Hirndruck mittels Sehnerv-Ultraschall messen

Schätzungen gehen von 20.000 bis 30.000 Schädel-Hirn-Trauma-Patienten pro Jahr in Österreich aus. Rund 1.000 der betroffenen Personen erleiden ein schwere Form des Traumas und benötigen eine intensive, manchmal lebenslange Behandlung und Betreuung. Ist das Gehirn verletzt, steigt – ähnlich wie bei anderen Verletzungen – der Wassergehalt im Gewebe und das kann zu lebensgefährlichen Komplikationen führen. „Wenn der Druck im Gehirn zunimmt, kann es zu einer Durchblutungsstörung und somit zu einem Sauerstoff- und Nährstoffmangel im Gehirn kommen“, erklärt Prof. Dr. Christof Klötzsch, Leiter der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM), Sektion Neurologie und ergänzt: „Bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma ist die Überwachung des Gehirndrucks – wie auch bei vielen anderen Erkrankungen des Gehirns – entscheidend.“ Dadurch lassen sich bleibende Schäden oftmals abwenden. 
In der Regel messen Neurochirurgen den Druck im Gehirn mit Sonden, die sie in die Schädelhöhle einführen. Dieses Verfahren ist jedoch nicht immer verfügbar und kann zum Beispiel bei Patienten mit Blutgerinnungsstörungen nicht angewendet werden. Ob ein erhöhter Hirndruck vorliegt, kann in vielen Fällen eine Sonografie des „Nervus opticus“, also des Sehnervs, beantworten. „In einer Metaanalyse von sechs Studien, in der die Daten von insgesamt 231 Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma und intrakraniellen Blutungen ausgewertet wurden, zeigte die Technik eine Empfindlichkeit von 90 und eine Spezifität von 85 Prozent“, berichtet Dr. Jochen Bäuerle von der Neurologischen Universitätsklinik Freiburg.

Druckmessung beim Sehnerv

Wie das Gehirn ist der Sehnerv von einer Flüssigkeit, dem Liquor, umgeben. Bei einem erhöhten Hirndruck weicht die Flüssigkeit in Richtung Sehnerv aus. Der Liquorraum um den Sehnerv, die sogenannte Sehnervenscheide, dehnt sich aus. Die Sehnervenscheide stellt somit ein „Fenster“ zu den Druckverhältnissen im Schädel dar. „Normalerweise ist die Sehnervenscheide an der Messstelle zwischen fünf und sechs Millimeter weit. Bei erhöhtem intrakraniellem Druck nimmt die Weite der Sehnervenscheide zu“, erläutert Bäuerle.
Bei der Untersuchung wird der Schallkopf bei geschlossenem Auge seitlich aufgesetzt. Für die Patienten ist die Untersuchung ungefährlich und kann mehrfach wiederholt werden. Die Methode eignet sich deshalb auch gut für Verlaufskontrollen. „Bei einer Entlastung oder einem Anstieg des Drucks werden Veränderungen rasch sichtbar“, so Bäuerle. Außerdem kann das kostengünstige Verfahren am Patientenbett durchgeführt werden. In Kanada wird derzeit in der sogenannten MOONSTRIP-Studie untersucht, ob durch regelmäßige Untersuchungen der Sehnervenscheide nach Schädel-Hirn-Verletzungen aufwendige computertomografische Kontrolluntersuchungen vermieden werden können.
Doch das Anwendungsspektrum der Opticus-Sonografie geht über die Diagnostik beim Schädel-Hirn-Trauma hinaus. Auch bei Patienten mit Hirnhautentzündungen, Hirnblutungen und -tumoren muss der Druck stetig gemessen werden. „Wir können das Verfahren auch bei Patienten mit Pseudotumor cerebri einsetzen“, meint Bäuerle. Diese Patienten leiden unter Kopfschmerzen, weil ihr Hirndruck ohne erkennbare Ursache erhöht ist. Die Behandlung besteht in regelmäßigen Lumbalpunktionen zur Entnahme von Hirnwasser. Und auch bei Menschen, die an einem verminderten Hirndruck erkrankt sind, weil unbemerkt Hirnwasser durch ein Leck der Hirnhaut austritt, sei der Einsatz denkbar.
Klötzsch ist überzeugt, dass die Opticus-Sonografie in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird. „Bei Patienten, bei denen eine Schädelöffnung kontraindiziert ist, oder in Situationen, in denen kein Neurochirurg verfügbar ist, liefert das Verfahren wichtige Informationen“, so der DEGUM-Experte.

 

Literatur: Jochen Bäuerle, Max Nedelmann
B-mode sonography of the optic nerve in neurological disorders with altered intracranial pressure
Perspectives in Medicine 2012; 1: 404-407.
J. U. Harrer, J. Eyding, M. Ritter, U. Schminke, G. Schulte-Altedorneburg, M. Köhrmann, M. Nedelmann, F. Schlachetzki
Neurosonografie in der neurologischen Notfall- und Intensivmedizin: Monitoring des erhöhten intrakraniellen Druckes, Hirntoddiagnostik und Untersuchung der zerebralen Autoregulation – Teil 2
Ultraschall in der Medizin 2012; 33(4): 320-336, Thieme Verlag Stuttgart

Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin
MOONSTRIP-Studie