Ich bin ein „Early-stage Start-up Investor“. In unsere Sprache kann man das schwer übersetzen, aber am ehesten noch mit „Frühphasen-Risikoinvestor“. Das bedeutet, ich investiere in Menschen und ihre Ideen, lange bevor es ein funktionierendes Geschäftsmodell gibt. Dafür braucht es sehr kluge, innovative und letztendlich auch risikobereite Gründer. Einige dieser Persönlichkeiten kommen aus Österreich und fühlen sich hier an diesem Wirtschaftsstandort wohl. Einige verlassen Österreich, meist weil sie einerseits in die Richtung ihrer Kunden oder Investoren ziehen, oft in die USA. Natürlich ist unser Kapitalmarkt überschaubar, man sehe sich nur unsere Börse an. Andererseits zieht es auch viele Gründer und Mitarbeiter von Gründern nach Österreich – unsere Beteiligungsfirmen in Österreich ziehen Menschen aus der ganzen Welt an. Diese Menschen kommen zu uns, weil wir die höchste Lebensqualität haben, hervorragende und leistbare Kindergärten, Schulen und Universitäten für ihre Kinder. Wir haben sehr hohe Steuern, aber dafür exzellente Infrastruktur und Gesundheitsversorgung. Ich denke, in unserem Sektor der innovativen digitalen Dienstleistungen fehlt zur absoluten Attraktivität eigentlich nur eine tiefergreifende Reform der Regulatorien und noch mehr Anreize, Kapital für junge Unternehmen zur Verfügung zu stellen, ähnlich dem, was es zum Beispiel schon in Großbritannien gibt.
Man wird sehen, ob den Ankündigungen Taten folgen. Es braucht jedenfalls neben der Arbeitszeitflexibilisierung eigentlich eine Reform des Arbeitsrechts, der Gewerbeordnung und darauf aufbauend der Kollektivverträge. Ich hoffe auch auf eine Steuerreform, die mehr Anreize für Risikokapitalfinanzierungen schafft. Das britische System unterstützt neben staatlichen Förderungen, die direkt an Start-ups fließen, auch die Investoren. So ist zum Beispiel (S)EIS eine Förderung der britischen Regierung für Frühphasen-Risiko-Kapitalgeber. Es hat einige spezifische Regeln, wer sie befolgt, erhält eine wesentliche Reduktion des finanziellen Risikos und zahlt keine Steuer auf Gewinne aus solchen Finanzierungen. Das führte zu einem großen Anstieg der Investitionen von nicht-institutionellen Investoren.
Der aktuelle Fonds „Speedinvest 2“ hat weit über 100 Investoren. Die meisten kommen selbst aus Unternehmen und beschäftigen sich schon lange mit Innovation. Wahrscheinlich sind wir nicht nur ein finanzielles Investment, sondern auch ein emotionales. Unsere Investoren wollen auch dabei sein, wenn die Welt nachhaltig verändert wird – wenn auch in vielen kleineren Schritten. Aber auch die institutionellen Investoren schätzen unsere Arbeit. Viele haben ja schon hier und dort selbst versucht, direkt in Start-ups zu investieren und das mit unterschiedlichem Erfolg. Diese Investoren sind mir am liebsten, die wissen, dass dahinter harte Arbeit steckt, auch wenn es nach außen oft nicht danach so wirkt.
Österreich ist extrem innovativ. Vor ein paar Tagen habe ich mit einem Gründer gesprochen, der auf der Montanuniversität studiert hat und nun ein Unternehmen gegründet hat, das eine Softwarelösung für den komplexen Prozess von Öl- und Gas-Bohrungen entwickelt. Wir haben exzellente Gründer im Fintech-Bereich, im Health-Bereich, aber auch im Tourismus und Dienstleistungsbereich. Die Verlagerung auf bestimmte Branchen ist eher den internationalen Trends geschuldet, als dass das lokale Veränderungen wären.
Die Frage muss lauten: Was motiviert die Gründer der Start-ups? Ich investiere nicht in jene, die vordergründig reich werden wollen, sondern in jene, die ein Problem lösen wollen, die die Welt ein Stück weit durch digitale Lösungen verändern wollen. Da geht es auch ganz stark um Empowerment und um eine sogenannte Demokratisierung von Information, insbesondere im Health-Bereich. Ich arbeite sehr eng mit „meinen“ Gründern zusammen. Diese intensive Auseinandersetzung motiviert mich, aber sicher auch die Gründer. Das sind starke Persönlichkeiten, die Herausforderungen nicht aus dem Weg gehen, sondern regelrecht darauf zugehen. Wenn ich es also schaffe, sie nicht nur zu fördern, sondern auch zu fordern, dann motiviert sie das hoffentlich zu Höchstleistungen.
Wir sehen immer mehr Start-ups, die auf der Digital-Health-Welle schwimmen, und machen dort bereits 10 % aller Investments. Ich würde den Health-Bereich unbedingt in drei Kategorien unterscheiden: Life-Sciences/Pharma, Medizintechnik und Digital-Health-Lösungen, zu Letzteren gehören auch die Datenlösungen. Österreich ist in allen drei Kategorien stark, aber den größten Hebel haben wir ganz klar bei den digitalen Lösungen.
Rechtliche Rahmenbedingungen sind nicht grundsätzlich schlecht, insbesondere wenn sie für alle gelten. Dass neue Regularien nicht nur auf Trends reagieren, sondern es auch eine Zeit braucht, bis sich der Markt darauf eingestellt hat, ist nichts Neues. Dort, wo es Engpässe gibt und der Markt versagt, muss aber schneller eingegriffen werden. Ein guter Gründer findet aber einen Weg, egal wie hoch die Hürden sind.
Wohin die Reise geht, wird stark von den politischen Entscheidungen der nächsten zwölf Monate abhängen. Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann weniger Aufmerksamkeit auf einige wenige Problemfälle im Zusammenhang mit der Migration, sondern die aktive Kommunikation von positiven Beispielen. Ohne die vielen Talente, die aus der ganzen Welt zu uns kommen wollen, werden wir in diesem Sektor nicht erfolgreich sein können!