Im Zuge der „Akademisierung der Pflege“ sind Mitarbeitende, Gesundheitseinrichtungen, aber auch Ausbildungsstätten immer stärker gefordert, nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu arbeiten. „Evidence-based Nursing (EBN) ist ein möglicher Weg, um diese Anforderung zu erfüllen“, beschreibt DGKP Wolfgang Sissolak, BSc. Er ist Bereichsleiter bei den Barmherzigen Schwestern Wien und hat sich in seiner Bachelorarbeit mit der Einführung von EBN in der Vinzenz Gruppe, einem der größten Träger von gemeinnützigen Gesundheitseinrichtungen, beschäftigt. Wichtig ist bei EBN, dass man nicht nur auf wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch auf die Erfahrungen aus der Praxis und die Präferenzen der Patienten zurückgreift. „Die Patienten stehen weiterhin im Mittelpunkt. EBN kann und soll die Qualität der Pflegearbeit aber noch weiter steigern“, so sein Resümee. Ein aktuelles Gemeinschaftsprojekt vom Krankenhaus Barmherzige Schwestern und dem St. Josef-Krankenhaus, beides Einrichtungen der Vinzenz Gruppe, scheint ihm recht zu geben.
Veränderungen der Mundschleimhaut zählen zu den häufigsten Nebenwirkungen einer Chemo- und Strahlentherapie. „Wunde Stellen im Mund beeinträchtigen das Sprechen und das Essen. Sie wirken sich damit massiv auf die Lebensqualität, wenn nicht sogar auf den Erfolg der gesamten Therapie aus“, beschreibt DGKS Ana Cartaxo vom KH Barmherzige Schwestern Wien. Sie hat gemeinsam mit ihrer Kollegin DGKS Indira Holub, MPH, Pflegequalitätsbeauftragte im St. Josef-Krankenhaus, einen neuen evidenzbasierten Pflegestandard zur Prävention von Mundschleimhautinfektionen speziell bei Patienten unter Chemo- und Strahlentherapie erarbeitet. Für den Standard wurden vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse erhoben, erfahrene Pflegepersonen befragt und lokale Daten genutzt, wie zum Beispiel die Angaben der Patienten über den Zustand ihrer Mundschleimhaut im Rahmen der Pflegeanamnese. Die Implementierung des Standards und der abgeleiteten Pflegemaßnahmen erfolgte vor allem über Fortbildungsveranstaltungen.
Im St. Josef-Krankenhaus, das neben der Geburtshilfe auf die Behandlung von Krebserkrankungen spezialisiert ist, wird der neue evidenzbasierte Standard bereits gut angenommen. Die Implementierung in der im Aufbau begriffenen onkologischen Abteilung des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern soll bald folgen. „Durch den neuen wissenschaftlichen Standard haben wir in der Pflege einiges, was wir bisher gemacht und gewusst haben, hinterfragt und wenn nötig auch geändert“, beschreibt Holub. Wurde früher beispielsweise Salbeitee als entzündungshemmendes Heilmittel empfohlen, weiß man nun, dass er die Mundschleimhaut austrocknet und damit für onkologische Patienten nicht geeignet ist. „Insgesamt konnten wir mit diesem Projekt sehr gut zeigen, wie wichtig die Verbindung von praktischer und forschungsbasierter Arbeit auch in der Pflege ist“, fasst Cartaxo zusammen. „Evidence-based Nursing bringt einen Nutzen für die Patienten, das Pflegepersonal und die Gesundheitseinrichtung insgesamt.“