Forschung und Innovation sind untrennbar miteinander verbunden und die Grundlage für Zukunftsvorhaben. Warum es einen offenen Diskurs dazu geben muss, erklärt Univ.-Prof. DI Dr. Reingard Grabherr, Leiterin des Instituts für Molekulare Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur.
Welche Rolle spielt universitäre Forschung im Hinblick auf Innovation?
Universitäre Forschung spielt in dieser Hinsicht eine sehr große und wichtige Rolle, einerseits entstehen an den Universitäten grundlegende Forschungserkenntnisse, aber auch im angewandten Bereich kommen sehr viele Innovationen aus den Universitäten in die Industrie. Es gibt unzählige Kollaborationen zwischen Universitäten und Unternehmen, gerade im Bereich der medizintechnischen und pharmazeutischen Produkte. Dabei geht es oft um die Entwicklung neuer Medikamente und Behandlungen, aber auch um verbesserte Herstellungsverfahren von leistbaren und qualitativ hochwertigen Produkten. In Zukunft muss man bei den Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sicherlich mehr darauf achten, nachhaltig und möglichst ressourcenschonend zu produzieren. Um bei Gas-, Strom- und Wasserverbrauch effizienter zu werden, müssen neue und innovative Konzepte entwickelt und umgesetzt werden. Dafür braucht es die Grundlagen- sowie die angewandte Forschung.
Wo sehen Sie in Österreich Hürden für die universitäre Forschung?
In erster Linie bei den mangelnden Fördergeldern, im Bereich der Grundlagenforschung aber auch bei der Translation in die angewandte Forschung. Es gibt hierzulande sehr viele exzellente Forschungsgruppen, an allen Universitäten, leider reichen die staatlich geförderten Mittel nicht für alle aus. Das führt auch dazu, dass Karrieremöglichkeiten für junge Wissenschaftler an den Universitäten nur sehr begrenzt oder gar nicht vorhanden sind. Viele Nachwuchswissenschaftler gehen in Ausland, wo es bessere Chancen und mehr finanzielle Mittel gibt. So verlieren wir gut ausgebildete Experten.
Wo sehen Sie in Österreich Chancen für die universitäre Forschung?
Am ehesten im Bereich der Technologieentwicklung. Namhafte Firmen haben in den letzten Jahren sehr viel Geld in ihre Standorte in Wien und Umgebung investiert, weil die Forschung und Ausbildung an den österreichischen Universitäten im Bereich Medizin und Biotechnologie sehr gut ist und genügend hochqualifizierte Fachkräfte rekrutiert werden können.
Welche konkreten Änderungswünsche haben Sie, um die Rahmenbedingungen zu optimieren?
Insbesondere Karrieremodelle für junge Wissenschaftler gehören installiert und entsprechende Positionen zur Verfügung gestellt. Man müsste die Positionen auch attraktiver machen und mit Sachmitteln und Personal ausstatten.
Ist die Gesellschaft durch die Corona-Krise innovations- und wissenschaftsfreudiger geworden und wie schätzen Sie die Innovationsfreudigkeit hierzulande insgesamt ein?
Ich denke, die Krise hat Medizinprodukte-Hersteller wissenschafts- und innovationsfreudiger gemacht. Sie suchen aktiver universitäre Forschungspartner und investieren Geld in neue Ideen. Die Nachfrage ist sehr groß, da wir wissen, dass wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten im Gesundheitssektor eine Reihe neuer Herausforderungen bewältigen müssen. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schnell Krisen entstehen und wie lange es dauern kann, diese in den Griff zu bekommen. Die Gesellschaft in Österreich selbst scheint nicht innovations- oder wissenschaftsfreudiger geworden zu sein, einerseits verwenden wir täglich Produkte, die es ohne Technologieentwicklung und Forschung nie geben würde, andererseits gibt es sehr viel Wissenschaftsskepsis in der Bevölkerung.
Gibt es Vorbilder in Sachen Innovation und Forschung im Gesundheitswesen, von denen man lernen könnte und sollte?
Manche Länder investieren mehr Geld in Forschung und in manchen Ländern ist die Aufgeschlossenheit gegenüber der Forschung in der Bevölkerung größer. Das hat meist politische und soziologische Gründe, die sich nicht so leicht ändern lassen. Wichtig sind der offene Diskurs und die Kommunikation, aber auch die Vermittlung von Wissenschaftsverständnis und was wissenschaftliches Arbeiten bedeutet an den Schulen.
Wie kommen Forschungsergebnisse in die Praxis – konkret an den Patienten?
Es gibt Wissenschaftskommunikation, die auch in der Praxis ankommt, wenn Ärzte und medizinisches Personal zum Beispiel wissenschaftliche Publikationen lesen und neueste Erkenntnisse in ihre Behandlungsmethoden einfließen lassen. Und dann gibt es Impfstoffe, neue medizinische Messgeräte, also Produkte, die zuerst entwickelt werden, in klinischen Studien getestet und produziert werden. Hier werden Verträglichkeit und Wirksamkeit geprüft, erst wenn beides feststeht und das Produkt von der Behörde freigegeben ist, kann ein Produkt beim Patienten ankommen.
Kann Digitalisierung zur Förderung von Innovation im Gesundheitswesen beitragen?
Prozesse können vereinfacht und beschleunigt werden, das hat man ja auch während der Krise gesehen, Krankschreibungen, Rezepte, elektronischer Impfpass sind jedenfalls Errungenschaften, die die Abläufe vereinfachen. Auch bei der Forschung und Lehre ist die Digitalisierung nicht mehr wegzudenken.
Ist Innovationsförderung ein Faktor für einen starken Wissenschaftsstandort?
Innovationsförderung an Universitäten und in Firmen stärkt natürlich den Standort, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Wissenschaft und Forschung, sondern auch im Hinblick auf die Wirtschaft. Viele Erfindungen, die an Universitäten gemacht wurden, führten zu Start-ups und in weiterer Folge zu etablierten Firmen, gerade im biotechnologischen und medizinischen Bereich.
Welche Innovationen auf dem Sektor der Medizinprodukte waren für Sie in den letzten Jahren richtungsweisend?
mRNA-basierte Produkte sind sicher eine neue Grundlage verschiedenster Therapien, auch bei der Behandlung von Krebs oder Erbkrankheiten.