit zeitgleich die neuen Leitlinien zur kardiopulmonalen Reanimation, für Europa über den Europäischen Rat für Wiederbelebung (ERC).
Die zentralen Aussagen zur Durchführung einer Reanimation wurden im Wesentlichen beibehalten, doch im Vergleich zu den Leitlinien aus dem Jahr 2010 haben sich viele Bewertungen und Details geändert. Der entscheidende Weg zu größerem Erfolg und zu mehr Überleben führt über mehr ausgebildete Ersthelfer, intelligente Alarmierungssysteme und eine deutliche Zunahme der Laienreanimation. Großer Wert wird auf die Telefonreanimation, also die Möglichkeiten des Leitstellendisponenten zum Erkennen und zur Anleitung von Ersthelfermaßnahmen gelegt. Wichtiges Fazit: Das Zusammenspiel einzelner Maßnahmen, im Team und als umfassende Systemstrategie, ist ausschlaggebend für das Überleben.
Die Interaktion zwischen Leitstellendisponenten, Notfallzeugen und zeitnaher Verfügbarkeit eines Defibrillators verbessert das Überleben beim außerklinischen Kreislaufstillstand. „Ein Patient, der nicht reagiert und nicht normal atmet, hat einen Kreislaufstillstand und benötigt Herz-Lungen-Wiederbelebung. Auch bei krampfenden Patienten ist an einen Kreislaufstillstand zu denken“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Michael Baubin vom Department Notfallmedizin an der Univ.-Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin Innsbruck sowie Gründer und Vorsitzender des Austrian Resuscitation Council.
Bei Patienten im Kreislaufstillstand werden in jedem Fall Thoraxkompressionen durchgeführt; darin ausgebildete und erfahrene Ersthelfer sollen auch Beatmungen durchführen, beides in einem Verhältnis 30 Thoraxkompressionen zu zwei Beatmungen.
Die qualitativ hochwertige Wiederbelebung ist entscheidend für das Outcome. Daher müssen Thoraxkompressionen ausreichend tief sein: Zur Reanimation bei Kreislaufstillstand empfehlen die Experten eine Drucktiefe von ungefähr fünf und nicht mehr als sechs Zentimeter. Die Frequenz soll bei 100 bis 120 pro Minute liegen, mit minimierten Unterbrechungen. „Jede Atemspende darf nicht länger als eine Sekunde benötigen“, so Baubin.
Die Defibrillation innerhalb von drei bis fünf Minuten nach einem Kollaps kann zu Überlebensraten von 50 bis 70 % führen. „Dieser Algorithmus kann auch für Kinder sicher verwendet werden, die Thoraxkompressionstiefe soll mindestens ein Drittel des Brustkorbdurchmessers betragen“, gibt der Experte Einblick. Bei Verlegungen der Atemwege durch einen Fremdkörper können Schläge mit der flachen Hand auf den Rücken, wenn dies nicht erfolgreich ist, Oberbauchkompressionen und letztlich auch Wiederbelebungsmaßnahmen indiziert sein.
Advanced Life Support (ALS) sind die in den Richtlinien beschriebenen erweiterten Maßnahmen im Rahmen einer Reanimation, um einen Kreislaufstillstand zu beenden und die zugrunde liegende Erkrankung zu behandeln. „Thoraxkompressionen dürfen nur kurz unterbrochen werden, wenn Defibrillationsversuch oder spezielle Interventionen das erforderlich machen, ebenso gilt das für einen Defibrillationsversuch“, erklärt Baubin. Ein weiterer Fokus soll nach den aktuellen Leitlinien auf der Anwendung selbst haftender Defibrillations-Pads und einer Strategie zur Minimierung der Kompressionspausen vor der Defibrillation liegen.
Im Rahmen des neuen Kapitels über ALS-Monitoring wird verstärkt die Verwendung der Kapnografie betont, um die Lage des Endotrachealtubus zu bestätigen, um diese und die Reanimationsqualität kontinuierlich zu überwachen sowie um frühzeitig einen Hinweis auf Wiedereinsetzen des Spontankreislaufs zu erhalten. Ein abgestuftes Airway-Management ist entsprechend den Fertigkeiten des Helfers vorgesehen. Der Einsatz von Reanimationsgeräten ist für den indizierten Transport unter Reanimation – bei Verdacht auf primär nicht therapierbare reversible Ursachen – oder unter speziellen Bedingungen empfohlen, ebenso wie der Einsatz von Ultraschall zur Feststellung reversibler Ursachen.
In diesem Leitlinienkapitel werden die potenziell reversiblen Ursachen eines Kreislaufstillstands dargestellt, die bei jeder Reanimation gefunden oder ausgeschlossen werden müssen:
In diesem Kapitel werden Empfehlungen für die Behandlung des Kreislaufstillstandes unter besonderen Umfeldbedingungen gegeben, so zum Beispiel in Passagier- oder Ambulanzflugzeugen, auf Sportanlagen oder in unwegsamem Gelände, aber auch bei Massenereignissen. Ebenfalls umfasst das Kapitel Anweisungen, wie bei Kreislaufstillstand in Dialyseeinheiten oder im Bereich der Zahn- und Kieferchirurgie umzugehen ist.
Ein neuer Abschnitt deckt die relevanten Änderungen der Reanimationsmaßnahmen bei chirurgischen Eingriffen ab. So ist etwa bei Patienten nach herzchirurgischen Eingriffen die sofortige Resternotomie erforderlich. Beim Kreislaufstillstand während Herzkatheterinterventionen sollen drei sofort aufeinander folgende Defibrillationen vor dem eventuellen Beginn der Thoraxkompressionen abgegeben werden.
In diesem Abschnitt werden Anleitungen für die Wiederbelebung von Patienten mit Begleiterkrankungen wie Asthma oder Adipositas gegeben, aber auch für Patienten unter besonderen Bedingungen, wie zum Beispiel in der Schwangerschaft. Bei Patienten mit Herzunterstützungssystemen kann die Diagnose des Cardiac Arrest mitunter schwierig sein. Wenn innerhalb der ersten zehn Tage nach einem herzchirurgischen Eingriff ein Kreislaufstillstand nicht auf Defibrillation anspricht, soll sofort eine Resternotomie vorgenommen werden.
Bei adipösen Patienten sind grundsätzlich keine Änderungen in der Abfolge der Reanimationsmaßnahmen vorgesehen, jedoch empfiehlt sich ein häufigerer Wechsel der Helfer sowie eine frühe endotracheale Intubation.