Versorgung | Im Gespräch mit …… Mag. pharm. Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr

Was sind bis jetzt für Sie die wichtigsten Learnings aus den letzten Monaten im Zeichen der Pandemie?

Mursch-Edlmayr: Menschen brauchen Halt und einen vernünftigen Plan, das Vertrauen ist in der Krise die wichtigste Währung. Gesundheit ist und bleibt persönliche Verantwortung und auch öffentliche Aufgabe. Gesundheit muss im Mittelpunkt öffentlicher Handlungen stehen und für gute Gesundheitssysteme muss entsprechend Geld in die Hand genommen werden. Auf der konkreten Handlungsebene wird uns weiterhin ein striktes Organisations- und Hygienemanagement begleiten müssen, das heißt, Abstand halten, Hände waschen und Mund-Nasen-Schutz tragen muss gelebter Alltag sein.
Das österreichische Gesundheitssystem konnte den Anforderungen mehr als gerecht werden. Zahlen, Daten und Fakten innerhalb der EU beweisen das. Als Teil der kritischen Infrastruktur bilden die Apotheken einen essenziellen Bestandteil des heimischen Gesundheitswesens. Im Laufe der Krise wurde und wird immer mehr ersichtlich, dass Apotheker höchste Kompetenz besitzen. Sie sind primäre Gesundheitsdienstleister und spielen als stabilisierende und unverzichtbare Erstanlaufstelle eine wichtige Rolle in den Bereichen Arzneimittellogistik und Regulatorik.

Welchen Stellenwert hatte das Schnittstellenmanagement zwischen Arzt und Apotheke?

Nachdem sich das papierlose Rezept in der E-Medikation während der „heißen“ Corona-Phase als Krisenprovisorium bestens bewährt hat, gilt es, dieses nun zu optimieren und aus rechtlicher und technischer Sicht die Idee alltagstauglich zu machen.

Gab es Engpässe in der Versorgung mit Medizinprodukten?

Es gab und gibt Lieferengpässe bei Arzneimitteln und Medizinprodukten. Für die bestehenden Engpässe gilt: Mehr als 95 % können von den Apothekern direkt vor Ort im Sinne der Patienten gelöst werden.

Gibt es für die Apotheken Pandemiepläne?

Es gibt einen allgemeingültigen Pandemieplan auf Bundesebene. Als kritische Infrastruktur hat die Apothekerschaft interne Vorkehrungen getroffen, dass Apotheken immer, besonders in extremen Krisensituationen, geöffnet und einsatzbereit bleiben.

Wie werden die Auswirkungen der Pandemie das Gesundheitssystem Ihrer Einschätzung nach mittel- bis langfristig belasten?

Das Gesundheitssystem ist durch die Pandemie stark belastet. Es gibt fehlende Einnahmen in allen Bereichen und es gibt unsichere medizinische Prognosen. Zur ursprünglich rein gesundheitspolitischen Relevanz dieser Tatsache treten jetzt auch schwerwiegende wirtschafts- und sozialpolitische Aspekte.

 

Die 5 Top-Maßnahmen
  1. Die Rolle der Apotheken als zentrale Versorgungsstufe in der ­Architektur des österreichischen Gesundheitssystems fix verankern.
  2. Digitalisierungsprozesse (E-Medikation, E-Rezept, Telemedizin) ­vorantreiben.
  3. Anreize für Produktion und Lagerung von Rohstoffen, Arzneimitteln und Medizinprodukten in Europa schaffen, um Produktverknappungen und Abhängigkeiten zu reduzieren.
  4. Innovation und Forschung international akkordiert intensivieren.
  5. Ein vernetztes interdisziplinäres Arbeiten unter Miteinbeziehung nicht-­medizinischer Gesundheitsberufe in die Basisversorgung ermöglichen.