In Österreich werden pro Jahr rund 160.000 Patienten aufgrund eines Traumas im Krankenhaus aufgenommen, ein bis zwei Prozent dieser Patienten erliegen ihren Verletzungen. Die frühe Mortalität eines Polytraumas (< 48 Stunden) wird durch die sogenannten „First Hits“ wie Organverletzungen, Hypoxie, Hypovolämie oder Schädel-Hirntrauma bestimmt. Abhängig von der Schwere und Art der Verletzung kommt es in weiterer Folge zu einer generalisierten proinflammatorischen Reaktion des Immunsystems, dem „Systemic Inflammatory Response Syndrome“ (SIRS, siehe auch Tabelle).
Ein SIRS kann durch die übermäßige Ausschüttung von immunologischen Botenstoffen zu Schäden an Organen führen, die primär gar nicht vom Trauma betroffen waren und in weiterer Folge zu einem Multiorganversagen (MOF) oder einem „Acute Respiratory Distress Syndrom“ (ARDS) führen. Der initialen Aktivierung des Immunsystems folgen eine antiinflammatorische Phase und eine Immunsuppression, das sogenannte CARS (Compensatory Anti-inflammatory Response Syndrome), in dieser Phase hat der Patient ein hohes Risiko für Infektionen oder eine Sepsis. Sogenannte „Second Hits“ wie Ischämie- und Reperfusionsschäden, Infektionen oder ausgedehnte Operationen könnten ebenfalls eine SIRS/CARS Kaskade auslösen oder verstärken.
Die Therapie von SIRS, Sepsis und MOF beim Polytrauma orientiert sich an den allgemeinen Behandlungsrichtlinien unter Berücksichtigung der speziellen Situation des Polytraumapatienten (geplante Operationen, Gerinnungssituation). Eine generelle Antibiotikaprophylaxe wird nicht durchgeführt. Ausnahmen sind offene Frakturen, Verletzungen des Magen-Darm-Trakts, penetrierende Thoraxtraumen und geplante Operationen. Alle weiteren Verletzungen richten sich danach, ob eine Infektion wahrscheinlich ist, wie zum Beispiel bei Bissverletzungen oder Verletzung durch verunreinigte Gegenstände.
NACHGEFRAGT BEI…
… Prim. Univ.-Prof. Dr. Herbert Resch, Vorstand der Universitätsklinik für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie des Universitätsklinikums Salzburg
Das Problem beim Polytrauma ist, dass die Verletzung zur Erkrankung und zum Teil eines systemischen Geschehens wird. Das Hauptproblem ist die Entwicklung eines ARDS, das um den vierten oder fünften Tag auftreten kann. Folge dieses immunologischen Schockzustands kann dann auch eine erhöhte Infektanfälligkeit sein.
Im Grunde unterscheidet sich der Polytraumapatient hinsichtlich der antibiotischen Behandlung nicht von anderen Patienten, wobei bestimmte Verletzungen wie penetrierende Verletzungen eine Besonderheit darstellen. Diese müssen ohnehin chirurgisch behandelt werden und benötigen damit eine Antibiotikaprophylaxe. Auch Verbrennungen neigen in weiterer Folge zu Infekten. Beim klassischen Polytrauma steht der vorübergehende Einbruch des Immunsystems im Vordergrund, mit der gefürchteten Folge eines ARDS, hier sollte man Antibiotika geben. Im OP und auf der Intensivstation werden die allgemeinen Hygienemaßnahmen eingehalten, da gibt es keine Besonderheiten.