Die Wirbelsäule ist ein komplexes System von vielen Einzelgliedern, die zusammenarbeiten müssen, um eine einwandfreie Funktion zu gewährleisten. Sie ist eine der am meisten beanspruchten Strukturen im menschlichen Körper und damit zugleich auch einer seiner Schwachpunkte, von dem zahlreiche Erkrankungen ausgehen.
„Egal ob im Alltag durch falsches Heben und Tragen der Einkaufstaschen, im Beruf durch eine schlechte Haltung am Arbeitsplatz oder in der Freizeit beim Sport, ist die Wirbelsäule – und insbesondere die Lendenwirbelsäule – hohen Belastungen ausgesetzt und daher im fortgeschrittenen Alter häufig von Abnutzungserscheinungen betroffen“, erläutert Prof. Dr. Josef Grohs von der Universitätsklinik für Orthopädie an der MedUni Wien. Es kommt zu degenerativen Veränderungen der Wirbelkörper, der Wirbelgelenke und der Bandscheiben. Die Folgen sind Wirbelbrüche, Discusprolaps und eine Instabilität der Wirbelsäule, wodurch es zu neurologischen Reizungen und Ausfällen kommen kann, sogenannten vertebragenen Syndromen. Zu Beginn der Erkrankung versucht man, die Rückenschmerzen durch eine Lebensstiländerung mit Entlastung der Wirbelsäule, durch Physiotherapie mit speziellen Kräftigungsübungen der Rückenmuskulatur, durch Stabilisierung der Wirbelsäule mit einem Korsett und mit Medikamenten zur Schmerztherapie sowie Substanzen, die den Knochenstoffwechsel anregen, in den Griff zu bekommen. Wenn jedoch neurologische Ausfallserscheinungen oder höhergradige Instabilitäten auftreten, ist meistens eine Operation unumgänglich.
Ziel einer Stabilisierung ist die Fusion von zwei Wirbelkörpern. Eine Fusion kann auch angeboren sein, in Form von Blockwirbeln, oder im Laufe des Lebens degenerativ entstehen. Die Stabilisierung geht in der Regel, vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule, ohne Bewegungseinschränkung einher. Für die operative Stabilisierung der Lendenwirbelsäule und damit Fusion von Wirbelkörpern gibt es verschiedene Operationsmethoden: die interkorporelle Fusion, die dorsale Fusion mit Schrauben sowie Kombinationen dieser Verfahren. Eine davon ist die Transforaminal Lumbar Interbody Fusion (TLIF). Darüber hinaus gibt es bewegliche und semirigide Implantate.
Seit einiger Zeit versucht man, operative Zugänge zur Stabilisierung der Lendenwirbelsäule so klein wie möglich zu halten, um durch eine geringe Muskel- und Gewebeschädigung eine schnellere Genesung und ein besseres Patienten-Outcome zu erreichen. Im Gegensatz zur offenen Methode wird bei der minimalinvasiven Methode die autochthone Rückenmuskulatur nur auseinandergedrängt und die Gewebsverletzung ist sehr klein. Methoden und spezielle Operationsgeräte entwickelten sich, mit denen man von den offenen Operationen über die halb offenen, zu den minimalinvasiven perkutanen Methoden gelangte.
Für letztgenannte benötigt man ganz spezielle Operationsgeräte sowie eine ständige Bildgebung. Zur Bildgebung werden zwei C-Röntgenbögen oder falls vorhanden ein O-Röntgenbogen eingesetzt. Für die Operationsgeräte haben verschiedene Firmen Systeme entwickelt, mit denen man die gesamte Stabilisierung der oben beschriebenen Methoden, durch jeweils 2 cm kleine Inzisionen durchführen kann.
Der große Vorteil bei diesen minimalinvasiven Methoden ist die Struktur schonende Operationstechnik. Im Gegensatz zur offenen Methode wird bei der minimalinvasiven Methode die autochthone Rückenmuskulatur nur auseinandergedrängt und die Gewebsverletzung ist sehr klein.
Die Frage, ob die schonende Operationstechnik insgesamt mehr Vorteile im Vergleich zur konventionellen offenen Methode mit sich bringt, konnte bisher nicht endgültig geklärt werden. Bislang gibt es nur wenige Studien, die einen signifikanten Unterschied zwischen der offenen und der minimalinvasiven Operationsmethode aufweisen.
Im Zuge seiner von Prof. Grohs betreuten Diplomarbeit hat Dr. Thomas Sutter nun eine aktuelle vergleichende Studie an der MedUni Wien abgeschlossen. Dafür untersuchte er 36 Patienten, die an der Lendenwirbelsäule mittels TLIF stabilisiert wurden. Eine Hälfte wurde minimalinvasiv perkutan und die andere Hälfte offen konventionell aufgrund von Osteochondrosen, Pseudospondylolisthesen, Spondylolisthesis vera und Vertebrostenosen operiert. Der Nachuntersuchungszeitraum betrug vier Jahre.
Die wesentlichen Ergebnisse der Studie: In der minimalinvasiven perkutanen Gruppe kam es zu einer signifikant längeren Operationsdauer. In der Gruppe der perkutan Operierten war die Operationsdauer um 27 Prozent länger als in der konventionellen Gruppe. Die Aufstellung der C-Röntgenbögen, die Handhabung der Instrumente und die kleineren Zugänge zum Einbringen des interkorporellen Cages verzögerten die Operation.
Entsprechend waren auch die Ein- und Ausschleuszeiten aus dem Operationsbereich bei der minimalinvasiv operierten Gruppe um 22 Prozent länger als in der konventionell operierten Gruppe. Während der Operation, beziehungsweise danach auf der Station, bekam die überwiegende Mehrheit mit jeweils 15 Patienten in der perkutanen wie auch in der konventionellen Gruppe keine Blutkonserve. Zum Entlassungszeitpunkt bekamen außerdem mehr Patienten aus der Gruppe der perkutan Operierten starke Opioide zur Schmerztherapie, die mögliche Gehdistanz ohne Schmerz war geringer, der Mittelwert des Oswestry Disability Index war höher.
Auf der anderen Seite kam es in dieser Gruppe zu einer exakteren Schraubenpositionierung. Die mittlere postoperative Aufenthaltsdauer, die Reposition der Anterolisthese sowie des Lordosewinkels, der erhobene VAS Score – bezogen sowohl auf die Rücken- wie auf die Beinschmerzen – und die persönliche Zufriedenheit waren in beiden Gruppen annähernd gleich. Es scheint möglich, fasst Sutter die Ergebnisse der Studie zusammen, dass „die minimalinvasive Methode ihre Vorteile in der Zeit direkt nach der Operation hat, jedoch fanden wir keine Vorteile nach einem längeren Beobachtungszeitraum“. So zeigte sich etwa im Rahmen der Nachuntersuchungen, dass es bei der perkutanen Operation eher zu Parästhesien in den Beinen kommt als bei der konventionellen Operation. Die Schlussfolgerung von Sutter fällt entsprechend differenziert aus: „Da beide Operationsmethoden Vor- und Nachteile haben, sind die zwei Methoden nicht für jeden Patienten gleich gut geeignet und müssen daher individuell an jeden Patienten angepasst werden, um optimale Ergebnisse zu erzielen.“