Mangelnde Wertschätzung gegenüber Ärzteschaft und Pflegepersonal, die ja die Kernleistungen in einem Spital erbringen, orten die Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV), Ursula Frohner, und der Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) und Obmann der Bundeskurie Angestellte Ärzte, Dr. Harald Mayer. „Pflege und Medizin haben mehr gemeinsam, als auf den ersten Blick ersichtlich ist“, sind sich Frohner und Mayer einig. Beide Berufsgruppen werden unter den derzeitigen Rahmenbedingungen in den Spitälern „ausgepresst wie die Zitronen“ und sollen Aufgaben übernehmen, die nicht in ihr Berufsbild gehören. Dazu kommt eine enorme Arbeitsverdichtung, die auch aus zunehmender Personalverknappung resultiert. Seit 1992 ist die Aufenthaltsdauer von Patienten im Krankenhaus von 6,4 Tagen auf derzeit durchschnittlich 4 Tage gesunken – das steigert dennoch das Arbeitsaufkommen von Pflege und Medizin massiv, da das Aufnahmeprozedere und die Administration für jeden Patienten zu erledigen sind.
„Um den enormen Versorgungsauftrag erfüllen zu können, brauchen wir eigentlich zusätzliches Personal zur Entlastung der Ärzte und Pflegefachkräfte von berufsfremden Tätigkeiten“, betonten Frohner und Mayer. Dazu gehöre vor allem Büropersonal für administrative Aufgaben, aber auch Service- und Reinigungspersonal, und zwar auch an den Wochenenden. „Darüber hinaus könnte das neu geschaffene Gesetz für Medizinische Assistenzberufe (MAB) Möglichkeiten eröffnen, die Ressourcen der Gesundheitsberufe künftig besser zu nutzen“, ist Frohner überzeugt. Dazu ist es aber notwendig, die Ausbildungsinhalte für diese Tätigkeiten entsprechend zu ergänzen und mehr Flexibilität im Hinblick auf die Dienstverträge des Hilfspersonals zu schaffen. „Ärztliches und Pflegepersonal arbeiten wöchentlich an die 72 Stunden und sind zeitlich flexibel, eine Büro- oder Reinigungskraft kommt auf 40 Stunden und hat fixe Arbeitszeiten“, schlägt Mayer vor.
Prognosen zufolge wird die Bevölkerung weiter wachsen und immer älter. Dementsprechend wandelt sich auch der Versorgungsbedarf, der eine Ausrichtung des Personalstandes auf die neuen Rahmenbedingungen erforderlich macht. Beim Bettenbedarf unreflektiert den Rotstift anzusetzen und pauschal Betten einzusparen, ist wohl der falsche Weg, denn auch der Personalschlüssel mit der notwendigen Fachkompetenz ist für die Versorgungseinheiten zu berücksichtigen: „Für eine Intensivstation sind andere Kenntnisse erforderlich als in der Onkologie“, erklärte Frohner.
In manchen Spitälern herrscht bereits ein Mangel an Turnusärzten, sodass ältere Ärzte die Aufgaben der Auszubildenden übernehmen und gleichzeitig einen Teil ihrer übrigen Aufgaben delegieren müssen. „Das trifft das ohnehin schon überlastete pflegerische und medizinische Personal, das dann durch fehlende Personalstrukturen die Mängel des Systems kompensieren muss“, geben Frohner und Mayer Einblick. Ohne eine Umstrukturierung bzw. die Schaffung adäquater Rahmenbedingungen werde sich die Situation in Zukunft verschärfen. Die geforderte Übernahme von ärztlichen Tätigkeiten wie beispielsweise Blutabnahmen durch den gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege ist unter den momentan gegebenen Umständen nicht möglich.
Im Rahmengesundheitsziel Nummer zehn werden dezidiert gute Arbeitsbedingungen gefordert, die wiederum die Basis einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung sein sollen. Von einer adäquaten Umsetzung ist in der Praxis derzeit noch wenig zu bemerken. Schon jetzt kämpfen gerade die Berufsgruppen Arzt und Pflege mit körperlicher Überlastung bis hin zu Burnout. Ein rasches Gegensteuern ist nach Ansicht der Experten dringend nötig, damit die Gesundheitsreform auch umzusetzen ist. „Mit kranken, ausgebrannten Leistungsträgern kann man keine Reform starten, die obendrein einen drastischen Sparkurs fährt“, so die ÖGKV-Präsidentin und der ÖÄK-Vizepräsident einhellig.