Forscher eines internationalen Projekts möchten auf Basis der Einzelzellanalyse die Tumorbiologie des Brustkrebses besser verstehen, aber auch dazu beitragen, individuelle Tumortherapien im klinischen Alltag zu etablieren. DI Dr. Thomas Kroneis, Institut für Zellbiologie, Histologie und Embryologie der Medizinischen Universität Graz, leitet derzeit als Gast an der Universität Göteborg die Forschungseinheit für Einzelzellanalyse.
Der optimale Therapieverlauf – individuell zugeschnitten auf den einzelnen Patienten – soll Brustkrebs kalkulierbarer machen und so Leben retten. Personalisierte Medizin gilt als Schlüssel zum Ziel. „Von personalisierter Medizin erwarte ich mir tatsächlich zumindest zwei Verbesserungen“, bestätigt Kroneis. „Einerseits eine besser abgestimmte Diagnostik bzw. Therapiemöglichkeit für den einzelnen Tumorpatienten und andererseits die Möglichkeit einer therapiebegleitenden Kontrolle. Beides basiert auf derselben Idee, nämlich zirkulierende Tumorzellen aus dem Blut von Patienten zu gewinnen.“
Wird eine über das derzeitige Maß hinausgehende Anzahl an Markern bzw. Faktoren erhoben, zum Beispiel tumorauslösende und tumorfördernde Veränderungen in Genom, RNA und/oder Proteinen, ist es möglich, eine bessere Entscheidung bezüglich der anzuwendenden Therapie zu treffen. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil Tumore an und für sich sehr unterschiedlich sind – nicht nur in verschiedenen Krebsarten, sondern auch innerhalb einer Krebsentität. Selbst in ein und demselben Patienten werden häufig Unterschiede entdeckt, zum Beispiel zwischen Primärtumor und Metastasen. Zudem kommt es zu zeitlichen Veränderungen des Tumors innerhalb eines Patienten „Diese Unterschiede kann eine Krebstherapie, die nicht zwischen Patienten, betroffenen Geweben und Organen unterscheidet oder zeitliche Verläufe in Betracht zieht, gar nicht adressieren“, erklärt Kroneis.
Zirkulierende Tumorzellen können jedoch auch zur Therapiekontrolle verwendet werden, indem ihr Effekt anhand der Einzelzellanalyse überprüft wird. „Der Vorteil hier besteht nun darin, dass Blutabnahmen keinen großen Eingriff darstellen und diese ‚liquid biopsy‘ mehrfach durchgeführt werden kann“, so Kroneis. „So gewinnt man Schnappschüsse der jeweiligen Tumorsituation im Blut und muss nicht jedes Mal operieren, wenn eine Kontrolle durchgeführt wird.“ Neben dem erleichterten Gewinnen von Probenmaterial ist dafür auch die gängige Idee der Tumorstreuung relevant, die davon ausgeht, dass Tumorzellen aus dem Primärtumor über das Blut streuen und so Metastasen bilden. „Mit der Untersuchung des Blutes liegen wir also genau auf dem Weg, den der Tumor in Richtung Metastase zurücklegen muss. Das Problem des Krebspatienten sind zudem eher die Metastasen als der Primärtumor“, ergänzt Kroneis.
Die Einzelzellanalyse hat enormes Potenzial – die Forscher versuchen zu erfahren, wie die Informationen, also unter anderen zirkulierende Tumorzellen, möglichst umfassend gewonnen und analysiert werden können, sodass sich daraus Therapieentscheidungen und Überwachung realisieren lassen. Derzeit macht die Isolation der Zellen noch Kopfzerbrechen, sagt Kroneis, denn sie sind selten, veränderbar und somit schwierig zu identifizieren. „Auch die Frage, welche der zirkulierenden Tumorzellpopulationen für die Entstehung von Metastasen infrage kommt, ist alles andere als geklärt.“ Vereinzelt gibt es aber vielversprechende Ansätze. Für die Zukunft hofft der Forscher, dass tödliche Krebserkrankungen zumindest in chronische Erkrankungen abgeschwächt werden können. „Ein möglicher Schritt in diese Richtung wäre das Monitoring, um rechtzeitig einen Therapiewechsel vornehmen zu können – allerdings immer unter der Auflage, dass es dafür eine wirksame Therapie gibt“, sagt Kroneis abschließend.