Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML ist ein Forschungsinstitut der Fraunhofer Gesellschaft, die für die angewandte, industrienahe Forschung steht. Neben der Erforschung von nachhaltigen Konzepten stehen dort Fragestellungen zur Gestaltung von resilienten urbanen Räumen im Mittelpunkt: Es braucht gerade aus Sicht des Gesundheitswesens krisenfeste Konzepte, die dabei helfen, robust durch Katastrophenereignisse wie Stromausfall, Überschwemmung, Windstürme, Pandemien zu kommen. Ein Fokus liegt auf der Versorgung der Bevölkerung mit medizinischen Produkten sowie der Entwicklung einer robusten und anpassungsfähigen Supply Chain im Gesundheitswesen. Das umfasst zum Beispiel eine Flächendimensionierung für die Logistik im Neu- und Umbau, die OP-Logistik, die Materialversorgungs- und Transportlogistik sowie die Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Einblick in die Arbeit gibt Andrea Raida, MSc. vom IML.
Aus prozessualer Sicht können diverse Potenziale im Gesundheitswesen aufgedeckt werden. Entscheidend ist immer eine ganzheitliche Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus sowie über alle Nachhaltigkeitsdimensionen. Im Bereich der Materialversorgung können zum Beispiel durch die Optimierung von Bestell- und Bestandsmengen nicht nur Kosten gespart werden, sondern auch das Risiko von Verfall und Verderb kann minimiert werden. Wird die Materialbestellung zusätzlich noch softwareseitig unterstützt, können die Mitarbeiter auf hinterlegte Mengen zurückgreifen und werden so in der Durchführung ihrer Tätigkeiten im Hinblick auf die Patientensicherheit unterstützt. So können ökologische, ökonomische und soziale Aspekte der Nachhaltigkeit in der Materialversorgung verbessert werden.
Die Gesellschaft sieht sich aktuell mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Die schon vorherrschende Klimakrise wird noch durch die Ressourcenverknappung sowie die Energie- und Gaskriese durch den Russland-Ukraine-Krieg verstärkt. Das führt dazu, dass weitere Einsparmaßnahmen zur Ressourcenschonung identifiziert werden müssen, gerade im Gesundheitswesen, das als Klimatreiber bekannt ist.
Ein ressourcenschonendes Wirtschaften in Unternehmen ist ein guter erster Schritt. Darüber hinaus kann nun darauf geachtet werden, dass nicht nur Verschwendung vermieden wird, sondern beim Einkauf von Produkten und Dienstleistungen etwa auch auf einen geringen CO2-Fußabdruck Wert gelegt wird. Es sollten somit auch ökologische Faktoren mit in die Zielperspektiven des Unternehmens etabliert werden. Insbesondere im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit können in Zeiten der Personalknappheit und des Fachkräftemangels noch einige Verbesserungen erzielt werden.
Die Studie „Health Care’s Climate Footprint” hat aufgezeigt, welchen Impact das Gesundheitswesen auf die Umwelt hat. In den letzten Jahren war die Krankenbehandlung jedoch in erster Linie durch ökonomische Zielsetzungen geprägt. Fachkräftemangel und Energiekrisen führen dazu, dass nun auch soziale und ökologische Zielsetzungen in den Fokus rücken. Durch eine Prozessoptimierung in der Logistik des Gesundheitswesens können hier kurz- bis mittelfristig Ziele erreicht werden. Die Digitalisierung dient dabei als wichtiges Handlungselement, um etwa die Informationsübermittlung und -bereitstellung zu verbessern. Auf diese Weise können Prozesse standardisiert, Personal entlastet und Ressourcen insgesamt geschont werden.
Zentraler Punkt des Gesundheitswesens ist der Patient und die Versorgungssicherheit der Patienten. Es steht somit nicht ein Gut, sondern ein Mensch an zentraler Stelle. Mit der Patientenversorgung gehen spezielle Anforderungen an die Produkte und die Dienstleistungen, etwa im Hinblick auf die Hygiene, einher. Dies hat auch Auswirkungen auf den Transport und die Lagerung von Produkten.
Aus logistischer Sicht starten wir Projekte im Sinne der Nachhaltigkeit immer mit einer Analyse der Prozesse. Auf diese Weise können Potenziale zur Effizienzsteigerung innerhalb der verschiedenen Nachhaltigkeitsdimensionen identifiziert werden. Häufig können mithilfe einer Prozessvisualisierung und der direkten Kommunikation aller Prozessbeteiligten bereits erste Schwachstellen identifiziert werden, die oft aufwandsarm behoben werden können. Eine häufige Stellschraube ist die Informationslogistik.
Insbesondere im Bereich der Logistik sind bislang noch wenige Maßnahmen umgesetzt worden. Häufig mangelt es generell noch an prozessbezogenen Umweltkennzahlen, um ökologische Maßnahmen zu identifizieren. Aufgrund von Personalmangel und Überlastung von Mitarbeitenden wurden jedoch schon einzelne Maßnahmen ergriffen.
Nachhaltige Optimierungspotenziale aus Sicht der Logistik gibt es entlang der gesamten Supply Chain. Eine ganzheitliche Betrachtung aller Prozessbestandteile ist hier notwendig. Aus logistischer Sicht dient eine zunehmende Automatisierung und Digitalisierung, auch wenn diese zunächst an sich nicht nachhaltig ist, als Enabler für eine nachhaltige Prozessoptimierung.
Mit den Sustainable Development Goals gibt es bereits eine generelle Zielsetzung der Vereinten Nationen. Zu lange sind diese jedoch stiefmütterlich verfolgt worden. Aktuelle Rahmenbedingungen führen zu einem konkreten Handlungsbedarf in allen Bereichen. Diese Dynamik sollte auch die Politik aufgreifen, um Maßnahmen weiter voranzutreiben.