Insulinpumpen sind heute Hightechgeräte. „Eine Vielzahl an Monitoring-, Alarm- oder benutzerdefinierten Funktionen führt aber auch dazu, dass die Zahl der technischen Fehlfunktionen und Probleme aufseiten der Anwender zunimmt“, beschreibt Prof. Andrew J.M. Boulton, MD, Präsident der der European Association for the Study of Diabetes (EASD), University of Manchester (UK), die Entwicklung. Mehr Innovation schafft daher nicht automatisch auch ein Plus an Sicherheit, sondern auch eine steigende Zahl an unerwünschten Ereignissen im Zusammenhang mit dem Betrieb des Medizinproduktes. Trotz aller Entwicklungen fehlt es an aussagekräftige Monitoringdaten – vor allem im Hinblick auf Sicherheitsmängel und ihre Behebung nach der Markteinführung der Pumpen. „Die vorhandenen Daten stammen aus klinischen Studien. Über Vorfälle beim Patienten wissen wir wenig, da die Überwachung nach dem Inverkehrbringen bei den Herstellern noch nicht besonders weit verbreitet ist“, beschreibt Boulton den Ist-Zustand. So zeigt etwa eine Studie mit 200 Insulinpumpenträgern, dass im Gegensatz zu der erwarteten diabetischen Ketoazidose einmal in 50 Jahren tatsächlich vier Episoden pro Jahr – also umgerechnet 200-mal so viele! – auftraten.1 Eine Untersuchung von 640 neuen Insulinpumpen von vier verschiedenen Herstellern im Zeitraum von 2001 bis 2007 ergab, dass 36 % der Produkte einen Defekt aufwiesen und immerhin 16 % im Beobachtungszeitraum einen Komplettausfall hatten. Mechanische Defekte, die einen Austausch erforderlich machten, betrafen 6,5 % der Pumpen.2
Prof. Anna Peters, MD, Direktorin des USC Clinical Diabetes Programmes, hat versucht, aussagekräftige Daten rund um Risiken im Betrieb von Insulinpumpen zusammenzustellen und den MAUDE (Manufacturer and User Facility Device Experience) Report on Insulin Pumps der Food and Drug Administration (FDA) näher unter die Lupe genommen. Hier werden unerwünschte Ereignisse unterschiedlicher Medizinprodukte seit dem Jahr 1993 auf freiwilliger Basis gesammelt. Eine Stichwortsuche nach „Pumpe, Insulin und Infusion“ brachte für das Jahr 2011 rund 12.000 Meldungen, 2012 waren es knapp 20.000 und im Jahr 2013 rund 24.000 Meldungen. Für den Zeitraum der letzten zwölf Jahre erstellte Peters eine Übersicht über zurückgerufene Produkte inklusive der beschriebenen Gründe für Fehlfunktionen und kam insgesamt auf lediglich zehn Einträge in der gesamten Datenbank. Eine Recherche bei Herstellern nach Sicherheitsstandards und -verfahren für Insulinpumpen und entsprechenden Datenaufzeichnungen bei Fehlermeldungen brachte ernüchternde Ergebnisse: Ob Probleme lediglich auf leere Batterien oder Anwenderfehler zurückzuführen waren, lässt sich oft ebenso nicht nachvollziehen, wie die Folgen: Fehler in der Insulinpumpenfunktion können zu Hyperglykämie, Ketoazidose bis hin zum Tod führen.
Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich die Frage, ob die Gesetzgebung rund um Medizinprodukte ausreichend ist oder im Hinblick auf die hohe Zahl der „adverse events“ eine strengere Regulierung erforderlich erscheint. Im Namen der EASD fordert Boulton daher, dass Experten aus dem Bereich der Diabetologie auch in Regulierungsentscheidungen mit einbezogen werden müssen, sofern es Medizinprodukte aus dem Diabetessektor betrifft. „Wir müssen ein Medizinprodukte-Desaster für Diabetiker vermeiden“, fordert der Experte nachdrücklich. Im Mittelpunkt müssen die Rückverfolgbarkeit, eine Verbesserung der internationalen Datenbasis und eine striktere Überwachung der vorhandenen gesetzlichen Vorgaben durch nationale Behörden stehen.