Während Österreich hier noch um passende Lösungen ringt, will ein Projekt auf EU-Ebene den Bürgern ermöglichen, ihre eigenen Gesundheitsdaten in der gesamten EU und darüber hinaus zu verwalten. Smart4Health heißt das engagierte Projekt, das einen Prototypen einer Gesundheitsplattform baut, auf der jeder EU-Bürger in der Lage sein soll, von allen EU-Mitgliedsstaaten aus sicher und unkompliziert auf die eigenen Gesundheitsdaten zuzugreifen. Im Forschungskonsortium Smart4Health arbeiten 18 Partner aus Medizin, Sozialwissenschaften, Technologie und Industrie zusammen. Die Finanzierung erfolgt im Forschungs- und Innovationsrahmenprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union mit bis zu 21,8 Millionen Euro über einen Zeitraum von 50 Monaten.
Als wäre die Idee nicht ohnehin schon komplex genug, basiert das Projekt auch noch auf einem partizipativen Ansatz. „Wir wollen die Plattform bürgerzentriert entwickeln und damit das Engagement rund um die Gesundheitsdaten von einer Top-down- zu einer Bottom-up-Idee fördern“, beschreibt Univ.-Prof. Dr. Ulrike Felt vom Institut für Wissenschafts- und Technikforschung an der Universität Wien, einem der Partner im Forschungskonsortium.
„Über einen Co-Creation-Ansatz wollen wir sozial robustere, realweltlich adaptierte Lösungen finden“, so Felt weiter. Für die unterschiedlichen Bedürfnisse, Werte, Anliegen und Erwartungen wird ein Raum eröffnet, in dem Bürger, Vertreter aus dem Gesundheitswesen, Ärzte und Forscher verhandeln können. „Damit wird ein offener Umgang mit Unsicherheiten bei Innovationen ermöglicht und das Gefühl für Eigenverantwortung gefördert“, freut sich die Forscherin.
Dabei zeigt sich, dass die Gesundheitsplattform beeinflusst, wie Bürger ihre Gesundheit wahrnehmen, erleben und danach handeln. Das verändert umgekehrt auch, aktiv zu entscheiden, welche Daten gesammelt werden und welche Vorstellungen die Bürger davon haben. So gibt es nach einem Registrierungsprozess den Zugang zu einem Dashboard, das einen Überblick über die verschiedenen Funktionen mit den Namen „MyHealthview“, „Mob.E.Health“, „MyTrusted“, „MyTime“, „MyWork“ und „MyScience“ gibt. Da diese Teil des Entwicklungsprozesses sind, werden sie im Laufe der Zeit verändert und weiterentwickelt, indem Rückmeldungen von Benutzern mit in den Anpassungsprozess einbezogen werden. „Die Bürger müssen nicht nur ihre Daten sammeln, sondern dort auch hochladen, ordnen oder verwalten und entscheiden, mit wem die Daten geteilt werden“, erklärt Felt. Damit stellt sich auch die Frage nach der Vollständigkeit der Daten und ab wann ein Krankheitsbild die Bedeutung für den Menschen verliert.
Die Schlüsselfragen lauten nach wie vor, warum Gesundheitsdaten überhaupt auf einer Plattform gesammelt werden sollen und wie Bürger zu einer Einschätzung kommen, ob sie diese Plattform nutzen sollen. „Prinzipiell wird eine solche Plattformlösung für sinnvoll erachtet, da die Erfahrungen fehlender Information zu Gesundheitsfragen weit verbreitet sind. Gleichzeitig ist das Thema in den allgemeinen Datendiskurs eingebettet“, beschreibt die Forscherin. Bürger entscheiden in verschiedenen Situationen – aufgrund ihrer Erfahrungen – anders und beurteilen meist nur einen Teilaspekt, selten aber die gesamte Plattform. Datenschutz und Privacy sind Dauerbrenner, auch die Sorge um ein Profiling und schließlich die Frage, ob Daten auch dauerhaft gelöscht werden können. „Ein Ausstiegsszenario ist ebenso vertrauensfördernd wie die Unabhängigkeit und Verteilungsgerechtigkeit der Vorteile durch die Datensammlung sowie die Speicherung auf bestimmten Servern“, weiß Felt.
Quelle: GÖG Colloquium „Auf dem Weg in den digitalen Gesundheitsraum – über das partizipative Bauen einer Gesundheitsdatenplattform“, 16.1.2021, Online