Seit Dezember wird sowohl auf Beamten- als auch politischer Ebene hart verhandelt: Ziel ist, den seit 2017 laufenden Finanzausgleich, der während der Pandemie bereits einmal ohne Änderungen verlängert wurde, auf neue Beine zu stellen. Dieser sollte bis Jahresende unter Dach und Fach gebracht werden, eine einfache Verlängerung wie beim letzten Mal dürfe es nicht geben, erklärten Anfang Mai Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und sein Vorarlberger Kollege Mag. Markus Wallner sowie Kärntens Landeshauptmann-Stellvertreterin Dr. Gaby Schaunig nach einem Treffen der Finanzreferenten.
Das ist aber nicht die einzige Forderung der Länder: Sie drängen gleichzeitig auf eine neue Verteilung auf Bund, Länder und Gemeinden, um die bestmögliche Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Immerhin sei, so die Finanzlandesreferenten, einer WIFO-Studie zufolge die Ausgabendynamik der Länder und Gemeinden vor allem in den Bereichen Gesundheit, Pflege oder Bildung gestiegen. „Derzeit bekommt der Bund 68 Prozent vom Steuerkuchen, die Länder 20 und die Gemeinden zwölf Prozent. Die beiden Letztgenannten wollen ihre Anteile künftig auf 25 beziehungsweise 15 Prozent erhöhen“, sagt Dr. Karoline Mitterer vom KDZ-Zentrum für Verwaltungsforschung, die den Finanzausgleich als wichtigste Einnahmequelle sowie bedeutende Säule der Autonomie für Länder und Gemeinden bezeichnet. „Immerhin rund 40 Prozent der laufenden Einnahmen der Gemeinden stammen aus diesem Topf, bei den Ländern sind es 60 Prozent“, so Mitterer.
„Die klassische Definition versteht unter Finanzausgleich, wie die Einnahmen aus den großen Steuern, also Einkommens- und Lohn-, Körperschafts- und Umsatzsteuer, auf Bund, Länder und Gemeinden aufgeteilt werden“, sagt Mitterer. Rund 95 Milliarden Euro wurden im Jahr 2021 damit eingenommen: Davon entfallen rund 37 Prozent auf die Lohn-, 33 Prozent auf die Umsatzsteuer- und elf Prozent auf die Körperschaftssteuer – somit Beschäftigung und Wirtschaftslage. Im Jahr 2022 kletterten diese Einnahmen auf 105 Milliarden Euro. „Auf Basis des letztgültigen Finanzausgleichsgesetzes verteilen sich diese gemeinschaftlichen Steuern zuerst vertikal auf die drei Gebietskörperschaftsebenen, dann horizontal auf die jeweiligen Bundesländer beziehungsweise die einzelnen Gemeinden“, beschreibt die KDZ-Expertin. Der horizontale Verteilungsschlüssel dafür ist allerdings ziemlich komplex. „Er basiert teilweise auf den Bevölkerungszahlen und teilweise auf historisch bedingten Fixschlüsseln. Bei den Gemeinden hat der abgestufte Bevölkerungsschlüssel, also die gewichtete Einwohnerzahl, eine hohe Bedeutung“, so Mitterer. Dadurch erhalten größere Gemeinden wegen ihrer zentralörtlichen Funktionen mehr Geld.
Alle vier bis sechs Jahre wird in der Regel um die Verteilung des Steuertopfes gefeilscht, der Beschluss über den Aufteilungsschlüssel hat im Übrigen einvernehmlich zu erfolgen. „Die Ergebnisse der Verhandlungen werden in den auf einige Jahre befristeten Finanzausgleichsgesetzen (FAG) festgehalten, die die Aufteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben (Ertragsanteile) regeln“, erklärt Mitterer weiter. Die Ertragsanteile sind allerdings nur ein Element des Finanzausgleichs. Ebenfalls dazu gehören jene Abgaben beziehungsweise Gebühren, die von den Gebietskörperschaftsebenen selbst eingenommen werden, sowie die Transferzahlungen. Beim Bund fallen beispielsweise die Dienstgeberanteile aus dem Familienlastenausgleichsfonds unter die eigenen Abgaben, bei den Ländern ist es vor allem der Wohnbauförderungsbeitrag – seit 2017 eine Landesabgabe.
Bei den Gemeinden wiederum zählen Abgaben wie die Kommunalsteuer oder Gebühren für kommunale Leistungen dazu. Deutlich komplexer sind die Transferzahlungen: „Einerseits leistet der Bund Zuschüsse an die Länder und Gemeinden. Das sind vor allem Transfers für bestimmte Zwecke wie beispielsweise die Krankenanstaltenfinanzierung oder den Pflegefonds“, erklärt Mitterer. Gleichzeitig gebe es wesentliche Finanzströme zwischen Gemeinden und Ländern. „Die Bundesländer erhalten von den Gemeinden Umlagen für die Kofinanzierung verschiedener Leistungen, wie etwa die Landeskrankenanstalten, während die Gemeinden unter anderem Zuschüsse zur Kinderbetreuung oder zu Investitionen erhalten“, sagt sie. Diese Mittel würden zu einem großen Teil aus dem Gemeinde-Bedarfszuweisungsmittel-Topf stammen – und seien damit Gemeindemittel, die im Rahmen des Finanzausgleichs über die Länder an die Gemeinden ausgeschüttet werden.
Im Rahmen des Finanzausgleichs wird allerdings nicht nur festgelegt, welchen Anteil am Steuerkuchen Bund, Länder und Gemeinden bekommen sollen, sondern auch, welche Aufgaben sie in diesem Zusammenhang übernehmen und wie sie diese finanzieren müssen. In der Regel fallen unter die besagten Aufgaben die öffentlichen Dienstleistungen des Bundes, aber auch diverse Aufgaben der Daseinsvorsorge, die Länder und Gemeinden erfüllen müssen. Viele Aufgaben wie Bildung, Pflege oder Verkehr erbringen Bund, Länder und Gemeinden allerdings gemeinsam. „Dadurch wird der Finanzausgleich noch einmal komplexer“, so Mitterer. Kommen während einer laufenden Finanzausgleichsgesetzesperiode neue Aufgaben dazu oder entwickeln diese eine unterschiedliche Dynamik, dann muss über deren Finanzierung gesondert verhandelt werden. „Oft führt das zum Abschluss von sogenannten 15a-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern“, so Mitterer.
Die Mittel aus dem Finanzausgleich fließen aber nicht nur für die bereits erwähnten Aufgaben, sondern auch in die Finanzierung des Gesundheitswesens. Angesichts der aktuellen Entwicklungen, etwa der Demografie, ist dieses daher in den aktuellen Verhandlungen auch eines der heißesten Eisen. „Gemeinden finanzieren nicht unwesentliche Teile mit, haben jedoch keine entsprechenden Mitspracherechte. Die Kofinanzierungsverpflichtungen der Gemeinden bei Pflege und Gesundheit höhlen die Gemeindebudgets auf mittlere Sicht immer mehr aus“, weiß Mitterer. Betrachte man die letzten beiden Finanzausgleichsperioden, seien die Ausgaben der Länder und Gemeinden bis zum Jahr 2019 stärker als jene des Bundes gestiegen. 2020 und 2021 habe der Bund – aufgrund seiner gesetzlichen Verpflichtung – einen Großteil der pandemiebedingten Mehrausgaben getragen.
Sie rät in diesem Zusammenhang eindringlich dazu, sowohl auf Landes- als auch auf Gemeindeebene die Finanzierbarkeit von Gesundheit, aber auch der Pflege, mittelfristig abzusichern. Doch es geht bei den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen nicht nur um die Frage, ob Gemeinden und Länder ein größeres Stück vom Kuchen bekommen sollten, sondern auch darum, ob und wie das Gesundheitswesen reformiert wird. In diesem Zusammenhang hat erst kürzlich Sozialversicherungschef Mag. Peter Lehner die Einbindung der Sozialversicherung in die Verhandlungen zur Gesundheitsreform gefordert. Denn über die Beitragseinnahmen der Sozialversicherung werde nicht nur der niedergelassene Bereich finanziert, sondern auch 42 Prozent der Spitalskosten (6,3 Milliarden Euro). Damit sei die Sozialversicherung einer der Hauptfinanziers.
Der Finanzausgleich sei Lehner zufolge allerdings nicht der richtige Rahmen, um über eine Gesundheitsreform zu sprechen, da es im Finanzausgleich um Budgets und Zuständigkeiten gehe und nicht um eine ganzheitliche, gesundheitspolitische Perspektive. „Eine Gesundheitsreform ist kein Kraftakt im Rahmen des Finanzausgleichs, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der nie abgeschlossen sein wird. Das Gesundheitssystem wird von gesellschaftlichen Veränderungen, neuen Anforderungen und dem medizinischen Fortschritt immer aufs Neue gefordert. Wir brauchen viele Schritte, um das System laufend anzupassen und weiterzuentwickeln“, sagt der Vorsitzende der Konferenz der Sozialversicherungsträger. Eine Absage erteilte er in diesem Zusammenhang der Forderung der Länder nach einer dritten Finanzierungssäule für die Ambulanzen, für die der Bund aufkommen sollte – das System werde Lehner zufolge damit noch komplizierter. Bevor die Länder mehr Geld im Zuge des Finanzausgleichs forderten, sollten sie zunächst einmal darstellen, was sie konkret mit dem Geld machen wollen, trat Lehner für mehr Transparenz ein und schlägt vor, die Kompetenzen für die Spitäler von den Ländern zur Sozialversicherung zu verlagern.
„Wir empfehlen einerseits die Anerkennung der dynamischen Entwicklungen im Finanzausgleich“, so Mitterer. Auch sollten mehr aufgabenorientierte Elemente im Finanzausgleich Anwendung finden. „Andererseits bedarf es entsprechender Strukturreformen sowie langfristiger Lösungen zur Absicherung der Finanzierbarkeit des Gesundheitsbereichs“, sagt dazu die KDZ-Expertin. Immerhin gehe es darum, die Weichen für die Zukunft zu stellen. „Wir brauchen mehr Resilienz auch im Finanzausgleich“, fordert die Expertin. Diese könne dazu beitragen, künftige Krisen im Rahmen der eigenen Autonomie vom Bund, aber vor allem von Ländern und Gemeinden besser abzufedern und mittelfristig die Finanzierbarkeit der Aufgaben, die der jeweiligen Ebene zugeordnet sind, abzusichern. „Man könnte dazu den vertikalen Finanzausgleich unter Berücksichtigung der Ertragsanteile sowie der intragovernmentalen Transfers evaluieren“, rät Mitterer. Eine weitere Möglichkeit sei die dynamische Ausrichtung der Verteilungsschlüssel im Finanzausgleich, indem beispielsweise die Aufgabenveränderungen laufend angepasst würden. Für mehr Resilienz würden darüber hinaus die Stärkung der Abgabenautonomie, verstärkte Anreize für Gemeindekooperationen und -fusionen zur Effizienzsteigerung und nicht zuletzt die Optimierung der Prozesse der mit dem FAG 2017 eingeführten Instrumente zur Effizienzsteigerung sorgen. Die Steigerung der Resilienz ist aber nur eine der Herausforderungen, die angegangen werden sollte. „Das aktuelle Problem ist, dass in den vergangenen Jahren viele Steuermaßnahmen umgesetzt wurden, es dafür aber keine Gegenfinanzierung gibt. Derzeit ist es so, dass die Steuereinnahmen nur halb so stark wachsen wie die Ausgaben – damit entstehen massive Finanzierungslücken, die in den nächsten Jahren schlagend werden“, warnt Mitterer.
Der Finanzausgleich ist insgesamt schon ein komplexes Thema, noch schwieriger machen es die ohnehin wenig transparenten Finanzströme im Gesundheitswesen. Demnach ist im Prinzip der Bund für allgemeine Gesundheitspolitik zuständig, die Sozialversicherung für den niedergelassenen Sektor, Medikament, Medizinprodukte und Reha, die Länder für Spitäler und Pflege. Bei der Finanzierung des Gesundheitssystems setzt Österreich auf eine Mischform aus Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und privaten Ausgaben. Zur Finanzierung des Krankenanstaltenbereichs tragen die Sozialversicherung und die drei Gebietskörperschaften bei. Der Bund übernimmt dabei einen Teil der Finanzierung der neun Landesgesundheitsfonds im Rahmen der 15a-Vereinbarung. „Ziel dieser Vereinbarungen sind die Gewährleistung eines österreichweit gleichwertigen Niveaus der Gesundheitsversorgung mit hoher Qualität, die überregionale Abstimmung der Planung sowie die Sicherstellung einer bundesweit vergleichbaren Dokumentation und Finanzierung des Gesundheitswesens“, so Mitterer. Die im Rahmen der 15a-Vereinbarung festgelegten öffentlichen Mittel werden nach festgelegten Anteilsschlüsseln auf die einzelnen Bundesländer beziehungsweise die dort eingerichteten Landesgesundheitsfonds aufgeteilt. Zusätzlich stellt der Bund direkte Fördermittel für den klinischen Mehraufwand bereit. Weiters werden die Mittel gemäß Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz vom Bund (über die Landesgesundheitsfonds) an die Träger weitergegeben. Die Länder und Gemeinden tragen sowohl im Rahmen der 15a-Vereinbarungen als auch im Rahmen von landesgesetzlichen Regelungen (Abgangsdeckung – Gemeinden im Rahmen der Krankenanstaltenumlage) zur Finanzierung des Krankenanstaltenbereichs bei.
Konkret werden 110 der 268 heimischen Krankenanstalten als Fondskrankenanstalten geführt und somit über neun Landesgesundheitsfonds aus öffentlichen Mitteln finanziert. Diese Krankenanstalten halten dem Sozialministerium zufolge rund 70 Prozent der gesamtösterreichischen Spitalsbetten vor und versorgen rund 87 Prozent der stationären Patienten.
Deutschland und Frankreich wiederum finanzieren nach Angaben der Agenda Austria ihre Gesundheitsausgaben hauptsächlich über die Sozialversicherungsbeiträge. Hingegen stammt in skandinavischen Ländern der größte Teil des Geldes aus Steuern.
Noch während der laufenden Verhandlungen zum Finanzausgleich haben Bundeskanzler Karl Nehammer und Gesundheitsminister Johannes Rauch neue Pläne zur Reform des Gesundheitssystems angekündigt: neue Stellen für Kassenärzte und der Ausbau der Primärversorgung sowie Maßnahmen zur Bevorratung und zum Ausbau digitaler Angebote stehen im Mittelpunkt. Bis 2028 will man dafür zehn Milliarden ins Gesundheitssystem stecken. Derzeit werden noch Details mit den Ländern verhandelt.
Geld allein reicht aber nicht, es braucht Strukturreformen, um das Gesundheitssystem zukunftsfit zu machen. „Die Bereitschaft der Bundesländer ist da“, stellte Rauch dazu fest. Die Reformkonzepte sind laut dem Gesundheitsminister bereits weit gediehen: „Versäumtes nachzuholen, geht leider nicht von heute auf morgen. Umso wichtiger ist es, dass wir wichtige Punkte schnell angehen. Österreichs Gesundheitssystem leistet nach wie vor gute Arbeit, wir müssen jetzt alles tun, damit das auch so bleibt.“