Wo gab es für Sie auffällige Veränderungen zur letzten Studie?
Die letzte Studie aus dem Jahr 2020 war stark von der damals noch „jungen“ Covid-19-Pandemie und ihren Auswirkungen geprägt. Dominierende Themen waren damals Versorgungssicherheit und (Standort-)Resilienz bzw. die Stabilität von Lieferketten und weltweite Abhängigkeiten. Im Rahmen der aktuellen Studie stand insbesondere das Themenfeld Innovation im Mittelpunkt.
Was im Zuge eines Vergleichs deutlich wird und sich definitiv nicht verändert hat: Einmal mehr zeigt die gegenständliche Analyse, wie bedeutsam die heimischen Medizinprodukte-Unternehmen für ein innovatives und qualitativ hochwertiges Gesundheitssystem, aber auch für ein vitales bzw. resilientes volkswirtschaftliches Gesamtsystem sind. Die Branche hat sich im letzten Jahrzehnt – gemessen am Umsatz – überdurchschnittlich entwickelt und sich auch in Krisenzeiten resilient gezeigt. Die nahezu unveränderten Multiplikatoren der volkswirtschaftlichen Analyse belegen eine stabile und heterogene Vernetzung in der heimischen Wirtschaft.
Nicht verändert hat sich auch die Tatsache, dass sich Medizinprodukte-Unternehmen in einem stark regulierten und hoch komplexen Marktumfeld bewegen – von der Zulassung bis zur Kostenerstattung. Unverändert bestehen geblieben sind die zahlreichen Herausforderungen der Branche betreffend wichtige Rahmen- und Wettbewerbsbedingungen. Themenfelder wie Zulassungsbedingungen, Benannte Stellen oder teils intransparente und unflexible Erstattungssysteme sind nach wie vor von zentraler Bedeutung für die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Branche. Die Dringlichkeit dieser Themen hat sich über die vergangenen Jahre noch verstärkt. Es geht hier vor allem um Transparenz sowie Planungs- und Investitionssicherheit. Gerade Letztere ist in einem international schwieriger werdenden Marktumfeld von immer größerer Bedeutung für die Unternehmen und von hoher Standortrelevanz.
Auch der prägende Einfluss von Wandlungsprozessen hat sich nicht verändert, sogar verstärkt. Der digitale Wandel hat weiter an Tempo gewonnen, Aspekte der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes spielen mittelfristig eine zunehmende Rolle.
Ist das Erstattungssystem förderlich oder hinderlich für Innovationen?
Auch Systeminnovationen, wie etwa eine Veränderung der Erstattungsregeln, können Innovationen im Bereich der Medizinprodukte erheblich begünstigen oder auch behindern. Der Gesetzgeber kann als Innovationstreiber fungieren und Anreize setzen, um etwa die Implementierung neuer, digitaler Lösungen voranzutreiben. Am Ende kommen Innovationen ja nicht nur den Patienten und Anwendern zugute, sondern können langfristig auch einen erheblichen volkswirtschaftlichen Nutzen bringen und Kosten im System einsparen.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die großen Herausforderungen für die Branche?
Medizinprodukte-Unternehmen durchleben derzeit, wie viele anderen Branchen auch, sehr herausfordernde Zeiten im Zeichen des Wandels. Vor diesem Hintergrund gilt es für die Unternehmen, wirtschaftlich erfolgreich und innovativ zu bleiben. Ihre Innovationsdynamik aufrechtzuerhalten sehe ich als wichtigsten Aspekt, aber auch als größte Herausforderung für die mittelfristige Zukunft.
Bürokratie, intransparente Systeme sowie Planungs- und Investitionsunsicherheiten werden gerade auch im Zuge von Innovationsaktivitäten immer mehr zum Hindernis und bremsen Innovation. Der Gesamtprozess von Innovation im Medizinprodukte-Bereich hat in den letzten Jahren deutlich an Komplexität, Kosten- und Ressourcenintensität sowie Dauer zugenommen. Insbesondere die Auswirkungen der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) stellen die Branche hier derzeit vor große Herausforderungen. Die MDR hat das Innovationsklima nicht nur in Österreich, sondern im ganzen EU-Raum deutlich eingetrübt. Flankiert wird diese Situation von starkem Kosten-, Preis- und Wettbewerbsdruck in Europa oder auch der Herausforderung, qualifizierte Mitarbeiter zu finden.
Es besteht also für die kommenden Jahre kein Mangel an Herausforderungen. Die Unternehmen, insbesondere auch Klein- und Mittelbetriebe, werden mehr denn je gefordert sein, mit entsprechenden Anpassungsleistungen und innovativen Anstrengungen ihre Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die großen Chancen für die Branche?
Innovationen in ihrer ganzen Bandbreite sind ja wesentliche Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit von Unternehmen, das heißt auch für die Medizinprodukte-Branche. In ihrem Zusammenhang müssen von den Unternehmen Chancen realisiert bzw. dynamische Anpassungsleistungen, unter anderem bei der Digitalisierung und Nachhaltigkeit, bewältigt werden – im eigenen Unternehmen und über die Unternehmensgrenzen hinweg.
Die Umsetzung von innovativen Produkten und Prozessen für ein sich wandelndes – aber auch für ein von Pflegenotstand und Ärztemangel geprägtes – Gesundheitssystem bietet Chancen, die es verstärkt zu realisieren gilt. Potenziale sind vor allem hinsichtlich beschleunigter Arbeitsabläufe oder vertiefender Datenanalysen zu sehen. Prozessinnovationen, die den Alltag von Patienten und Anwendern erleichtern, Arbeitsprozesse verbessern und Ressourcen schonen, sind beispielsweise ein wesentliches Chancenfeld. Die besondere Nähe der Branche zu den Anwendern kann in diesem Zusammenhang als Stärke ausgespielt werden. Auch unternehmensintern müssen Chancen genutzt werden, Prozessverbesserungen in Wettbewerbsvorteile umzumünzen.
Neben der Kreativität und dem Einsatz der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter ist ein innovations- und wettbewerbsfreundliches sowie -förderndes Umfeld notwendig, welches Ausdruck eines politischen und gesellschaftlichen Klimas ist. Aktuell müssen Chancen somit auch vonseiten der Politik realisiert werden. Es braucht ein langfristiges und nachhaltiges Bekenntnis zu einem qualitativ hochwertigen und innovativen Gesundheitssystem sowie zu einem starken und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort Österreich und Europa.