Der TERMIS Weltkongress (Tissue Engineering and Regenerative Medicine International Society) gilt als internationale Kommunikationsplattform für Wissenschaftler, Forscher, behandelnde Ärzte und einschlägige Wirtschaftsunternehmen. Er wird alle drei Jahre auf einem anderen Kontinent abgehalten. Nach Pittsburgh und Seoul war in diesem Jahr Wien als erste europäische Stadt Gastgeber für die internationale Elite auf dem Sektor der Gewebezüchtung und regenerativen Medizin. Bei der Gewebezüchtung geht es darum, krankes oder zerstörtes Gewebe durch gesundes Gewebe, das im Labor hergestellt wurde, zu ersetzen. Das Einsatzgebiet der regenerativen Medizin ist umfassend – von der Behandlung nach einem Trauma über weite Teile der Chirurgie bis hin zur kosmetischen Chirurgie. Österreich hat in vielen Forschungsbereichen wichtige Pionierarbeit geleistet.
Das Kongressprogramm war inhaltlich breit konzipiert und umfasste insgesamt 72 Symposien sowie vier Poster-Sessions. „Die Veranstaltung präsentiert den Status quo der Forschung, lotet Potenziale aus und diskutiert mögliche Zielsetzungen“, fasst Prof. Dr. Heinz Redl, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für experimentelle und klinische Traumatologie und Organisator des Kongresses, die Aufgabenstellung der 2.000 teilnehmenden Experten zusammen. Im Mittelpunkt steht dabei die möglichst rasche praktische Implementierung von Forschungsergebnissen zugunsten der betroffenen Patienten. „Wir sind heute bereits soweit“, sagt Redl, „erste Forschungsergebnisse erfolgreich auf die therapeutische Praxis umzulegen. Für die Therapie von morgen verbinden wir damit noch viel größere Hoffnungen und Chancen – hier liegt ein absolutes Zukunftsgebiet der Medizin.“
In diesem Sinne ist es auch kein Zufall, dass der diesjährige Medizin-Nobelpreis an die beiden Stammzellenforscher John Gurdon aus Großbritannien und Shinya Yamanaka aus Japan für die Rückprogrammierung erwachsener Körperzellen in den embryonalen Zustand geht.
Ein spezifisches Forschungsfeld setzt sich mit der humanen Plazenta und dem darin enthaltenen Fruchtwasser als wertvolle Quelle für Zellen mit ausgeprägtem Stammzellcharakter auseinander. Speziell im Fruchtwasser findet man Zellen, die in ihren Eigenschaften embryonalen Stammzellen ähneln, ohne tumorigenes Potenzial oder ethische Problematik aufzuweisen. „Diese Stammzellen haben nicht nur die Eigenschaft, sich in verschiedenste andere Zelltypen differenzieren zu können, sie geben auch Stoffe an ihre Umgebung ab, die entzündungshemmend und gewebsregenerierend wirken“, erzählt die italienische Expertin Prof. Ornella Parolini, Präsidentin der „International Placenta Stem Cell Society“, die ebenfalls in Wien zu Gast war.
Die innerste Eihaut der Plazenta, das Amnion, findet ja bereits seit längerer Zeit Anwendung in der Wundheilung, der Behandlung von Verbrennungen und auch in der Augenheilkunde. Vor Kurzem wurde nun auch präklinisch gezeigt, dass sich das Amnion und daraus isolierte Zellen zur Behandlung von Leber- und Lungenfibrosen eignen könnten, da die Stammzellen die verstärkte Bildung von Bindegewebe unterdrücken.
Künftig wird es vor allem darum gehen, Stammzellen, die in sehr großen Mengen benötigt werden, in Bioreaktoren entsprechend zu vermehren. Darüber hinaus wird zum Einsatz bei weiteren Erkrankungen – etwa in Richtung Regeneration von Knochen und Knorpeln, aber auch zur Therapie von Schlaganfall oder Multipler Sklerose – geforscht. Eine Schweizer Forschergruppe stellte am Kongress eine per 2013 beginnende klinische Studie zum Einsatz von Herzklappen aus Plazentastammzellen vor.
Prof. Dr. Cornelia Kasper vom Department für Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur Wien ist zuversichtlich, in den kommenden Jahren weitere Erfolge auf dem Forschungsgebiet erzielen zu können, warnt aber gleichzeitig vor Euphorie: „Es bewegt sich viel und wir haben viele präklinische Erfolge erzielt. Wir wollen aber auch keine Illusionen erzeugen. Was wir noch brauchen, sind abgesicherte Ergebnisse, auch wenn es aus heutiger Sicht keine Hinweise gibt, dass es irgendwo Sicherheitsprobleme geben könnte.“ Kasper hofft, dass in drei bis fünf Jahren erste konkrete Produkte am europäischen Markt sein könnten.