Dr. Wolfgang Schreiber ist Oberarzt der Universitätsklinik für Notfallmedizin am Allgemeinen Krankenhaus in Wien, Chefarzt des Österreichischen Roten Kreuzes und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Notfall- und Katastrophenmedizin. Im Gespräch gibt er Einblick in die aktuellen Kongressschwerpunkte und Entwicklungspotenziale der klinischen Notfallmedizin.
Grundsätzlich muss zwischen Rettungsmedizin und klinischer Notfallmedizin unterschieden werden. Die Rettungsmedizin blickt mittlerweile auf etwa 50 Jahre zurück. Damals wurde flächendeckend der notarztgestützte Rettungsdienst etabliert. Vor etwa 30 Jahren folgten die fliegenden Notärzte.
Auf der anderen Seite haben wir die innerklinische Notfallmedizin, die in Österreich als „zartes Pflänzchen“ bezeichnet werden kann. Ihre Wurzeln hat sie in der Klinik für Notfallmedizin im Wiener AKH, wo es auch ein Ordinariat für Notfallmedizin gibt und operative Strukturen (Notfallaufnahme) geschaffen wurden, um den Stellenwert der klinischen Notfallmedizin zu heben. Ziel ist es, diese Strukturen auch österreichweit zu schaffen und auch die Ausbildung so zu gestalten, dass Ärzte fit gemacht werden, dort zu arbeiten. Ein Wunsch wäre natürlich ein eigener Facharzt für Notfallmedizin, den ich aber derzeit noch in weiter Ferne sehe.
Ich bin überzeugt, dass wir auch außerhalb Wiens zunehmend notfallmedizinische Zentren in den Krankenhäusern schaffen werden. Wien ist sicher ein Vorreiter, wo der Weg in Richtung zentrale Notaufnahmen im Krankenhaus Nord, im Wilhelminenspital oder im Krankenhaus Hietzing beschritten wird. Aber auch Wiener Neustadt plant hier, auf den Zug aufzuspringen.
Es gibt durchaus vernünftige Hypothesen, die besagen, dass es dadurch zu einer Einsparung von Ressourcen und damit Kosten kommt. Darüber hinaus bietet es Annehmlichkeiten für Patienten und das gesamte Krankenhaus. Denn: Es gibt klar definierte Strukturen, wohin sich Notfallpatienten wenden können. Derzeit entscheidet im Zweifelsfall der Portier als medizinscher Laie, wo ein Patient gut aufgehoben sein könnte. Vom Qualitätsanspruch her ist die Einrichtung zentraler Notfallaufnahmen mit einer Triagierung, die garantiert, dass der Patient vom fachlich am besten zutreffenden Arzt behandelt wird, wohl keine Frage.
Das Additivfach Geriatrie gibt es in Österreich erst seit Kurzem, aber völlig zu Recht. Alte Patienten haben bestimmte Bedürfnisse, diesem Umstand wird in der Medizinerausbildung noch viel zu wenig Rechnung getragen. Auch bei der Ausbildung zum Notarzt hat der akutgeriatrische Patient keinen besonderen Stellenwert, und das, obwohl mehr als 50 Prozent der Patienten, die im Rettungsdienst betreut werden, über 65 Jahre alt sind. Hier wird großer Nachholbedarf deutlich.
Im AKH haben wir zum Glück viele Studierende bzw. Praktikanten, die uns hier unterstützen. Dennoch widme ich selbst in der Ambulanz oft mehr als 50 Prozent meiner Zeit der Administration und das kann nicht meine Kernaufgabe sein. Auch hier ist der Verbesserungsbedarf deutlich spürbar.
Save the Date: 15. Kongress der ÖNK
(Österreichische Gesellschaft für Notfall- und Katastrophenmedizin,
Gegenwart & Zukunft der Notfallmedizin)
11. und 12. November 2013, Congress Center Reed Messe Wien
Der Kongress wird in Zusammenarbeit mit der AAEM (Austrian Association of Emergency Medicine) veranstaltet, die drei Sitzungen zu innerklinischen, notfallmedizinischen Themen organisiert.