Studien belegen klar, dass der Klimawandel die größte Bedrohung für die Gesundheit im 21. Jahrhundert ist. Auswirkungen sind sowohl bei der individuellen Gesundheit als auch im Gesundheitssystem zu erkennen. Mag. Dr. Ruperta Lichtenecker leitet das Kompetenzzentrum Klima und Gesundheit in der Gesundheit Österreich (GÖG) und ihre Aufgabe ist es, das Gesundheitswesen in Sachen Klima-Fitness zu trainieren. Als Ökonomin, Forscherin und Managerin arbeitete sie über viele Jahre mit der Thematik Klima, Umwelt und Energie an der Schnittstelle von Wissenschaft, Verwaltung, Wirtschaft und Politik und dieses umfassende Wissen fließt jetzt in die Strategien und innovativen Projekte um die Querschnittsmaterien Gesundheit und Klima ein. Keine leichte Aufgabe angesichts der Tatsache, dass das Gesundheitswesen sowohl Verursacher als auch Betroffener der Umweltauswirkungen ist. Wie wichtig das Thema ist, zeigt unter anderem, dass sie und ihr Team allein im Vorjahr auf mehr als 25 Kongressen und Tagungen eingeladen waren, um Österreichs Know-how auch auf internationalem Parkett zu präsentieren. Im Gespräch gibt sie Einblick, wo Österreich derzeit steht und welche konkreten Maßnahmen aktuell bereits umgesetzt werden.
Warum müssen sich Entscheidungsträger im Gesundheitswesen Gedanken um den Klimaschutz machen?
Die Beispiele auf der persönlichen Ebene sind vielfältig, etwa die Verschiebung und Intensivierung der Pollensaison, die Zunahme von Wetterextremereignissen und der Anstieg von Herz-Kreislauf-Belastungen in langen Hitzeperioden. Auch die Veränderung der Verbreitung von Viren, Bakterien und Insekten als Krankheitsüberträger oder psychosoziale Folgen wie Ängste und Sorgen sind nur einige der Auswirkungen, die das Individuum betreffen. Gleichzeitig ist das Gesundheitswesen nicht nur von den Folgen des Klimawandels betroffen, sondern auch Mitverursacher. Der CO2-Fußabdruck des österreichischen Gesundheitssektors beträgt rund sieben Prozent und die Folgekosten der Klimakrise sind im Gesundheitssektor am höchsten. Ein Krankenhaus verbraucht in etwa so viel Energie wie eine Kleinstadt. Und trotzdem wurde bisher der Gesundheitssektor in Klimaschutzstrategien weder konkret adressiert, noch gab es eine Strategie für ein klimaneutrales Gesundheitswesen.
Wo liegt konkret der Nutzen von Klimaschutzmaßnahmen im Gesundheitssektor?
Der Blick auf die individuellen und gesamtgesellschaftlichen Folgen hat schon viele Themen adressiert. Wenn wir uns auf die positiven Effekte konzentrieren, ist klar festzuhalten, dass Klimaschutz Gesundheitsschutz ist. Wichtig ist, dass führt ein klimafittes Gesundheitswesen zur Reduktion von Kosten in den Gesundheitseinrichtungen und der öffentlichen Hand führt. Die Treibhausgas-Emissionen werden reduziert und wir schaffen ein gesundheitsförderndes Umfeld für Mitarbeiter und Patienten. Die Erhöhung der Versorgungssicherheit und der Resilienz geht Hand in Hand mit einer Stärkung des Images des Gesundheitssektors – ein Thema, das beim aktuellen Personalmangel nicht übersehen werden darf.
Sie arbeiten an einer Strategie für ein klimaneutrales Gesundheitswesen. Wo stehen wir aktuell?
Österreich forciert über alle Sektoren hinweg die Rahmenbedingungen und Strukturen für die nachhaltige Transformation. Wir verfolgen Sustainable Development Goals und die Integration des One-Health-Ansatzes, sind Partner im Pariser Übereinkommen zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C, zur Emissionsreduktion um 55 % bis 2030 sowie der Klimaneutralität bis 2050. Das österreichische Regierungsprogramm 2020-2024 sieht Maßnahmen zur Klimaneutralität bis 2040 und die hundertprozentige Deckung des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien bis 2030 vor. In den „Gesundheitszielen Österreich“ sind Themen wie die Sicherung von Lebensräumen für künftige Generationen, gesunde Ernährung oder gesundheitliche Chancengerechtigkeit enthalten. Die Mitarbeiter des Gesundheitssektors verfügen über enormes Wissen, genießen hohes und sind daher zentrale Multiplikatoren. Ich denke, dass der Gesundheitssektor eine zentrale Vorbildrolle im Umgang mit der Klimakrise und seinen Folgen hat und wir uns auf den Schutz und die Stärkung der individuellen Gesundheit und der Bevölkerungsgesundheit fokussieren müssen.
Was ist das Ziel der Strategie?
Wir entwickeln die Grundlagen, wie das Gesundheitswesen als Gesamtes und die erforderlichen Gesundheitsleistungen klimafreundlich erbracht werden können. Dazu braucht es eine umfassende Analyse und Definition der Rahmenbedingungen, die Erarbeitung von Handlungsfeldern und Handlungsoptionen zur strukturellen Verankerung von Klimaschutz im Gesundheitswesen. Die Strategie wurde bei der Enquete von Bundesminister Rauch „Strategie klimaneutrales Gesundheitswesen“ präsentiert. Mit dieser Strategie ist Österreich international Vorbild und Vorreiter.
Eine Strategie zu haben ist ein guter Anfang, aber wie kommt sie in die Praxis?
Damit das alles von der Theorie in die Praxis kommt, müssen relevante Akteure und Experten kooperieren und sich vernetzen und bei der Umsetzung unterstützt werden. Aktuell sind wir fokussiert mit mehreren innovativen Projekten bereits in der praktischen Umsetzung. Wir haben dazu drei wichtige Säulen:
Auf welche Meilensteine sind Sie besonders stolz?
Das Engagement und das Interesse der Gesundheitseinrichtungen ist beeindruckend. Die Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren und Experten ist sehr gut und wirkungsvoll im Sinne der nachhaltigen Transformation und des übergeordneten Ziels Gesundheitsschutz mit Klimaschutz!
Aufbauend auf dem Beratungsprojekt hat das Klimaschutzministerium gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium und der Gesundheit Österreich GmbH zwei neue Förderschienen entwickelt, für die 350 Mio Euro zur Verfügung stehen. Das Ziel ist, mehr Gesundheitseinrichtgungen klimafit zu machen, Energieeffizienzpotenziale zu heben und gleichzeitig die Betriebskosten der Einrichtungen zu senken. Für Krankenhäuser, Rehabilitationszentren sowie Senioren- und Pflegeheime gibt es ein umfassendes Paket, mit dem sie bei der Umstellung ihrer Einrichtung von fossilen Energieträgern auf einen energieeffizienten Betrieb unterstützt werden. Das reicht von der thermischen Sanierung des Gebäudes über Energiesparmaßnahmen wie die Optimierung der Wärme-, Dampf-, Brauchwasser- und- Kälteversorgung bis hin zu Maßnahmen wie dem Tausch der Heizungsanlage gegen eine klimafreundliche Alternative.
Was sind die nächsten konkreten Schritte?
Im März wird die Plattform „Pioniere der guten Praxis in den Gesundheitseinrichtungen“ online gehen, um den Wissenstransfer zu beschleunigen und spannende Projekte für alle Interessierten öffentlich zu machen. Das ist auch ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Vernetzung, Kooperation und Austausch. Wir arbeiten zudem an den zentralen Themen, wie die Gemeinschaftsverpflegung in den Gesundheitseinrichtungen möglichst klimafreundlich wird, und mit den Rettungsorganisationen, wie sie bestmöglich klimafit werden.