Ausgeglichene Bilanzen, Kostenbewusstsein und schwarze Zahlen: Immer mehr werden Krankenhäuser wie Unternehmen geführt, wo Manager nach ökonomischen Gesichtspunkten entscheiden. Das strukturelle Angebot zur Patientenversorgung wird immer weniger von der Ärzteschaft nach den Bedürfnissen der Patienten vorgegeben, sondern von Managern bestimmt. Diese Entwicklung stellt eine Belastung für Ärzte, Pflegepersonen und Therapeuten dar und hat zu einem erheblichen Spannungsfeld zwischen Ärzteschaft und Management beigetragen.
Geht diese Entwicklung zu Lasten der Patienten oder ist es durchaus möglich, Spitäler und andere Gesundheitseinrichtungen im Sinne von Qualität, Kostenbewusstsein und Menschlichkeit zu verwirklichen? Martin Stickler, Pressesprecher der Österreichischen Ärztekammer in Wien, spricht von einer „scheinbaren Gegensätzlichkeit“, von zeitloser ärztlicher Ethik auf der einen Seite und ökonomischen Zwängen auf der anderen: „Dient die Ökonomie der Medizin oder ist es mittlerweile nicht schon die Medizin, die der Ökonomie dient?“ Vieles spricht dafür, dass die Ökonomie die Medizin bereits fest im Griff hat. Es genügt ein aufmerksamer Blick auf so manche Begriffe, die in unserem Sprachgebrauch bereits verankert sind: Aus Ärzten werden Gesundheitsdiensteanbieter, aus Patienten Kunden und aus Spitälern Gesundheitsbetriebe. Sätze wie „Die Krankenkassen jubeln alljährlich über Gewinne in dreistelliger Millionenhöhe“ verstärken den Eindruck, dass beim Management von Gesundheitseinrichtungen ökonomische Faktoren dominieren.
DI Dr. Max Laimböck sieht die Blöcke Management und Ärzteschaft nicht so getrennt voneinander und verweist auf die zahlreichen Ärzte, die im Rahmen ihrer Führungsposition ja selber viele Managementaufgaben übernehmen. Das in den Medien häufig zu vernehmende Vorurteil, die Ärzte seien für den Patienten und die Manager dagegen, stimme in vielerlei Hinsicht nicht, meint der Studiengangsleiter für Qualitäts- und Prozessmanagement im Gesundheitswesen der Fachhochschule „Gesundheit“ in Innsbruck. Insbesondere deshalb, weil gutes Management und Handeln im Sinne der Patienten einander ja nicht ausschließen würden. Tatsache sei, dass die mit Managementaufgaben betrauten Ärzte oft vor einer unglaublich schwierigen Aufgabe stünden: „Sie müssen den Mangel verwalten“, meint Laimböck. Jenen Mangel, der durch entsprechende Strukturreformen vielfach vermeidbar wäre. Österreich gebe mehr für Spitäler pro Einwohner aus als alle anderen EU-Staaten. Diese Zahlen blieben leider ohne Reaktion, was nicht notwendig wäre, wie zahlreiche Beispiele aus anderen Ländern zeigen. So konnte Deutschland durch Zusammenschluss von Spitälern, bessere Einkaufsmodalitäten und mehr Kostentransparenz in den letzten Jahren seine Spitalskosten erheblich senken. Ein großes Thema seien auch die vielen kostenintensiven, aber durchaus vermeidbaren stationären Aufnahmen. Auch hier liege Österreich im Vergleich zu anderen Ländern im „Spitzenfeld“: So werden beispielsweise 19 von 28 chronisch kranken Patienten stationär aufgenommen. In der Schweiz sind es nur acht, in den Niederlanden sieben, in Deutschland sechs und in Schweden gar nur fünf.
Modelle zur Verbesserung gebe es viele, diese aber auch adäquat umzusetzen, darin liege die Schwierigkeit, meint dazu Dr. Reinhard Krepler, Ärztlicher Direktor des AKH Wien. Allerdings plädiere er für eine „österreichische Maßanfertigung“: „Sich von anderen was abzuschauen“ sei zu wenig. Letztendlich gehe es bei der Verbesserung der Situation nicht unbedingt um die ganz großen Konzepte, die langfristig umgesetzt werden. Denn ein Spital ist eine in ständiger Bewegung befindliche Institution, wo es vor allem wichtig ist, auf momentane Entwicklungen spontan reagieren zu können: „Das AKH ist im Sinne der Patienten in ständiger Bewegung“, so der AKH-Chef. Abteilungen verändern sich, verschwinden und treten in veränderter Form wieder in Erscheinung. All dies passiere unter ständigem Druck, halbwegs kostengünstig zu agieren. „Die Budgetmittel sind knapp“, heißt es bei den monatlichen Meetings mit den Finanzverantwortlichen: Der Job als Manager sei kein leichter: „Meine Lebensqualität hat sich nicht unbedingt erhöht, seit ich mich in dieser Verantwortungsposition befinde“, meint Krepler. Umso schöner, wenn es doch immer wieder gelingt, kostengünstige Leistungsangebote, wie beispielsweise das Comprehensive Cancer Center, zu entwickeln und zu implementieren.
„Wir haben alle knappe Ressourcen“, sagt Dr. Wolfgang Huber, Ärztlicher Leiter des Hauses der Barmherzigkeit. Ziel eines Arztes in Managementposition sei es also, mit diesen Ressourcen optimal zu operieren. Und dies sei durchaus möglich, meint der Mediziner. Der soziale Gedanke müsse dabei keineswegs außer Acht gelassen werden: „Menschlichkeit und Wirtschaftlichkeit schließen einander nicht aus“, so Huber.
Es gehe letztendlich darum, die jeweils verschiedene „Sprache“ des anderen verstehen zu lernen, um einen Weg der Mitte zu finden, wo sowohl die Sichtweise des Mediziners – „Das Beste ist gerade gut genug“ – als auch jene des Managers – „Die gute Lösung ist gerade gut genug“ – Platz haben dürfen.