Gut gerüstet für die nächste Krise

Lockdowns, Überlastung von medizinischem Personal und Krankenhäusern, angespannte oder unterbrochene Lieferketten und dadurch bedingte Versorgungsengpässe in vielen Bereichen – vor exakt vier Jahren war dieses Szenario kein Setting für einen Katastrophenfilm, sondern Realität. Denn im Jahr 2020 hat der Ausbruch der Corona-Pandemie die Welt kalt erwischt. Andere Krisen, wie beispielsweise der Ausbruch des Ukrainekrieges, folgten und weitere sind in den nächsten Jahren nicht ausgeschlossen.

Drei Phasen zur Vorsorge

Angesichts dessen hat die EU, um auf künftige Krisen besser vorbereitet zu sein, die Verordnung zur Schaffung eines Rahmens von Maßnahmen für Binnenmarkt-Notfälle und Resilienz angenommen (Binnenmarkt-Notfall- und Resilienzgesetz; Internal Market Emergency and Resilience Act – IMERA) beschlossen. Strukturiert ist die Verordnung, die ab 29. Mai 2026 unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten gilt, in drei Phasen: Neben der Eventualfallplanung für den Binnenmarkt (grüne Phase) sind dies der Wachsamkeitsmodus (gelbe Phase) sowie der Notfallmodus (rote Phase). Sowohl der Wachsamkeitsmodus als auch der Notfallmodus müssen auf Vorschlag der EU-Kommission mittels Durchführungsrechtsakt des Rates aktiviert werden. Wird Ersterer aktiviert, müssen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten „die Lieferketten für Waren und Dienstleistungen von entscheidender Bedeutung sowie die Freizügigkeit von Personen, einschließlich der Arbeitnehmer, die an der Herstellung und Bereitstellung solcher Waren und Dienstleistungen beteiligt sind“, überwachen.
Nach Aktivierung des Notfallmodus und der Erstellung einer Liste krisenrelevanter Waren und Dienstleistungen durch den Rat können Maßnahmen zur Reaktion auf einen Binnenmarkt-Notfall durch die EU-Kommission erlassen werden. Dazu zählen unter anderem Auskunftsersuchen und Vorrangfragen: Das heißt, dass in Ausnahmefällen die Herstellung oder Lieferung krisenrelevanter Waren vorrangig zu behandeln ist, wenn ein schwerwiegender und anhaltender Engpass besteht. Unternehmen können diese Anfragen auf freiwilliger Basis annehmen und sind damit für die Haftung gegenüber ihren anderen Handelspartnern rechtlich abgesichert, wenn sie diesen anderen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen. Dieser Auftrag muss mit den Wettbewerbsregeln im Einklang stehen und sollte die Sicherheits- oder Verteidigungsbefugnisse der Mitgliedstaaten nicht berühren. Aber auch ein beschleunigtes Verfahren zur Markteinführung bestimmter Produkte und Ausnahmen von produktspezifischen Vorschriften sollen damit möglich werden.

Koordinierte Abwicklung gefragt

Ebenfalls vorgesehen sind Maßnahmen zur Erleichterung des freien Verkehrs bei einem Binnenmarkt-Notfall. So werden unzulässige Beschränkungen des Rechts auf freien Verkehr durch die EU-Mitgliedstaaten bei einem Binnenmarkt-Notfall aufgelistet. Dazu zählen beispielsweise „Maßnahmen zur Beschränkung von Reisen von Anbietern krisenrelevanter Dienstleistungen, Unternehmensvertretern und Arbeitnehmern, die an der Herstellung krisenrelevanter Waren oder an der Erbringung krisenrelevanter Dienstleistungen beteiligt sind“. Darüber hinaus wird die Beschaffung von krisenrelevanten Gütern unter Leitung der Kommission und mit Beteiligung der EU-Länder ermöglicht. Weiters soll eine aus verschiedene Komponenten bestehende umfassende Bereitschafts- und Krisenreaktionsarchitektur geschaffen werden: Zum einen wird es eine Governance-Struktur geben, in der die Bemühungen der EU-Länder koordiniert und Maßnahmen zur Verhinderung oder Bewältigung der Auswirkungen einer Krise auf den Binnenmarkt beraten werden.
Unter anderem soll ein Notfall- und Resilienzgremium für den Binnenmarkt, bestehend aus einer Vertreterin oder einem Vertreter je Mitgliedstaat und einer Vertreterin oder einem Vertreter der EU-Kommission, eingerichtet werden. Dazu können Vertreterinnen und Vertreter aus der Wirtschaft als Sachverständige eingeladen werden. Das Gremium soll unter anderem die EU-Kommission etwa bei der Bewertung von krisenrelevanten Vorfällen beraten und unterstützen. Zum anderen soll ein Rahmen für die Notfallplanung aufgestellt werden, der mit Krisenprotokollen und Schulungen auf potenzielle Ernstfälle vorbereitet und ein Frühwarnsystem einrichtet. Kritische Lieferketten von Waren und Dienstleistungen sollen laufend überwacht werden, bevor die Umstände eskalieren. Damit soll eine rechtzeitige und geordnete Reaktion auf künftige Krisen möglich werden.

Kritische Lieferungen sicherstellen

Ziel der neuen Regelungen ist es, den ununterbrochenen Verkehr von wichtigen Waren, Dienstleistungen und Personen in der EU während einer Krise zu gewährleisten. Damit soll die Verfügbarkeit kritischer Lieferungen in einem Notfall sichergestellt werden.
Österreich hat sich unabhängig von IMERA ebenfalls für weitere Krisen gerüstet: Bereits 2023 wurde das Krisensicherheitsgesetz beschlossen, das Anfang 2024 in Kraft getreten ist. Ziel war, das staatliche Krisenmanagement erstmals gesetzlich zu definieren sowie strukturell weiterzuentwickeln. So sind etwa die Schaffung von ressortübergreifenden Fachgremien und eines Bundes-Krisensicherheitskabinetts unter Leitung des Bundeskanzlers, die Einrichtung eines Bundeslagezentrums im Innenministerium sowie die Benennung von Kontaktstellen zur raschen Koordination im Krisenfall vorgesehen. Zudem beinhaltet das Gesetz die gesetzliche Definition eines Bundes-Krisenfalls, die Festlegung eines Verfahrens zur Ausrufung und Beendigung einer Krise und die Einrichtung von Regierungsberatenden im Bundeskanzleramt samt Stellvertretung und Beratungsgremium.