Österreich hat den Ruf, dass es über eines der besten Gesundheitssysteme der Welt verfügt. Dennoch läuft einiges nicht rund: So werden etwa viele Leistungen, die im niedergelassenen Sektor besser und günstiger möglich wären, derzeit in Spitälern erbracht. Zudem sprengt die demografische Entwicklung langsam, aber sicher den Rahmen, der für diese hochqualitative Entwicklung gesetzt wurde. Der Bedarf an Gesundheits- und Pflegeleistungen und damit auch die Kosten steigen, sodass an vielen Stellen die Nachfrage nicht mehr in der Form gedeckt werden kann, wie es für ein qualitativ hochwertiges Gesundheitssystem passend wäre.
Rund 115 Seiten umfassen nun die beiden zentralen Art. 15a-B-VG-Vereinbarungen, in denen die Eckpunkte der Gesundheitsreform festgelegt wurden. In der Einigung zwischen dem Bund und den Ländern ist ein Bekenntnis zu einer überregionalen und sektorenübergreifenden Planung und Steuerung sowie zur Sicherstellung einer gesamthaften Finanzierung des gesamten Gesundheitswesens zu finden. Durch mehr Koordination und Kooperation sollen die bestehenden organisatorischen und budgetären Partikularinteressen überwunden werden. Von 2024 bis 2028 sollen zusätzliche Mittel in das System fließen: für den niedergelassenen Bereich 1,5 Mrd. Euro über die ganze Laufzeit des Finanzausgleichs gerechnet. Der spitalsambulante Bereich erhält allein im nächsten Jahr 550 Mio. Euro. Dieser Betrag erhöht sich schrittweise in den folgenden Jahren, wodurch sich bis 2028 eine Summe von rund 3 Mrd. Euro ergibt.
Basierend auf dem Finanzausgleich und den zentralen Art. 15a-Vereinbarungen im Gesundheitsbereich werden 13 Gesetze geändert, die unter anderem zu einer Stärkung des niedergelassenen Bereichs, von Strukturreformen in den Spitälern, zum Ausbau digitaler Angebote sowie mehr Gesundheitsförderung und Vorsorge führen sollen.
Das Spital ist nach wie vor die teuerste Anlaufstelle in der Gesundheitsversorgung. Daher sollen hier Fachambulanzen, Tageskliniken und vorgelagerte Einrichtungen erweitert werden, damit weniger Patienten stationär aufgenommen werden müssen. Das kommt den Patienten zugute, die schneller in hoher Qualität behandelt werden, und spart Kosten. Für den Aufbau neuer Strukturen erhalten die Bundesländer vom Bund jährlich rund 600 Mio. € zusätzlich. „Für die Patientenströme wird das Prinzip digital vor ambulant vor stationär gelten und soll einen effektiveren Einsatz der Ressourcen gewährleisten. Wir sehen die Entwicklung sehr positiv, denn es ist längst an der Zeit, die Patientenlenkung so zu gestalten, dass hochwertige medizinische Einrichtungen, die knappe und teure Ressourcen beanspruchen, auch den Patienten vorbehalten sind, die diese Behandlungen benötigen“, kommentiert AUSTROMED-Präsident Gerald Gschlössl die Entwicklung. Zudem wünscht er sich, dass bei der Strukturreform in den Spitälern nicht nur neue Einheiten geschaffen werden, sondern auch die Modernisierung der vorhandenen Infrastruktur auf dem Plan steht: „Wenn ein Spital über kein funktionierendes WLAN verfügt, brauchen wir über die Digitalisierung im Gesundheitswesen nicht weiter nachzudenken.“
Österreich liegt mit 5,4 Ärzten pro 1.000 Einwohnern im internationalen Spitzenfeld. Die Stärkung des niedergelassenen Bereichs ist dennoch ein wichtiges Vorhaben bei der Reform des Gesundheitswesens, da sich immer weniger Ärzte dafür entscheiden, im öffentlichen Gesundheitswesen zu arbeiten. Der Mangel an Kassenärzten führt dazu, dass die Spitalsambulanzen noch mehr unter Druck kommen. Die Maxime „digital vor ambulant vor stationär“ kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn auch der niedergelassene Sektor gestärkt wird. Dafür werden im Zuge der Gesundheitsreform nun 300 Mio. Euro zusätzlich pro Jahr zur Verfügung gestellt. Neben neuen Kassenplanstellen stehen die Verdreifachung der Zahl der Primärversorgungszentren sowie eine einfachere Genehmigung von Gruppenpraxen und Ambulatorien auf dem Programm. „Wir freuen uns auf diese Umsetzung, denn das macht Patienten das Leben leichter, weil sie nur eine Anlaufstelle haben und auch zu Randzeiten nicht ins Spital ausweichen müssen. Aus Sicht der Medizinprodukte-Branche begrüßen wir die Entwicklung, die auch einen Innovationsschub bringen kann. Wir wollen dazu beitragen, indem wir zum Beispiel innovative Point-of-Care-Lösungen zur Verfügung stellen, die auch eine rasche und sichere Diagnose in kleineren Einheiten möglich machen“, sagt Gschlössl.
Positiv sieht der AUSTROMED-Präsident in diesem Zusammenhang auch die neue Erstverordnung von Medizinprodukten durch diplomiertes Gesundheitspersonal: „Auch das wird dazu beitragen, dass wir rascher mit innovativen Produkten beim Patienten ankommen können als bisher. Diese Reformschritte helfen den Patienten, dem Personal und den Unternehmen gleichermaßen.“