Das heimische Förderportfolio ist umfangreich und breit, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Dieser Umfang des Gesamtangebotes wird oft als unübersichtlich wahrgenommen, sollte aber in der Praxis vielmehr als Chance gesehen werden. Medizinprodukte-Unternehmen sind gefordert, verstärkt proaktiv auf die Förderlandschaft zuzugehen, um durch gezielten Dialog mit den Förderstellen Chancen auszuloten und sich nicht gleich von der Breite des Angebots abschrecken zu lassen.
In Österreichs Fördersystem bestehen auf Bundes- und Länderebene zentrale Förderstellen, die in den letzten Jahren ihre Serviceorientiertheit stark verbessert haben. Durch einen kontinuierlichen Kontakt mit den dortigen Ansprechpartnern lassen sich Netzwerkstrukturen in die Förderlandschaft hinein gut auf- und ausbauen. Aber auch die Politik hat noch Hausaufgaben zu erledigen: etwa wenn es darum geht, Förderlücken zu schließen und Finanzierungsmöglichkeiten zu verbessern oder der Wissenschaftsskepsis in Österreich etwas entgegenzuhalten. Hilfreich wären in diesem Zusammenhang Instrumente einer missionsorientierten Innovationspolitik, um die Innovations- und Digitalisierungsfitness bei Anwendern zu stärken sowie die innovationshemmenden Auswirkungen der EU-Verordnungen für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika (MDR und IVDR) abzufedern. Darüber hinaus könnten die Innovationsanreize bei der Erstattung sowie die Entwicklung legistischer Vorgaben im Nachhaltigkeitsbereich verbessert werden. Einen Einblick in die Chancen und Hürden aus Sicht der Forschenden gibt DI Dr. Michaela Fritz, Vizerektorin für Forschung und Innovation an der MedUni Wien.
Wohin entwickelt sich die moderne Forschung an der MedUni Wien?
Die Forschenden an der MedUni Wien untersuchen grundlegende biomedizinische Prozesse und komplexe biologische Systeme auf den verschiedensten Skalenbereichen. Digitale Technologien betreffen jeden einzelnen Schritt im Forschungszyklus und schaffen neue Möglichkeiten zur Generierung von Daten sowie zur Analyse und Interpretation von Ergebnissen. Wir decken von der Nano- bis zur Makroebene weite Bereiche der digitalen Medizin ab – von molekularer Medizin, Systembiologie, Imaging, Analyse von Patientendaten bis zu Modellen des Gesundheitssystems selbst. Mit Machine Learning wird beispielsweise auf Basis von großen Datenmengen Evidenz für neue diagnostische und therapeutische Verfahren geschaffen.
Dank der tollen Leistungen der Forschenden haben sich die Drittmitteleinnahmen sehr positiv entwickelt und lagen 2022 bei 131 Millionen Euro. Im Vergleich dazu waren es im Jahr 2018 noch 104 Millionen Euro. Ich denke, dass wir hier wirklich auf die Menschen stolz sein dürfen, die hinter der Forschung stehen, die sich nicht entmutigen lassen, einen Antrag auch mehrmals einzureichen und es immer wieder probieren, selbst wenn es einmal eine Ablehnung gibt.
Wie werden die vorhandenen Fördertöpfe derzeit genutzt?
Gerade in der Grundlagenforschung haben wir es nicht leicht, denn die ist hierzulande deutlich unterfinanziert. Der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung ist am stärksten unterfinanziert, in der angewandten Forschung sieht es ein wenig besser aus. In der Forschungsförderungsgesellschaft FFG gibt es derzeit weniger Förderprogramme für Medizintechnik und Life Sciences.
Wer in dieser Branche alledings gründen möchte, kann viele Beratungsangebote in Anspruch nehmen, gerade in Wien. Allerdings kommt in der Medizintechnik die Hemmschwelle für Innovationen nicht so sehr aus der Förderlandschaft oder der Unterstützung der Gründer, sondern vielmehr aus den Regulatorien und der langen Time-to-Market-Phase. Das beste Produkt und die innovativste Idee nützen nichts, wenn man das Geld nicht hat, diese vielen Jahre „durchzutauchen“, ohne dass man Einnahmen verzeichnen kann.
Hilft es, Netzwerke zwischen Forschungseinrichtungen und Medizinprodukte-Unternehmen auszubauen?
Absolut! Die Infrastruktur an der MedUni Wien ermöglicht es Forschenden, mit den nötigen Geräten und hochspezialisierten Technologien zu arbeiten. Dazu gibt es zum Beispiel strategische Kooperationen mit dem Zeiss Labor oder mit Siemens.
Wie aktiv werden in Österreich europäische Förderprogramme im Gesundheitsbereich genutzt?
Viele Gruppen, wie etwa auch am Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik sind in europäische Programme sehr erfolgreich involviert. Hier sind wir wieder beim Thema Kooperation und Vernetzung: Ohne die passenden Kontakte und ein gutes Konsortium kann man hier nicht mithalten, denn EU-Förderprogramme sind sehr kompetitiv und haben eine hohe Ablehnungsquote.
Wo bekommen junge Nachwuchsforschende Unterstützung dafür?
Es ist eine klare Leadership-Aufgabe, die nächste Generation an Forschenden und Wissenschaftler heranzubilden. Jeder Post-Doc-Betreuer hat großes Interesse daran, seine Studierenden gut zu begleiten, sie zum Publizieren zu motivieren oder auf Konferenzen zu entsenden sowie in Förderanträgen einzubinden, denn das ist auch ein Gradmesser für den eigenen Erfolg in der Wissenschaft. Wir sind immer besonders stolz, wenn von der MedUni Wien Post-Docs oder Ärzte nach Harvard oder an das Karolinska-Institut gehen.
Sehen Sie in der Forschungsförderung noch Lücken, die es zu schließen gilt?
Bei Medizinprodukten kommt man schnell von der Grundlagenforschung in die Anwendung, daher fallen Projekte rasch aus klassischen Förderschienen heraus, denn der Innovationsgrad, die Radikalität der Innovation oder die Forschungsfrage sind zu wenig „curiosity-driven“. Ich denke, dass es für diesen Bereich noch eine Lücke gibt, die nur teilweise von vorhandenen Einrichtungen, wie der Ludwig Boltzmann Gesellschaft oder den Christian Doppler Laboren geschlossen werden kann. Die Breite an möglicher Innovation im Medizinprodukte-Sektor wird aktuell zu wenig gefördert und unterschätzt.