Kassenreform: Wohin geht die Reise?

Die AUSTROMED begrüßt, dass durch die geplante Kassenreform effizientere Strukturen angestrebt werden. Gleichzeitig fordert die Interessenvertretung, den grundsätzlichen Fokus auf den Patienten auszurichten, denn nur dadurch ist eine effiziente Struktur, frei von Parteipolitik und überbordender Bürokratie, gewährleistet. „Es steht jedoch zu befürchten, dass die Reform nicht weit genug greift, da die seit Langem geforderte Finanzierung aus einer Hand nicht umgesetzt wird. Wenn der Fokus wie bisher auf der Produktpreispolitik liegt, wird das nicht zum gewünschten Ergebnis führen, sondern vielmehr die Patientenversorgung mit innovativen sowie modernen Medizinprodukten gefährden“, sagt AUSTROMED-Präsident Gerald Gschlössl. Die Sicherstellung von Produktvielfalt ist gerade in der heterogenen Medizinprodukte-Branche von zentraler Bedeutung, um die personalisierte Patientenversorgung zu fördern und einer gegenläufigen Standardisierung entgegenzuwirken.

Emotionen hintanstellen

„Die Kassenreform vollendet jetzt das, was Anfang 2000 begonnen wurde. Dabei handelt es sich nicht um eine Gesundheitsreform, sondern um ein Gesetz, das organisatorische Fragen klärt“, stellt MMag. Maria M. Hofmarcher-­Holzhacker, Direktorin von HS&I HealthSystemIntelligence, fest und ergänzt: „Ich finde es schade, dass diese Phase nicht genutzt wird, um auch Leitgedanken festzuschreiben, die einer besseren Versorgung dienen.“
Dass es einen einheitlichen, transparenten, nachvollziehbaren und rechtsverbindlichen Prozess zur Einreichung und Erstattung von Medizinprodukten geben soll, darin sind sich alle Beteiligten einig. Der Weg dahin ist aber auch mit der neuen Strukturreform nicht bereinigt. Dr. Alexander Biach, Vorsitzender des Verbandsvorstands im Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger, warnt vor einer Emotionalisierung der Debatte und betont die positiven Entwicklungen: „In puncto Leistungsharmonisierung ist sehr viel gelungen, auch wenn zu einem einheitlichen Heilmittelkatalog noch eine Reihe von Schritten erforderlich ist und den Unternehmen auch künftig nicht nur ein Verhandlungspartner gegenübersitzen wird. Es darf aber auch nicht sein, dass am Ende die Unternehmen übrig bleiben, denn die tragen bereits das Innovationsrisiko für neue Produkte.“

Innovative Produkte bleiben auf der Strecke

Dass Medizinprodukte-Innovationen derzeit nicht in der Geschwindigkeit zum Patienten gelangen, wie es für das Gesundheitssystem gut und aus Sicht der Hersteller sinnvoll wäre, hat viele Ursachen. „Die Auswirkung der verschärften EU-Gesetzgebung führt dazu, dass keine Benannte Stelle für die Zulassung von Medizinprodukten in Österreich vorhanden ist. Niederlassungen ausländischer Benannter Stellen sind eine Alternative, aber damit verschenken wir die Expertise der Zertifizierung mit all ihrer wirtschaftlichen Bedeutung an das Ausland“, so Gschlössl. Innovative, neue Produkte verursachen bei den verbleibenden Zulassungsstellen mehr Aufwand, sodass die Wartezeit oft Monate beträgt. Ist dann endlich der Weg in den Markt geebnet, scheitern Produkte oft an der Intransparenz bei der Erstattung durch die Krankenkasse. „Es wird auf jeden Fall zu einer Marktbereinigung führen“, ist Hofmarcher-­Holzhacker überzeugt und schlägt sich auf die Patientenseite: „Ich kann gut verstehen, dass es für einen Betroffenen nicht nachvollziehbar ist, warum ein Medizinprodukt in einem Bundesland von der Kasse bezahlt wird und in einem anderen nicht. Patienten müssen sich aktiv einmischen und noch mehr Transparenz und Innovation fördern.“ Kaum verwunderlich ist, dass pro Jahr noch weitere rund 140 Millionen Euro privates Geld für Behelfe und Hilfsmittel ausgegeben werden – eine Zahl, die tatsächlich noch weit höher ist, denn Brillen und Hörgeräte sind in diesem Betrag noch nicht einkalkuliert.

Regionale Versorgung stärken

„Bei manchen Produktgruppen wären direkte Verträge mit der Industrie durchaus sinnvoll. Das würde einerseits die mühevollen Verhandlungen sparen und das Marktungleichgewicht ausgleichen sowie andererseits die Trans­parenz wesentlich erhöhen“, meint Biach und schlägt vor, die Regionalität gezielt zu fördern: „Das ist durchaus möglich, etwa durch Argumente wie die Versorgungs- oder Nachschubsicherheit.“

 

AUSTROMED STANDPUNKT
Die heimische Medizinprodukte-Branche ist durch eine starke klein- und mittelbetriebliche Struktur (KMU) geprägt. Sie erhält und schafft Tausende Arbeitsplätze und ist maßgeblich für einen erfolgreichen Wirtschaftsstandort Österreich verantwortlich. Sie stellen die Leistungen sicher, die regional benötigt werden und bieten eine breite Palette an produktbegleitenden Dienstleistungen an, die aus der Patientenversorgung nicht mehr wegzudenken sind. Wir fordern transparente, verbindliche und innovationsfreundliche Erstattungsprozesse, die unserer Marktstruktur entsprechen.