Weltweit sterben jedes Jahr rund 16 Millionen Menschen an nosokomialen Infektionen. Alleine in den USA sind 200.000 Todesfälle darauf zurückzuführen. Das entspricht in etwa so vielen Menschen, als würde täglich eine Boeing 747 abstürzen. Laut einem Bericht des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) erkranken in Europa jedes Jahr mindestens 4,1 Millionen Menschen an nosokomialen Infektionen, rund 37.000 Patienten sterben daran.
Ein großer Teil der Krankenhausinfektionen könnte durch gut durchdachte und nachhaltige Präventions- und Kontrollprogramme verhindert werden. Im Zentrum dieser Maßnahmen steht sicherlich die Händehygiene – eine eigentlich einfach durchzuführende Maßnahme. Doch ausgerechnet hier sind besonders große Mängel zu verzeichnen. „Keine Zeit“ ist das am häufigsten genannte Argument in diesem Zusammenhang, obwohl das Prozedere der Händedesinfektion heutzutage maximal 30 bis 60 Sekunden dauert und zudem die Hände überhaupt nicht in Mitleidenschaft zieht. Im Gegenteil – moderne Produkte pflegen sie sogar.
Ganz anders war etwa die Situation im Jahre 1847. Die vom österreichisch-ungarischen Arzt Dr. Ignaz Semmelweis entdeckte Chlorkalklösung, durch welche erstmals Kindbettfieber-Infektionen vermieden werden konnten, war scharf und ätzend. Der Pionier der Händehygiene kannte aber kein Pardon und insistierte, die Hände so lange einzuweichen, bis sie „rot und rutschig“ waren. Das war vor 150 Jahren und wir sehen uns heute immer noch mit diesem Problem konfrontiert! Ein Umstand, der die WHO zum Handeln zwang: Mit der 2005 ins Leben gerufenen Initiative Clean Care is Safer Care ist es erfreulicherweise gelungen, ein Umdenken in den Spitälern zu erreichen. Durch die Kampagne, an der 179 Länder teilnehmen, können jährlich rund 8 Millionen Menschen vor dem Tod gerettet werden.
Auf Basis unserer Erfahrungen mit Händehygiene-Programmen im Genfer Universitätshospital entwickelten wir gemeinsam mit Kollegen aus der ganzen Welt ein einfaches und leicht einprägsames Fünf-Punkte-Konzept. Entsprechende Plakate sind in vielen Spitälern weltweit affichiert, sodass das Wissen um die fünf Risikosituationen der Erregerübertragung sich immer mehr in den Köpfen der Menschen verankern kann.
Das Wissen und der Wille zur Verhaltensänderung sind überall spürbar – jedoch gibt es gerade in weniger entwickelten Ländern ein anderes Problem: die Verfügbarkeit von alkoholbasiertem Desinfektionsmaterial. In Ländern wie Kenia beispielsweise würde eine simple Händedesinfektion, wie wir sie hier im Westen durchführen, zweieinhalbmal so viel kosten wie etwa in Genf oder Boston. Wir entwickelten also ein Produkt, das in den betreffenden Ländern selbst hergestellt werden kann. Die Basis dieses Produkts ist Bioäthanol, eine Substanz, die sich aus vielen unterschiedlichen Anbaupflanzen destillieren lässt.
Wie wir an diesem Beispiel erkennen können, braucht es bei der Bekämpfung von nosokomialen Infektionen sowohl Ideenreichtum als auch viel Engagement seitens jener Institutionen und Initiativen, denen dieses Thema ein Anliegen ist.
Auf Österreich bezogen möchte ich das Engagement einer ganz jungen Initiative hervorheben, die sich darum bemüht, die CEE-Länder (Central and Eastern European countries) in den Prozess stärker miteinzubeziehen: Der Dr. Ignaz Semmelweis Gesellschaft ist es innerhalb von nur zwei Jahren seit ihrer Gründung gelungen, einen Kongress auf die Beine zu stellen, der im Sinne einer länderübergreifenden Hygieneprävention als brückenbauend angesehen werden kann. Diese Initiative ist ein gutes Beispiel dafür, dass nur ein gemeinsames Engagement in der Infektionsprävention und -kontrolle zu entsprechendem Erfolg führt.