Für Patienten mit implantierten Herzschrittmachern konnten wir die Versorgungssicherheit sehr gut gewährleisten. Hier ging es weniger um die Produkte als vielmehr um die damit verbundenen Service- und Dienstleistungen wie Nachsorgeuntersuchungen. Das war nicht selbstverständlich, als wir im April beobachtet haben, dass die Spitäler ihre Kapazitäten für Nicht-COVID-19-Patienten zurückfahren. Die Medizinprodukte-Berater zählen hier wohl zu den stillen Helden, die unbemerkt von der öffentlichen Diskussion ihren Beitrag dazu geleistet haben, Leben zu retten.
Wir sind eine sehr spezialisierte Branche und als in Asien schon im Februar Anzeichen einer Epidemie deutlich wurden, haben wir die Lager hochgefahren. Das klingt unspektakulär, aber bei dem bestehenden Kostendruck in der Branche heißt das: Produkte vorfinanzieren und Lagerkapazitäten aufstellen. Ich denke, das war ein wichtiges Learning aus der Krise – man darf nie mit den Produkten am Limit sein und braucht lokal verfügbare Produkte. Oft gibt es nur mehr ein Zentrallager in Europa, das kann in Fällen einer neuerlichen und vielleicht andersartigen Krise durchaus zu Engpässen führen. Wir haben gesehen, wie rasch die Außengrenzen geschlossen werden können. Zum Glück sind sie für den Warenfluss offengeblieben, aber das war nicht zu jedem Zeitpunkt absehbar.
Abgesehen von den verfügbaren Produkten müssen auch der Service und die Dienstleistung vor Ort verfügbar sein. Wem nützt ein Medizinprodukte-Berater, der aus Brüssel eingeflogen werden muss, wenn es massive Mobilitätseinschränkungen gibt? Selbst innerhalb von Österreich war zum Beispiel durch die Sperre des deutschen Ecks die Versorgung in manchen Bundesländern nur mit einem massiven Mehraufwand möglich.
Positiv war, dass wir mit viel Aufwand all diese Leistungen aufrechterhalten konnten, ohne dass unsere Kunden und damit die Patienten schlechter versorgt waren. Positiv war auch, dass die Telemedizin offensichtlich in das Bewusstsein der Bevölkerung, aber auch der Verantwortlichen gerückt ist. Nicht nur Ärzte sind von den Anwendungen überzeugt, auch die Verwaltungsebene in den Spitälern hat realisiert, dass es dadurch Entlastungspotenziale gibt. Wie nachhaltig diese Entwicklung ist, lässt sich derzeit nicht einschätzen. Überdacht gehört jedenfalls die Form der Vergütung für den niedergelassenen Bereich.
Ein Aspekt, den wir weiter dringend verfolgen müssen, ist die Entwicklung von Einkaufsgemeinschaften im Ausland. Wenn heimische Spitäler in anderen europäischen Ländern kaufen, so ist im Fall einer Krise nicht sichergestellt, dass wir hier auch beliefert werden. Wir haben gesehen, dass sich jeder selbst der Nächste ist, wenn wichtige Produkte knapp werden. Eine Risikostreuung auf mehrere und vor allem heimische Anbieter hat hier durchaus Vorteile!
Insgesamt ist zu hoffen, dass wir die Learnings aus der Krise nicht vergessen oder verdrängen und uns darauf zurückziehen, dass ohnehin alles gut geklappt hat.
DI Andreas Smon
Die in Österreich tätigen Unternehmen der In-vitro-Diagnostik-Industrie haben es geschafft, innerhalb kürzester Zeit die von der Regierung und von den Gesundheitseinrichtungen geforderten Testkapazitäten für die medizinisch-diagnostischen Labors zur Verfügung zu stellen und haben unter Einsatz aller Kräfte und aller Mitarbeiter damit einen wesentlichen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie geleistet. Die Unternehmen sind dabei vor allem unbürokratisch, effektiv und effizient vorgegangen und haben – aus meiner Sicht – sehr erfolgreich und hochprofessionell agiert.
Trotz erheblicher Einschränkungen in den Betrieben selbst durch Homeoffice und stark begrenzte Besuchs- und Einsatzmöglichkeiten von Außendienst und technischem Service konnten die dafür benötigten Geräteinstallationen in den Spitälern und Laboren durchgeführt werden. Gleichzeitig wurde auch der laufende Betrieb in den nicht mit Corona-Diagnostik befassten Teilen der Labore weiterhin voll unterstützt.
Es ist nicht immer gelungen, alle von den Labors benötigten Reagenzien, Geräte und Verbrauchsmaterialien sofort zu liefern, da viele der nachgefragten Produkte auf die verschiedenen Länder aufgeteilt und kontingentiert werden mussten. Zeitgleich wurden die Produktionskapazitäten massiv hochgefahren und so konnten gravierende Engpässe weitgehend vermieden werden. Es wurden immer Lösungen für Herausforderungen gefunden und ich bin sicher, dass dies von den Partnern im Gesundheitswesen auch so geschätzt wird.
Die Pandemie hat uns allen – Regierung, Gesundheitswesen und Industrie – gezeigt, dass wir uns besser auf Krisen dieser Art vorbereiten müssen, indem wir aus der jetzt gewonnenen Erfahrung die richtigen Schlüsse ziehen, unsere Krisenpläne überdenken und nachjustieren und noch enger mit unseren Partnern zusammenarbeiten müssen. Es ist unsere Pflicht, eine bestmögliche Versorgung für Patienten gerade in schwierigen Zeiten sicherzustellen. Auch hat sich gezeigt, dass in Krisenzeiten viele Wege möglich werden, um enger zusammenzurücken und gemeinsam auch an den ganz grundsätzlichen Herausforderungen einer flächendeckenden Versorgung gearbeitet werden kann.
Systemrelevante Produktionen sollten zumindest zurück nach Europa verlegt werden, um die Abhängigkeit von weit entfernten Standorten wie etwa Fernost zu verringern. Das wird nur gelingen, wenn auch von den Stakeholdern das Preisniveau – mit den in Europa geltenden Lohn- und Standortkosten – akzeptiert wird.
Eine höhere lokale Lagerreichweite bedeutet immer auch höhere Kosten durch Lagerplatz und gebundenes Kapital. Hier wird es Bereitschaft seitens der Partner im Gesundheitswesen geben müssen, diese Kosten nicht voll der Industrie anzulasten.
Wir benötigen detailliertere und vor allem mit allen Stakeholdern abgesprochene und vereinbarte Krisenpläne. Ich sehe hier die AUSTROMED als idealen Vertreter der in Österreich tätigen Unternehmen. Ebenso muss die Versorgung von schwer erkrankten Menschen in Krisenzeiten unbedingt aufrechterhalten bleiben. Telekonsultation, die Möglichkeit der Betreuung in „Homecare“ und die Vorteile von digitalen Lösungen liegen auf der Hand und müssen in der Bevölkerung entmystifiziert werden.
Die Rolle der Industrie bei der Hilfestellung zur Bewältigung der Pandemie hat unser Image sicherlich gestärkt. Die Diagnostik ist ein ganz wesentlicher Bestandteil in der Betreuung von Patienten und die Krise hat gezeigt, dass der Stellenwert und der Wert dieser medizinischen Leistung für eine flächendeckende und reibungslose Gesundheitsversorgung nicht wegzudenken ist. Nicht nur im Krisenfall!
DI Peter Bottig
Nutznießer unserer Produkte und Innovationen sind zwei zunächst völlig unterschiedliche Gruppen von Patienten. Menschen mit Diabetes Typ 1, deren Leben vollständig und zumeist schon in ihrer Kindheit von Insulin abhängig sind, und Menschen mit Diabetes Typ 2, die im Lauf ihres Lebens eine Diabeteserkrankung mit zunächst mildem Krankheitsbild, dann aber progredient und dramatisch bis zur Amputation verlaufend, „erwerben“. Beiden gemeinsam ist, dass ihnen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln geholfen werden muss.
Für den Patienten bedeutet Diabetes einen Ganztagsjob, 365 Tage im Jahr sein ganzes Leben lang. Innovationen bringen willkommene Erleichterungen und Hilfestellungen für den konsequenten Umgang mit dieser chronischen Erkrankung. Insulinpumpen in Verbindung mit Sensoren zur bedarfsgerechten automatisierten Insulingabe, Insulinpens zur individuellen Insulininjektion und schließlich Blutzuckermessgeräte mit Speicher- und Analysefunktionen.
All das war während der COVID-19-bedingten Ausgangsbeschränkungen von großem Nutzen.
Ganz wesentlich für das Gelingen einer erfolgreichen Behandlung ist die Kommunikation mit dem medizinischen Betreuungsteam. Zu jedem Gerät gibt es mittlerweile eine passende App des jeweiligen Herstellers und Plattformen für Therapeuten.
Bei der Betreuung von Typ-2-Patienten kam es ganz offensichtlich zu einer Unterversorgung während der Pandemie. Schulungen im Falle eines neu auftretenden Diabetes fanden nicht oder nur sehr begrenzt statt. Allgemeinmediziner hatten generell mit einer Halbierung ihrer Patientenfrequenz zu kämpfen; sie hatten nahezu all ihre Patienten plötzlich telefonisch zu betreuen, was mitunter sehr mühsam und zeitraubend vonstattenging. Bei einer hohen zweistelligen Anzahl an täglichen Telefonaten stand Kassenärzten nicht der Sinn nach Aufspüren unentdeckter Diabeteserkrankungen oder sich mit dem Arbeiten auf telemedizinischen Plattformen zur Fernbeurteilung von Blutzuckerwerten zu befassen. Inwieweit Möglichkeiten zu Videokonsultationen von Kassenärzten überhaupt genutzt wurden, werden Auswertungen noch zeigen. Vermutlich muss hier aber noch sehr viel geschehen, damit diese Werkzeuge als effizienzsteigernd zum Einsatz kommen. Im Spitalsbereich gilt leider immer noch der Einsatz cloudbasierter Nachsorgeplattformen als verpönt, sofern während der Corona-Pandemie überhaupt von einem regulären Ambulanzbetrieb für Menschen mit Diabetes die Rede sein konnte. Für Diabetiker braucht es eindeutig eine einheitliche kompetente Anlaufstelle, auch nach der Corona-Pandemie und unter Nutzung aller verfügbaren telemedizinischen Möglichkeiten.
Ein ganz zentraler Bestandteil für Diabetiker ist die sichere Versorgung mit Verbrauchsmaterialien. Weltweit einzigartig ist in Österreich die Versorgung auf dem Postweg durch die Medizinprodukte-Branche im Auftrag der Krankenkassen. Abgesehen davon, dass dies mit einem erheblichen Kostenaufwand verbunden ist und je nach Krankenkasse nach unterschiedlichsten starren Versorgungsmodellen erfolgt, gab es im März einen irreführenden Artikel in einer Tageszeitung, der Patienten dazu aufrief, ihren erhöhten Bedarf nun telefonisch beim Hersteller ihrer Produkte direkt zu bestellen. Das brachte das System nahezu ins Wanken. Von den drei großen Versicherungen ÖGK, SVS und BVAEB fordern wir zeitgemäße elektronische Bestellprozesse. Zur Eindämmung der Kosten erwarten wir halbjährliche anstelle quartalsweiser Direktbelieferungen – SVS und BVAEB haben dies bereits umgesetzt.
Im Hinblick auf die Forderung nach einer autarken Versorgung im Falle einer neuerlichen Krise ist das für Diabetesprodukte schwierig, denn Österreich ist kein Land großer Hersteller. Jede Abschottung oder Form von Zugangsbeschränkungen würde eine Nivellierung der hochwertigen Versorgung nach unten bedeuten. Ich plädiere für mehr Gesprächsbereitschaft und Netzwerke innerhalb Europas, die eine Versorgung auch bei neuerlichen Krisenszenarien weiterhin sicherstellen.
DI Martin Glöckler