Klasse statt Masse:­Computergestützte ­Pathologie

Die Analyse von Biomarkern spielt eine wesentliche Rolle bei der Identifikation optimaler Therapien bei Krebserkrankungen. Durch die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft im Rahmen des österreichischen Forschungszentrums CBmed wird die Entwicklung, etwa auf den Gebieten der computergestützten Pathologie, der intelligenten Analyse von medizinischen Daten und des metabolischen Fingerabdrucks forciert. CBmed vernetzt wissenschaftliche Expertise mit führenden Pharma-, Diagnostik-, medizintechnologischen und IT-Unternehmen. Ein großes gemeinsames Ziel der Kooperationspartner ist die maßgeschneiderte Therapie und Behandlung unterschiedlicher Krebsarten, Stoffwechselerkrankungen und Entzündungen. „Nicht jeder Mensch reagiert gleich auf jede Therapie. Deswegen ist es umso wichtiger, mithilfe der genauen Diagnose und Analyse anhand der zutreffenden Biomarker die passende Behandlung zu finden, um den gewünschten Erfolg zu erzielen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Thomas Pieber als wissenschaftlicher Leiter des Forschungszentrums CBmed GmbH, Center for Biomarker Research in Medicine. In sechs Corelabs in Österreich werden daher ständig neue, unterschiedliche Analyse- und Diagnosemethoden erforscht.

 

 

Computational Pathologics

Bei der morphologischen Analyse histologischer Schnitte unter dem Mikroskop besteht die Gefahr, dass beispielsweise aufgrund unterschiedlicher Lichtverhältnisse oder Betrachtungswinkel unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden. Um diese subjektive Verfälschung zu vermeiden, werden Proben mittels Slide-Scanners digitalisiert. So kann das Bild vom Computer gelesen werden. Voraussetzung: Der Computer muss wissen, was er analysieren soll. „Wir haben mit Mathematikern zusammengearbeitet, unter anderem von der ETH in Zürich und Zentren in Amerika. Interessant dabei ist, dass der Mathematiker dem Computer einen Algorithmus vorgibt, wobei dieser selbst lernen kann. Heute können mit Plattformen für Genomics oder Prote­omics bei Tumoren ganz klare Cut-offs erkannt werden“, erläutert CBmed Partner Dr. Johannes Haybäck, Institutsdirektor am Institut für Pathologie an der Medizinischen Fakultät an der Otto von Guericke Universität in Magdeburg. „Wenn eine spezifische Tumorentität über zwei Prozent proliferiert, dann ist der Tumor ganz anders einzustufen, als wenn er nur einen Proliferationsindex von einem Prozent aufweist“, ergänzt der Experte. Die Folge sind zum Teil unterschiedliche Behandlungsmethoden für den Patienten, um den größtmöglichen Behandlungserfolg zu erzielen. Dank des Computereinsatzes bei der Analyse wird also die Subjektivität in der Diagnostik minimiert.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, ausgehend vom Patientengewebe aufzuzeigen, welches Chemotherapeutikum wirkt, indem der Befund dem Onkologen als individualisierter Behandlungsleitfaden ähnlich einem Antibiogramm dient. Aktuell ist diese Methode noch nicht weit verbreitet, doch Haybäck ist überzeugt, dass die computergestützte Pathologie in Zukunft eine immer stärkere Rolle spielen wird.

 

 

Standardisierung als Chance in der Analytik

Aktuell gibt es hinsichtlich der Präanalytik von Patientenproben noch keine sinnvolle Standardisierung, was mitunter zu Schwierigkeiten bei der Auswertung und Befundung führt. Eine Automatisierung über die vier Schritte der Gewinnung, Lagerung, Transportierung und Vorbereitung von Proben würde den Prozess erheblich beschleunigen. Als treibende Kräfte der Standardisierung fungieren die einzelnen Wissenschafts- oder Fachgesellschaften, wie beispielsweise die Gesellschaft für Pathologie oder Onkologie.
Labore arbeiten und publizieren nach „good clinical practice“ oder „good scientific practise“. Faktoren wie die Transportdauer einer Tumorprobe von der Entnahme bis zum Labor sind hingegen oft nicht standardisiert. „Wir haben in einer Studie mit Physikern große Unterschiede gesehen. Wenn Sie beispielsweise das banale 4%ige Formalin nehmen, gibt es bei verschiedenen Herstellern vollkommen andere Werte in der Zusammensetzung. Und damit ist die Präservation des Gewebes von Grund auf unterschiedlich“, beschreibt Haybäck. Wären alle Proben bei der Analyse identisch behandelt worden, wäre das ein wichtiger Faktor hinsichtlich der Vergleichbarkeit und damit der Identifikation von Biomarkern.

 

 

Quelle: CBmed Biomarker Conference, „The Future of Biomarker Research“, Medizinische Universität Graz 2017

Im Gespräch
Welche Vorteile haben die nuklearmedizinischen Verfahren PET und SPECT bei der Identifikation von therapierelevanten Zielstrukturen?
Im Rahmen der von der Uni Graz initiierten CBmed Biomarkerforschung haben wir in letzter Zeit verstärkt versucht, die MedUni Wien insbesondere in den Bereichen Proteomics und Molecular Imaging in die Kooperation einzubinden – also neben der klassischen Biomarkerentwicklung auch die Entwicklung sogenannter Imaging-Biomarker ­voranzutreiben. In der modernen onkologischen Präzisionsmedizin ­vollzieht sich eine Entwicklung von der mehr morphologisch und Organ-orientierten, auf Antikörper basierenden Diagnostik hin zur genetischen und proteomischen Analyse potenzieller therapierelevanter Zielstrukturen auf Zellen und Zellbestandteilen. Ein neuer Ansatz ist, mittels hocheffizienter Therapeutika gezielt mit toxischen Substanzen über Verbindungsstellen zu therapieren. Hierzu ist allerdings die Identifikation dieser Zielstrukturen, idealerweise im lebenden Organismus und auf sämtlichen Tumorläsionen, notwendig. Bisher wurden hier die Möglichkeiten der molekularen Bildgebung nicht voll ausgeschöpft.
Die Vorteile der nuklearmedizinischen Verfahren PET und SPECT liegen auf der Hand, denn bei diesen Methoden kann der ganze Körper dargestellt und sämtliche Tumorläsionen charakterisiert werden. Die ­Visualisierung und Quantifizierung der Tumoren erfolgt nach dem sogenannten Tracer-Prinzip: Es werden Radiopharmaka appliziert, die Signale aus dem Körper senden, wenn sie an bestimmten Zielstrukturen binden. Nur wenn eine solche Bindungsstelle für ein Medikament vorhanden ist, kann es wirken. Nun geht es darum, neue Imaging-Bio-marker anhand der Informationen auf den Bildern zu definieren – nach dem Motto „What you see is what you treat“.
Welche Vorteile bringt die Kooperation mit CBmed?
Das Zusammenspiel öffentlicher Träger mit der Industrie ist ideal, um Gelder für die Forschung zu akquirieren. Durch die Teilnahme der Industrie ist die Forschung automatisch anwenderorientiert. Wir betreiben an der MUW direkt neben dem AKH Wien höchstqualifizierte und international kompetitive Grundlagenforschung, daher trifft sich das optimal. Der dritte Vorteil ist das Netzwerk zu anderen hochkarätigen Forschern, frei von politischer Motivation. Die MedUni Graz ist sehr offen an uns herangetreten und die Zusammenarbeit klappt hervorragend. Da wir in Wien über andere Geräte und Technologien verfügen, ergänzen wir uns optimal. Insgesamt ist die Stärke von Konsortien wie CBmed die Quervernetzung verschiedener Biomarkerforschungen.