Intrakranielle Blutungen: Time is brain!

Die Inzidenz aller Blutungen innerhalb des Schädels liegt bei ca. 30-40/100.000 Einwohnern/Jahr. Intrakranielle Blutungen werden unterteilt in Blutungen ins Hirnparenchym selbst (intrazerebrale Blutung), Blutungen in die inneren Liquorräume (Intraventrikulärblutung) oder in die durch Hirnhäute begrenzten Kompartimente (Epidural-, Subdural-, Subarachnoidalblutung). Vor allem schweren Subarachnoidalblutungen gehen in bis zu 40 % der Fälle kleinere „Warnblutungen“ mit geringeren Symptomen voraus.
Generell ist die Symptomatik einer Hirnblutung meist dramatischer als die einer zerebralen Ischämie. Intrazerebrale Blutungen verursachen jedoch oft ähnliche Symptome. Ursächlich sind meist, besonders in höherem Lebensalter, hypertensiv bedingte Gefäßläsionen (Rhexisblutungen), gefolgt von Amyloidangiopathie, Einblutungen in Tumore (v. a. Melanom) und in Ischämieareale, oder Gefäßmalformationen (arteriovenöse ­Malformationen, Cavernome, manchmal auch Aneurysmen). Besonders hervorzuheben ist die iatrogen bedingte Intrazerebralblutung durch Antikoagulantien, vor allem bei deren Überdosierung. „Bezüglich neurochirurgischer Blutungsentleerung haben die aktuellsten Studien entgegen allen Erwartungen gezeigt, dass eine neurochirurgische Therapie nur bei sehr ausgewählten Fällen sinnvoll ist“, gibt Priv.-Doz. Dr. Camillo Sherif, Facharzt für Neurochirurgie im Krankenhaus Rudolfstiftung Wien, zu bedenken.

 

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Epiduralblutung

Die akute Epiduralblutung ist eine Blutung zwischen Schädelknochen und Dura mater. In bildgebenden Verfahren erkennt man sie an der eher konvexen Form. Sie entsteht meist durch ein Trauma mit Fraktur der Schädeldecke. Beim arteriellen Epiduralhämatom reißen die innen auf dem Schädelknochen liegenden arteriellen Gefäße. Typischerweise folgt ein für Minuten bis Stunden symptomarmes oder symptomfreies (sog. luzides) Intervall – das aber auch komplett fehlen kann. Inzwischen schreitet die Blutung fort und drückt das Gehirn zunehmend nach innen. Ohne rasche Versorgung kommt es zu Bewusstlosigkeit und Pupillenerweiterung und letztlich zum Tod durch Hirnstammeinklemmung. „Bei rascher neuro- oder unfallchirurgischer Versorgung bestehen jedoch ausgezeichnete Chancen auf Kompletterholung“, erklärt Sherif.

Subdurale Blutungen

Subdurale Blutungen – zwischen Dura mater und Arachnoidea – bilden im CT eine konkave Form. Das akute Subduralhämatom, meist traumatischer Genese, ist eine hochgefährliche hyperakute neuro- oder unfallchirurgische Pathologie: Bei relevanter Raumforderung und verzögerter Versorgung besteht eine Mortalität von bis zu 70 %. Im Gegensatz dazu sind chronische Subduralhämatome relativ ungefährlich. Sie entstehen durch leichte Schädel-Hirn-Traumata nach ein bis zwei Wochen, wobei in der Hälfte der Fälle gar kein Trauma zu eruieren ist. Hohes Alter, Äthylismus, Diabetes und Gerinnungshemmung begünstigen die Entstehung. Die im Alter physiologische Hirnvolumenminderung führt zu einem Zug an den Brückenvenen, die bereits durch leichte Traumen beschädigt werden können. Der Abfluss des Blutes über die Brückenvenen wird durch das Subduralhämatom behindert, sodass es zusätzlich zu einer venösen Einblutung in den darüberliegenden Hirnteil kommen kann. Diese Blutung kann, falls raumfordernd, über eine einfache Bohrlochtrepanation entlastet werden. „Die Prognose ist dann ausgezeichnet“, weiß Sherif.

Subarachnoidalblutung

Bei einer Subarachnoidalblutung (SAB) kommt es zur Einblutung in die Liquorräume unterhalb der Arachnoidea. Diese äußerst gefährliche Form der Hirnblutung kann in jedem Lebensalter auftreten. Meist entsteht sie durch Ruptur eines Aneurysmas der basalen Hirnarterien. „Leitsymptom ist ein plötzlicher peitschenschlagartiger Kopfschmerz mit Übelkeit und Erbrechen. Trotz bester medizinischer Versorgung beträgt die Gesamtmortalität bei Subarachnoidalblutungen weiterhin bis zu 40 %“, warnt Sherif und erklärt: „Neurochirurgische Erstmaßnahme ist der möglichst rasche Verschluss des Aneurysmas mittels Clipping oder durch ein Auffüllen mit kleinen Titanspulen, das sogenannte ‚coiling‘, über die Leistenarterie.“

„Hot Spot“:Schockraum
Die Behandlung von schwer- und mehrfachverletzten Personen ist eine der größten Herausforderungen der Unfallchirurgie. In Zukunft soll es dafür in Österreich ein neues Versorgungsmodell geben, das von den Unfallchirurgen erarbeitet wird.
In Österreich ereignen sich pro Jahr etwa 824.000 Unfälle (Straßenverkehr, Freizeit- und Arbeitsunfälle), was zu rund 163.000 stationären Aufenthalten in Spitälern führt. „Wir sehen tiefgreifende Veränderungen auf uns zukommen“, erklärt der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie (ÖGU), Dr. Andreas Pachucki, Primar am Landesklinikum Mostviertel in Amstetten. „Die Fachgebiete Unfallchirurgie und Orthopädie werden zu einem neuen Facharzt zusammengeführt, was neue Ausbildungsformen und -wege zur Folge hat. In der unfall­chirurgischen Praxis ist die Einführung und Etablierung von abgestuften Versorgungssystemen für Polytrauma­patienten in Form von Traumanetzwerken unabdingbar“, so Pachucki.
Aktuell wird in Salzburg ein neues, flächendeckendes Versorgungsmodell – ein sogenanntes „Traumanetzwerk“ – ausgearbeitet, das im Kern eine schnelle und effiziente Kommunikation und Organisation eines schwerverletzten Patienten sicherstellen soll. Dazu müssen alle unfallchirurgischen Abteilungen aller Spitäler klassifiziert und nach Kapazitäten und Einsatzfähigkeiten kategorisiert werden. Daraus ergibt sich ein Modell von lokalen, regionalen und überregionalen Spitälern, die jeweils – gemäß Schweregrad einer Verletzung – für die Versorgung und Behandlung infrage kommen. Das Salzburger Traumanetzwerk gilt als Vorreiter der koordinierten und zertifizierten Schwerverletztenversorgung und ist nach dem Vorbild der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) ins Leben gerufen worden. Derzeit nehmen sieben Kliniken am Traumanetzwerk teil.
Festgelegte Abläufe sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Überleben der Patienten und haben in den vergangenen Jahren die Sterberate erheblich gesenkt, wie auch eine vor Kurzem veröffentlichte Studie zeigt: Unfallchirurgen des Uniklinikums Essen haben Informationen über rund tausend Polytraumapatienten ausgewertet, die von 2002 bis 2011 bei ihnen erstversorgt worden waren. Bemerkenswert sind dabei vor allem zwei Ergebnisse: Nach Einführung der „S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung“ der DGU im Jahr 2011 sank die Sterberate der Patienten, die das Krankenhaus lebend erreichten, nahezu um die Hälfte. „In der Leitlinie finden sich Empfehlungen, die von der Zusammensetzung der Schockraumteams über die Größe und Lage der Räume bis zu detaillierten Hinweisen für die Untersuchung und Behandlung der Patienten ­reichen“, erklärt Dr. Reinhard Hoffmann, Generalsekretär der DGU. Außerdem weisen die Mediziner einen statistischen Zusammenhang zwischen der Zunahme computertomografischer Ganzkörperuntersuchungen und der Abnahme der Sterberate nach.